Ulvi Aydin Der Markt ist satt. Fressen wir die Konkurrenz!

Friss oder stirb
"Diese Stadt ist zu klein für uns beide". Dieser Klischee-Satz aus Westernfilmen passt wunderbar zur Situation in gesättigten Märkten, denn: Bedient das Angebot schon vollständig die Nachfrage, müssen Unternehmen schauen, wie sie weiterwachsen. Das Hauen und Stechen beginnt: Auf der einen Seite geht es darum, Bestandskunden zu halten und gegen Verführungsversuche der Konkurrenz zu verteidigen. Auf der anderen Seite ist das Ziel, selbst auf Neukunden-Jagd zu gehen. Und in gesättigten Märkten sind Neukunden (noch) Bestandskunden der Mitbewerber. Es gilt do-or-die, Friss oder stirb.
Wer sich hier behaupten will, muss mehr tun, als die anderen. Verantwortliche sollten sich Fragen: Limitiert die aktuelle Marketingstrategie unser Wachstum? Sollten wir die Zielsegmente breiter oder spitzer definieren, Produktangebote erweitern oder ausmisten? Wie präsent ist unsere Marke bei der Zielgruppe und wie können wir noch stärkere Präsenz und Reichweite erzeugen? Innovative und aggressive Marketingstrategien sind gefragt.
Preiskampf ist ein Griff ins Klo!
Getrieben vom Wettbewerb, steigen viele Marktteilnehmer in den Preiskampf ein. Dabei verwässern sie dann auch ihren eigentlichen Markenkern. Wenn Produkte und Angebote eh schon austauschbar sind und Unternehmen ihre Waren dann noch in Geiz-ist-geil-Manier anbieten – wo ist der Mehrwert für die Käufer? Das Problem: Oftmals kennen Verantwortliche die USP des eigenen Unternehmens nicht. Wer nicht in einem Satz die Unterscheidungsmerkmale seiner Firma aufzählen kann, hat keine Existenzberechtigung im Markt. Und Preiskampf ist keine USP!
Genauso verheerend ist es, wenn die Marketingabteilung fleißig schaut, was der Wettbewerb macht, um das dann zu kopieren. Wenn sich jeder nachäfft, ist es kein Wunder, dass Produkte und Angebote sich immer mehr ähneln. Das wird auch schnell zur Gefahr, wenn Kunden irgendwann nicht mehr zwischen unterschiedlichen Marken unterscheiden können. Natürlich ist es wichtig, die Aktivitäten der Konkurrenz zu beobachten. Noch wichtiger ist es aber, die eigenen Gehirnzellen zu aktivieren und eine Marketingstrategie zu entwickeln, die nicht in der grauen Masse der Vergleichbarkeit untergeht. Dafür braucht es Mut, Risikobereitschaft und eine ausgezeichnete Markenpflege.
Kundengruppen ausschließen
Ein Unternehmen, dass auch im gesättigten Mode-Markt erfolgreich ist, ist der italienische Konzern Tods’s, zu dem die Marken Tod’s, Hogan, Fay und Roger Vivier gehören. Dabei handelt es sich um Produkte im oberen Preissegment. Mit dieser konsequenten Haltung schließt das Unternehmen automatisch eine breite Zielgruppe aus. Gleichzeitig ist die Markenbotschaft der Italiener aber glasklar: hohe Qualität zu plausiblen Preisen für besondere Menschen. Die Marke ist ein Erlebnis. Die Kennedys, Jack Nicholson, Cary Grant und Gwyneth Paltrow trugen Schuhe von Tod’s. Der Auftritt von Viola Davis während der Emmy-Verleihung 2019 wurde im Internet als Highlight gefeiert: Schauspielerin betrat die Bühne im Galakleid – und mit Hogan Sneakers. Für das Unternehmen eine wunderbar passende Werbung.
Marken-Kannibalen Innovation ist in gesättigten Märkten wichtig. Dazu gehört, Kunden in die Produktentwicklung einzubeziehen. Und die Bereitschaft, das eigene Geschäftsmodell zu kannibalisieren. Der amerikanische Süßwarenkonzern Mondelez hat mit SnackFutures ein Innovations- und Investment-Hub geschaffen, mit dem en den mehr als gesättigten Snack-Markt angreifen will. Das Ziel: neue Snacks erfinden, die ökologischer und gesünder sind; alte Snack-Marken zu überarbeiten und externe Startups aus dem Lebensmittelbereich finanzieren.
Tim Cofer, Chief Growth Officer von Mondelez, sagt dazu: "Die Art, wie wir auf eine sich schnell entwickelnde Verbrauchernachfrage reagieren, muss sich ändern. Wir verfolgen bei SnackFutures einen zielgerichteten Ansatz, um unser eigenes Modell zu kannibalisieren und dem Unternehmen mehr eine Start-up-Mentalität zu verleihen." SnackFutures will sich ein unkonventionelles Ökosystem aufbauen, bestehend aus Risikokapitalgebern, Gründern, Wissenschaftlern, Akzeleratoren und Inkubatoren.
Die Kleinen schlucken
Eine andere, aber nicht weniger erfolgreiche Strategie fährt der französische Kosmetikhersteller L’Oréal. Mit Blick auf die Nachwuchszielgruppe der Generation Z kauft das Unternehmen populäre Nischenmarken auf, wie Urban Decay, Esssie oder Logocos. Diese Neuakquisitionen werden dann systematisch großgezogen und mit Onlinemarketing über die bei den "Millenials" beliebten Kanäle beworben. Damit attackiert das Unternehmen die Muttermarke L’Oréal – sichert sich aber gleichzeitig Marktanteile. Überhaupt ist die Kosmetikbranche Vorreiter in der Digitalisierung, wie eine McKinsey-Studie darlegt: Über Social Media und vor allem über Influencer binden Unternehmen ihre Konsumenten langfristig an sich.
Den Weg freikämpfen
Die drei Beispiele Tod’s, Mondelez und L’Oréal zeigen: In gesättigten Märkten müssen Unternehmen klare Haltung zeigen oder aus ihrer Komfortzone ausbrechen, um relevant zu bleiben. Sie müssen sich den Weg freikämpfen. Wer sich auf die Kernwerte seiner Marke besinnt und gleichzeitig offen für neue Herangehensweisen ist, muss nicht in den Preiskampf einsteigen. Wer Ausdauer, Mut und Risikobereitschaft mitbringt und sich nicht zu sehr auf die Mitbewerber fokussiert, hat gute Chancen, den Kampf um Marktanteile zu überleben. Keine Strategie hat Erfolgsgarantie. Aber wer eine Garantie benötigt, sollte sich besser einen Toaster kaufen.
Zum Autor: Ulvi Aydin, Preisträger des Interim Management Projekts 2018, wird von Kunden "People Mover" genannt. Er ist ein erfahrener, ergebnisorientierter und international agierender CEO und CSO. Als Unternehmensentwickler und Interim Manager unterstützt er mittelständische Unternehmen und Konzerne bei Marken- und Marktentwicklung, Neu-Positionierung, Restrukturierung und Vertriebsexzellenz. Aydin ist ein Macher, Organisator und Treiber für die Geschäftsoptimierung im Sinne aller Beteiligten.
Kommentare (1)
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden