Die Frage zum Sonntag Der lachende Dritte

Noch 18 Tage bis zur Bundestagswahl. 18 Tage sind für Wahlkämpfende eine lange Zeit, denn noch immer gilt es, potenzielle Wählende für sich zu überzeugen. Die Würfel sind noch nicht gefallen.

Kolumne von Jana Faus: Der lachende Dritte (Bild: Faus)

Schon oft haben wir an dieser Stelle auf die enorme Volatilität im Wähler:innenmarkt hingewiesen,  auf die abnehmende Parteibindung, aber auch auf die sehr großen Fußstapfen von Angela Merkel. Doch diese „äußeren Umstände“ allein, die es den Parteien und Kandidierenden in diesem Wahljahr besonders schwer machen, erklären nicht, welche signifikanten Verschiebungen wir in den letzten vier Wochen in der Sonntagsfrage beobachten können.

Veränderungen des Monatswahltrends zwischen September und August (Bild: pollytix)

Der pollytix-Wahltrend (das gewichtete Mittel der veröffentlichten Sonntagsfragen zur Bundestagswahl der verschiedenen Institute) zeigt, dass die SPD bereits im letzten Monat leicht zulegen konnte, CDU/CSU und Grüne leicht verloren haben. Diesen Monat setzt sich dieser Trend deutlich fort.

Heute vor einem Monat lag die CDU/CSU noch mit fast 27 Prozent deutlich in Führung, gefolgt von den Grünen mit rund 19 Prozent, die SPD landete auf Platz 3 mit rund 17 Prozent . Im letzten Monat hat sich die SPD an die Spitze gearbeitet und steht jetzt bei 23,6 Prozent, gefolgt von der CDU/CSU mit 21,7 Prozent und den Grünen auf Platz 3 mit 17,4 Prozent . Damit hat die SPD etwa so viel hinzugewonnen (+7,2 Prozentpunkte) wie die CDU/CSU (-6,1 Prozentpunkte) und die Grünen (-1,5 Prozentpunkte) gemeinsam verloren haben (-7,6 Prozentpunkte).

Bei den kleineren Parteien bewegte sich hingegen kaum etwas

Wir leben in Zeiten der Verunsicherung. Neben der Coronakrise wird immer deutlicher, dass wir mitten in einer noch viel größeren stecken: der Klimakrise. Spätestens die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat uns die Auswirkungen dieser Krise deutlich vor Augen geführt.

Es sind diese Krisen, die diese Wahl entscheiden. Und zwar nicht auf einer Sachebene, von der man im Wahlkampf tatsächlich kaum etwas mitbekommt.

Die große Zufriedenheit mit Merkel als Bundeskanzlerin fußt zu großen Teilen auf ihrer Krisenkompetenz - die größten Reformen hat sie in den letzten 16 Jahren sicherlich nicht angestoßen. Es geht bei dieser Wahl darum, welcher Person zugetraut wird, derzeitige und zukünftige Krisen zu meistern. Wobei man mittlerweile attestieren kann, dass es wohl eher darum geht, wen man während einer Krise lieber nicht an der Spitze der nächsten Bundesregierung sehen möchte. Denn keine:m der Kandidierenden flogen die Herzen der Deutschen bisher zu.

Die Sonntagsfrage seit August. Nach Nominierung von Olaf Scholz sank das Interesse der Wählenden an seiner Person als Kanditat stetig. (Bild: pollytix)

Die SPD nominierte als erste Partei mit Olaf Scholz ihren Kanzlerkandidaten. Auch wenn nach der Nominierung die Umfragewerte für die SPD leicht stiegen, löste Scholz keine Begeisterungsstürme hervor. Er schien etwas hölzern, langweilig, aber eben auch wohl bekannt. Schon damals stellte sich die Frage:

Kann Scholz Kanzler?

Lange tat sich in den Umfragen kaum etwas, die Wähler:innen mussten erst wissen, mit wem sie Scholz eigentlich vergleichen sollten. In den vergangenen Wahlen war das einfacher: Die Kandidierenden konnten einfach mit der amtierenden Kanzlerin verglichen werden: Ist er oder sie besser geeignet als die als krisenfest wahrgenommene Kanzlerin Merkel?

Baerbock aus dem Rennen?

Nach der Nominierung der beiden Gegenkandidat:innen stellte sich für die beiden genau diese Frage. Anfänglich weckte Annalena Baerbock Begeisterung und für einige Zeit sah es so aus, als wäre eine Regierung ohne Beteiligung der Grünen – möglicherweise sogar an der Spitze – kaum noch vorstellbar.

Doch Baerbock von den Grünen musste sich lange mit zum Teilen massiven Angriffen auseinandersetzen, die ihre persönliche Integrität verletzten. Angesichts wahrgenommener Täuschungsversuche bei ihrem Lebenslauf und Plagiatsvorwürfen bei ihrem Buch kamen potenzielle Wähler:innen der Grünen ins Grübeln, ob Baerbock Kanzlerin kann, ob sie das Handwerkszeug dazu hat, dieses Land sicher durch Krisen zu führen. Die glücklose Kampagne der Grünen, die es versäumt hat, Baerbock in den Mittelpunkt zu stellen, hat ihr Übriges dazu beigetragen, Baerbock als mögliche Regierungschefin weitestgehend aus dem Rennen zu nehmen.

Kein gutes Krisenmanagement bei Laschet

Die verunglückte Nominierung von Armin Laschet als gemeinsamer Kanzlerkandidat der CDU/CSU bereitete ihm einen denkbar schweren Start in seine Kampagne. Bisher vermochte er es nicht, sich als geeigneter Nachfolger seiner Parteifreundin Merkel zu präsentieren. Auch hier stellte sich den Wähler:innen die Frage, ob Laschet Kanzler kann und im weiteren Verlauf der Kampagne tat Laschet einiges dafür, dass beide Fragen mit einem deutlichen Nein beantwortet werden müssen:

Während der Corona-Krise machte er in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen alles andere als eine gute Figur und stolperte nicht nur über die Masken-Affäre, sondern auch über sein Krisenmanagement. Doch dann kam die Flut und damit die Hoffnung, Laschet könne hier in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen endlich seine Krisenkompetenz unter Beweis stellen. Diese Hoffnung machte Laschet schnell zunichte, als er sich beispielsweise bei der Rede des Bundespräsidenten im Hochwassergebiet feixend und lachend filmen ließ.

Und so freut sich der Dritte...

Und so schaffte es Scholz als lachender Dritter dazustehen, der von der Abwanderung der Wähler:innen von Grünen und CDU/CSU am meisten profitierte. Es ist wohl nicht zu gewagt zu behaupten, dass es bisher keine:m der drei Kandidierenden gelungen ist, die Herzen der Wähler:innen im Sturm zu überzeugen. Auch wenn die Kompetenzwerte von Scholz derzeit sehr gut sind, war es ein langer Weg, Wähler:innen von sich zu überzeugen.

In einer pluralistischen Gesellschaft mit einem breiten Parteienspektrum ist eine Regierung ohne Koalitionspartner undenkbar. Und so werden die Parteien in den nächsten vier Jahren wohl oder übel miteinander koalieren müssen. Nach einer Liebesheirat sieht es derzeit nicht aus.

Welche Koalitionen sind möglich?

Bundestagswahltrend zeigt mögliche Koalitionsoptionen. (Bild: pollytix)

Zurzeit sind nur Dreierbündnisse rechnerisch möglich. Sollte die CDU/CSU an der nächsten Regierung beteiligt sein, kann sie es entweder nur gemeinsam mit den Grünen und der FDP (Jamaika), mit den Grünen und der SPD (Kenia) oder mit der SPD und der FDP (Deutschland).

Wahrscheinlicher erscheint derzeit allerdings eine Koalition unter einem Kanzler Scholz ohne die CDU/CSU, nämlich eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP oder R2G mit den Grünen und der Linken, wobei hier deutliche inhaltliche Unterschiede, besonders in der Außenpolitik, erst noch überwunden werden müssen. Das konservative Lager warnt eindringlich vor einer solchen Koalition und holt verzweifelt die Rote-Socken-Kampagne aus der Mottenkiste.

Über die Person:

Jana Faus ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin, Co-Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der pollytix strategic research gmbh in Berlin, der Agentur für Meinungsforschung und forschungsbasierte Beratung an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft & Gesellschaft. Seit mehr als 15 Jahren forscht sie zu gesellschaftspolitischen Themen in Asien, Australien und Europa. Sie berät Wahlkämpfende auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.

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