Heinz Grüne, rheingold Der hungrige Konsument – warum die Seele jetzt Futter braucht und (fast) jedes Unternehmen Soulfood bieten kann

Soulfood - die neue Währung im Marketing
Wir Konsument brauchen also dringend Aufmunterung, ein paar seelische Streicheleinheiten und bunte Reize, die das graue Kriseneinerlei erträglicher machen. An dieser Stelle können uns die Marken-Anbieter der unterschiedlichsten Branchen helfen - mit (Neu-)Produkten, animierender und amüsierender Werbung, augenzwinkernden Anspielungen in den sozialen Medien und mehr. Seelennahrung bzw.'Soulfood' - das ist die neue Währung im Marketing des Jahres 2020!
Viele Unternehmen und Markenanbieter sind auf der Suche nach Maßnahmen, um das Vertrauen der Kunden sowie die Attraktivität der Produkte zu stärken? Rheingold-Studien zeigen, dass die Konsumenten derzeit hungrig sind. Und zwar nicht nur nach reeller Nahrung, sondern nach Zuspruch, Zerstreuung und neuen Zielen. Sie sind zerrissen zwischen erlebter Realität, medialem Overkill und ihren eigenen Ängsten und Zukunfts-Nöten. Weit und breit gibt es keine Instanz, die uns versichern kann, wie und wann wir aus der Misere endgültig herauskommen.
Welche Möglichkeiten gibt es?
In dieser Situation schlägt die Stunde von Soulfood. Damit sind nicht nur food-Produkte im engeren Sinne oder geistige Getränke gemeint, sondern im Grunde alle Angebote, welche das Leben etwas bunter, leichter, unbeschwerter machen. Dies können Produkte und Produkt-Kategorien sein, aber auch originelle klassische Werbemaßnahmen, Social Media Beiträge, WhatsApp-Memes - alles, was tröstet, ermutigt, inspiriert und heiter stimmt. Als konkrete Möglichkeiten kommen infrage: Einführungen neuer Produkte oder Lineextender. Above-the-line und Maßnahmen, welche die derzeitige Situation aufgreifen und konstruktiv umdeuten - zum Beispiel als Chance für neue Aktivitäten, Erlebnisse und Erfahrungen. Oder die Bereitstellung von Spielangeboten, virale Clips, Statements oder kleine Jokes, welche die Situation der Konsumenten nicht leugnen, ihr aber in jedem Fall einen positiven Twist geben. Klingt banal? Ist es auch - jedoch ist die Situation zu dynamisch für große Würfe und endgültige Lösungen. Derzeit kann man eben nur Rezepte und Trostpflaster geben.
Keine Hashtag'- und 'Dankeschön'-Kampagnen
Auf der anderen Seite gibt es aber auch denkbar ungeeignete Strategien, um mit der Krise umzugehen. Sich als Unternehmen oder Marke gar nicht mehr zu Wort melden, die Spendings und Media-Beiträge bis auf Null herunterfahren, kommt bei den Konsumenten sehr schlecht an. Wenn eine Marke kein Gesicht mehr zeigt, verschwindet sie und dieses Verschwinden wird mit der Krise einer kränkelnden Marke assoziiert.
Ebenfalls keine Lösung ist ein stures Weitermachen, also zum Beispiel den in 'besseren Zeiten' gedrehten Spot oder die aktuelle Printkampagne einfach weiterfahren - schlimmstenfalls noch mit einer sehr überzeichneten Botschaft der eigenen Großartigkeit und Überlegenheit. Solche Aussagen erscheinen vor dem Hintergrund der alles beherrschenden Pandemie wie Fundstücke aus einem vergangenen Zeitalter als sich Waschmittel oder Automarken noch als Nabel der Welt inszenierten und damit sogar durchkamen.
Ebenfalls passé sind die sehr schnell nach Beginn der Krise aufgetauchten 'Hashtag'- und 'Dankeschön'-Kampagnen. Sie haben in einem sehr kurzen Zeitfenster sicherlich Sinn gemacht. Sie nutzten jedoch als 'Soulfood' nur recht kurz - man möchte nicht mehr ausschließlich gemeinsam besinnlich sein, sondern im Rahmen der Möglichkeiten auch wieder Freude haben und nach vorne blicken.
Kommunikation der Unternehmen auf allen Ebenen
In dem man als Marke und Unternehmen die Menschen in ihrer heutigen Situation an- und ernstnimmt, gibt man zugleich ein Stück Nimbus der eigenen Größe ab. Angesichts einer erlebten 'Überdosis Weltgeschehen' (Sascha Lobo) zeigt man damit, dass große wie kleine Marken auch nur Rädchen im größeren Getriebe des Weltenlaufs sind. Zugleich macht man sich damit nahbarer, die Marke wird 'jemand von uns'. Dies kann Vertrauen schaffen, Beziehungen festigen und anbahnen. Und diejenigen Beziehungen, die in Zeiten der Not entstehen, sind in der Regel belastbarer und stabiler. Damit wird 'Soulfood' auch für Anbieter und Marken zu einer neuen Hoffnung im instabilen Weltgeschehen.
In der Bereitstellung von 'Soulfood' liegt also eine Chance für alle Marken-Anbieter. Hier können sie zeigen: Wir haben verstanden, welche Bedingungen auf der Verbraucherseite herrschen! Anstatt laut zu klagen und die eigenen Probleme in den Mittelpunkt zu stellen, sollten Unternehmen alles tun, um die Schnittmenge zwischen ihren Angeboten (konkret: Produkte; ideell: Kommunikation auf allen Ebenen) und der aktuellen Situation auf Verbraucherseite zu definieren. Welche Hilfestellungen kann unser Unternehmen geben? Welche Lasten können wir erleichtern? Welche Möglichkeiten haben wir, um Trost, Zerstreuung, Unterhaltung, 'Thrill', Spaß und Kurzweil in den Alltag der Konsumenten zu bringen?
Zur Person: Heinz Grüne arbeitete schon während seines Studiums der Psychologie an der Universität Köln an zahlreichen Forschungsprojekten im Bereich der qualitativen Marktforschung. Er ist seit 1988 Geschäftsführer bei rheingold. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Erforschung der digitalen Medien und ihrer Auswirkungen auf den Alltag, in der Betrachtung der Seniorenkultur und der Psychologie des Konsums von Lebensmitteln. Spezialisiert hat er sich auf das Thema Bier.
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