Till Winkler, SKOPOS Der Forscher als Coach und Berater

Ich gestehe, ich bin nicht der größte Freund des Wortes "Berater". Die Bekannten, die früher Berater werden wollten, freuten sich auf Anzug, teure Uhr und Aktentasche. Ich vermute, daher kommt meine erste Reaktion, wenn ich den Begriff höre. Vom Coaching will ich gar nicht erst anfangen. Dabei ist die Tätigkeit des Beratens so wichtig, wie nie zuvor. Alles bewegt sich sehr schnell, es wird unfassbar komplex und Daten und Wissen sind extrem wichtig, um nachhaltig zu wirtschaften. Wir brauchen Berater! Aber vielleicht brauchen wir sie in einem anderen Gewand.
Zunächst einmal muss man sich, und das ist nur meine Meinung, folgendes bewusst machen: Berater sind nicht immer intelligenter, weiser oder erfahrener. Der wichtigste Aspekt ist: Sie sind nicht Teil des Teams. Sind wir doch mal ehrlich. Wie oft kommt ein Bekannter, Freund oder Partner auf uns zu und gibt uns einen Tipp, bei dem wir denken "Stimmt, ist total einfach, aber drauf gekommen bin ich auch nicht.". Warum nicht? Es gibt dieses Sprichwort "Der Prophet im eigenen Land ist nichts wert" und irgendwie ist schon etwas Wahres dran. Tatsächlich habe ich neulich mit einem Berater einer großen Firma im Zug gesprochen und er sagte mir "Das ist nicht immer was Neues, teilweise greifen wir die Ideen auf, die die Kollegen schon längst hatten. Aber uns hört man halt zu". Uff. Das tut weh. Es ist entmystifizierend und beängstigend zugleich.
Ich schreibe darüber, damit man sich dies bewusst macht: Jede Meinung von extern kann helfen und unterstützen! Wir werden diesen Prophet-Land-Mist nicht lösen können, aber wir können uns klar machen, dass Leute von Außerhalb einfach eine andere Wirkung haben. Also nutzen wir das doch! Wir sollten uns manchmal bewusst Zeit und Raum dafür nehmen, außerhalb unseres Dunstkreises mit Leuten zu sprechen. Einfach nur sprechen. "Ich habe hier das und das Problem, was denkst Du?". Es bringt einen wirklich weiter. Basti, der elements Gründer aus meinem Dunstkreis und ich habe vor ein paar Jahren mal jede Woche mit einem anderen Start Upper oder Professor in Köln gesprochen. Einfach nur Mittagessen. Prädikat: Wertvoll.
Das war Tipp Nummer 1. Bewusst Zeit nehmen, in den Kalender blocken und mit anderen sprechen. Das bringt noch keinen Change Prozess mit sich, hilft aber trotzdem.
So, und nun für die Leser, die Hilfe geben möchten im Rahmen von Projekten. Da habe ich auch noch etwas zu sagen. Wir haben irgendwann erkannt, dass es beim Thema Coaching oder Beratung weniger um die Daten geht, als die Art und Weise, wie man diese in die Unternehmen tragen kann. Und, wenn man den Beratungsansatz in der Markforschung für sich beanspruchen möchte, schlage ich vor, sich die folgenden Gedanken zumindest kurz einmal zu Gemüte zu führen.
1. Ergebnisse in den größeren Kontext einbetten
Meistens machen wir dann doch Ad-Hoc-Forschung. Aber wer macht sich die Mühe, die Ergebnisse in einen Desk Research einzubetten? Wer macht sich die Mühe, bei jeder (!) Studie einen umfassenden Report zu schreiben, der Wettbewerber-Produkte, den allgemeinen Markt und auch zukünftige Trends mit einbezieht? Eben! Das sollte man aber mehr machen, damit Ergebnisse in einem größeren Kontext beschrieben werden können!
2. Mehr Verhalten, weniger Daten im Fokus
Wenn wir uns den Propheten-Spruch nochmal zu Gemüte führen, erscheint klar, dass es weniger um den Inhalt geht, als darum wer es sagt. Der Wirkmechanismus für Erkenntnis ist also eher psychologisch als faktenbasiert. Deswegen sollten wir uns genau das zu Nutze machen. Bereits bei der Berichterstattung sollten wir uns überlegen, wie wir die höchste Akzeptanz für die Ergebnisse erzielen können.
Ergebnisse im Workshop erarbeiten lassen, Hausaufgaben geben, die Ergebnisse als Video statt als Bericht präsentieren, sich die Ergebnisse von den Kunden präsentieren lassen (statt umgekehrt). Es gibt ein paar Mittel und Wege, diesen Teil anzugehen. Letztlich ist es wichtig zu verstehen, dass die Ergebnisse nichts wert sind, außer man schafft es, diese in das Unternehmen zu tragen. Deswegen muss man diesen Aspekt ebenso fokussieren, wie die Ergebnisse selbst. Konzipieren Sie Workshops, überlegen Sie sich kreative Übungen für höhere Akzeptanz. Tatsächlich sollte diese konzeptionelle Arbeit Teil des Angebots sein und nicht nur eine Option.
3. Kontakt und Kommunikation
Wir in der Marktforschungsbranche werden vermutlich nicht anfangen, Unternehmen auf einem hohen Strategie-Level zu beraten und monatelang zu begleiten. Das ist einfach nicht unser Kerngeschäft. Dennoch können wir uns in unseren Bereichen ganz gut behaupten. Es ist einfach wichtig, mit den Kunden und den relevanten Projekt-Teams in Kontakt zu bleiben. Nach der Studie aufhören ist nicht drin. Jeden Monat mit den Stakeholdern telefonieren, dranbleiben, einen Google-Alert auf relevante News in der Branche setzen, und sich damit an den Punkt bringen, dass man überhaupt beraten kann! Das ist gar nicht so unwichtig. Denn natürlich können wir methodisch beraten, aber es ist wichtig, die inhaltliche Bedeutung dieser Themen herauszuarbeiten und auch um die Situationen zu wissen, in welcher die Ergebnisse letztlich Anwendung finden.
Wir erarbeiten zum Beispiel in einem Workshop nicht nur die Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen gemeinsam (Akzeptanz!), wir erarbeiten und prüfen auch einen Umsetzungsplan. Das sind dann meist konkrete Change-Management-Maßnahmen, bei denen wir unsere Kunden begleiten (z.B. weitere Workshops, interne Kommunikationsmittel, weitere Research-Anforderungen). Man begleitet das Projekt länger als Rolle des externen Researchers und kann hierbei beratend unterstützen.
Mir ist es wichtig herauszustellen, dass der Beratungsansatz gar nicht so sehr exklusiv auf der Kompetenz der Berater basiert (ja natürlich geht es ohne nicht), sondern vor allem auf dem Ansatz, wie man die Ergebnisse in das Unternehmen trägt, wie man die Zusammenarbeit weiter fördert und wie man die Ergebnisse bis zur direkten Umsetzung trägt. Und das schafft man, in dem man a) die menschliche und psychische Wirkung von Information und Akzeptanz versteht und einplant und b) in dem man die Projekte umfassender betrachtet und konzipiert. Nach dem Ergebnisbericht ist nicht Schluss! Wir sollten uns zu Herzen nehmen, dass die Ergebnisse immer nur Mittel zum Zweck sind. Und je mehr wir Ideen und Maßnahmen mitbringen, die es schaffen, den Zweck mehr zu forcieren als die Mittel, je mehr sind wir auf dem Weg wo wir hinwollen. Berater. Aber ohne Aktentasche. Sondern ein bisschen cooler.
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden