Ausbildung Der FAMS: Probleme und Chancen

Für marktforschung.de berichtet Stephan Degenhardt
Ob Azubis, Betriebe oder Handelskammern: Alle, die in Nordrhein-Westfalen mit der Ausbildung zum Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung (FAMS) zu tun haben, erleben derzeit "unruhige Zeiten". So formuliert es ein Berufsschullehrer. Grund für die Aufregung sind Überlegungen, die beiden Ausbildungsstandorte Köln und Düsseldorf umzugestalten. Pläne, den Standort in der Landeshauptstadt komplett zu schließen, machten die Runde – schnell starteten Azubis eine Online-Petition gegen dieses Vorhaben. Von anderer Seite heißt es, die FAMS-Berufsschulklasse in Köln solle wie die in Düsseldorf geöffnet werden für Azubis aus allen NRW-Regierungsbezirken – auch das käme einem harten Schlag für die Ausbildung in Düsseldorf gleich.
Bezirksregierung Düsseldorf: Noch keine Entscheidung über Auflösung eines Ausbildungsstandortes gefallen
Die Bezirksregierung Düsseldorf, zuständig für die FAMS-Fachklasse am dortigen Max-Weber-Berufskolleg, teilte auf Anfrage von marktforschung.de mit, dass derzeit noch keine Entscheidung über die Auflösung einer der beiden Standorte gefallen sei. Das NRW-Schulministerium überprüfe regelmäßig die Auslastung von Bildungsangeboten. Außerdem, so die leitende Regierungsschuldirektorin, dürfe es bei Recherchen zum Thema keine Rolle spielen, ob der FAMS "in Düsseldorf und Köln oder nur an einem der beiden Standorte" beschult werde.
Viele Beteiligte sehen das anders. Herbert Höckel zum Beispiel, Geschäftsführer des Düsseldorfer Online-Marktforschungsinstituts moweb Research, spricht sich vehement gegen eine Schließung der FAMS-Klasse am Max-Weber-Berufskolleg aus. Er appelliert an die Bezirksregierung Düsseldorf, auf die Bedenken der ausbildenden Betriebe zu hören. Für viele Azubis, die teils aus dem Düsseldorfer Umkreis oder dem Ruhrgebiet kämen, sei es unzumutbar, zweimal wöchentlich zur Berufsschule nach Köln zu pendeln. "Ein Wegfall des Standortes Düsseldorf würde die Ausbildung für viele junge Menschen unattraktiver machen und unsere Zukunft als Ausbildungsbetrieb in Frage stellen", sagt Höckel, dessen Unternehmen gerade den vierten FAMS ausbildet.
Hinter den aktuellen Überlegungen geht es wie so oft ums Geld. Berufsschulen bekommen ihre Ressourcen pro Azubi. Die Frage ist: Wie viele Schüler braucht eine Berufsschulklasse, damit sich ihr Erhalt lohnt? Die FAMS-Klassen in Düsseldorf und Köln haben jeweils um die zehn Schüler – zu wenig. Selbst die Berufliche Medienschule in Hamburg, die bundesweit als Primus in der Marktforschungs-Ausbildung gilt, könne mit 15 Azubis pro FAMS-Klasse nur schwer auskömmlich wirtschaften, sagt der dortige Ausbildungsleiter Gunnar Kripke. Benötigt würden mindestens 22 Schüler. Die Lösung, zwei Standorte wie Köln und Düsseldorf zusammenlegen, liegt daher nahe. Doch für Herbert Höckel ist das eine "Milchmädchenrechnung": "Statt zwei Klassen mit je zehn Schülern hätten wir dann nur eine mit zwölf, weil das Interesse an dem Beruf durch die weiten Wege zur Schule noch weiter zurückgehen würde."
FAMS: Niedrige Bekanntheit des Ausbildungsberufs bleibt ein Problem
Es ist ein altes Manko des 2006 eingeführten Ausbildungsberufs. "Die noch zu niedrige Bekanntheit des FAMS ist ein Problem, an dem wir weiter arbeiten müssen", sagt Bettina Klumpe, Geschäftsführerin von GfK Media & Communication Research, die im Vorstand des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute (ADM) zuständig ist für die Nachwuchsausbildung in der Branche. Im Vergleich zu etablierten Berufen wie dem Industriekaufmann oder der Bankkauffrau fristet der FAMS ein Nischendasein: Seit 2006 wurden rund 700 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Nachdem es 2010 fast 100 waren, ging die Zahl seither wieder zurück – im vergangenen Jahr kamen bundesweit 69 neue FAMS hinzu. Viele Unternehmen haben Probleme, geeignete Azubis zu finden. rc - research & consulting aus Bielefeld zum Beispiel stellt jährlich zwei neue FAMS ein – bei fünf oder sechs Bewerbern. "Das ist natürlich keine Masse, aus der wir schöpfen können. Dennoch haben wir bislang immer das Glück gehabt, genügend qualifizierte Interessenten zu finden", sagt Geschäftsführer Ingo Sander. Auch Lisa Contzen, Leiterin des Personals bei YouGov, erzählt von wenigen Bewerbungen, die oft auch noch von der Qualität schlecht seien. Das Münchner Institut Vocatus hat wegen solcher Schwierigkeiten mittlerweile komplett die Suche nach FAMS-Lehrlingen eingestellt.
Hinzu kommen strukturelle Trends, mit denen alle Ausbildungsberufe derzeit zu kämpfen haben: der demografische Wandel etwa oder der Run auf die Universitäten. Um den FAMS trotz aller Widrigkeiten zu mehr Bekanntheit zu verhelfen, hat der ADM vor zwei Jahren in Kooperation mit den anderen großen Marktforschungsverbänden die Aktion "Werden Sie FAMS-Botschafter" gestartet. Institute – vor allem solche, die ausbilden – gehen seither in Schulen oder Berufskollegs und stellen ihr Unternehmen, die Branche sowie den Beruf des Marktforschers vor. Das Kölner Unternehmen YouGov ist zum Beispiel bei der Aktion mit dabei. Außerdem werden Schulklassen in die Unternehmen eingeladen, wo sie aus erster Hand erfahren sollen, was ein Interview ist oder wie Umfragen ausgewertet werden.
Verbände wollen Anzeigenkampagne initiieren
Demnächst, so Bettina Klumpe, will der ADM zusammen mit dem Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher (BVM) eine Anzeigenkampagne in Fachzeitschriften und auf Internetportalen initiieren, um vor allem betriebliche Marktforscher vom FAMS zu überzeugen – diese seien bislang noch sehr zurückhaltend, was die Ausbildung betrifft. Doch Klumpe fordert die gesamte Branche auf mehr zu tun: "Wir haben eine Verpflichtung, in unseren Nachwuchs zu investieren." Sie setzt darauf, dass der FAMS bekannter wird, je mehr Unternehmen ausbilden. Auch genügend Berufsschulstandorte sind für Klumpe essentiell. Neben Köln, Düsseldorf und Hamburg gibt es seit Einführung des FAMS 2006 Fachklassen in Frankfurt, Nürnberg und Berlin. In der Hauptstadt ging nach einer Pause 2013 im vergangenen Jahr wieder ein Ausbildungsjahrgang an den Start. "Das war für uns sehr wichtig", so Klumpe. Hoffnungen, dass nach 2006 im Laufe der Jahre mehr Berufsschulen dazukommen würden, hätten sich nicht erfüllt.
Trotz aller Schwierigkeiten: Die Erwartungen, die in den Ausbildungsberuf gesetzt wurden, konnten sich erfüllen – er wird von der Branche hoch geschätzt. Der FAMS sollte eine Lücke in der Ausbildung zum Marktforscher schließen, angesiedelt zwischen einem Akademiker und einer reinen Bürokraft. Während Hochschulabsolventen vor allem konzeptionell arbeiten – zum Beispiel Kunden wissenschaftlich beraten –, sind die FAMS eher organisatorisch, technisch und operativ unterwegs. In der Ausbildung lernen sie alle Facetten der Marktforschung kennen: von der Fragebogenentwicklung über die Auswertung bis hin zur Berichtlegung. Sie übernehmen Aufgaben in der Datenaufbereitung, im Charting und Reporting. Sie müssen sich Zahlen präsentieren können – aber auch sich selbst, sagt Bettina Klumpe. FAMS kämen oft mit Kunden in Kontakt, und dadurch raus aus dem Unternehmen. Klumpe sieht darin einen Mehrwert gegenüber anderen Ausbildungsberufen, die sich nur im Büro abspielten.
Auszubildende haben hohen Stellenwert in den Unternehmen
Alle Unternehmen, die einmal einen FAMS ausgebildet haben, geraten ins Schwärmen. "Unsere Azubis sind wertvolle Mitarbeiter, die sich super entwickeln. Durch ihre Praxiserfahrung können sie mit Hochschulabsolventen konkurrieren", sagt Lisa Contzen von YouGov. Herbert Höckel von moweb Research hält den Beruf mittlerweile für unverzichtbar. "Mit ihm können wir unseres mittleres Management selbst einstellen und ausbilden." Alternativen gebe es kaum. Eine Bürokraft wisse meist zum Beispiel nicht, was Repräsentativität bedeutet. Auch Praktikanten seien nur ein schlechte Option – diese müssten ständig neu eingearbeitet werden.
So gut wie alle FAMS werden nach der Ausbildung übernommen – das zeigt ihren Stellenwert. Ein schleichender Niedergang des Berufs – etwa durch noch geringere Bewerberzahlen – würde viele Unternehmen der Branche hart treffen. Der Wegfall eines Ausbildungsstandortes in Nordrhein-Westfalen würde in jedem Fall schlechte Signale aussenden. Bis in der Sache Klarheit herrscht, wird es wohl noch etwas dauern: Die Bezirksregierung Düsseldorf teilte mit, dass zu gegebener Zeit eine Entscheidung getroffen werde.
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