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Aktuelle Rechtsfragen aus der Marktforschungspraxis Der Entwurf zum Beschäftigtendatenschutz aus Sicht der Marktforschung

Dr. Ralf Tscherwinka (Dr. Hönig Rechtsanwälte)
Von Dr. Ralf Tscherwinka
Kommt er oder kommt er nicht? Der Entwurf zum Beschäftigtendatenschutzgesetz (BDSG-E) wird seit Jahren von der Bundesregierung verschleppt. Manchmal kommt ein Hoffnungsfunke auf, dass aus dem Entwurf eines Tages ein Gesetz werden könnte. Dann erlischt dieses Fünkchen wieder. Vor kurzem veröffentlichte die Presse einen angeblichen Beschluss der Bundesregierung, dieses Gesetz endlich auf die Schiene zum Inkrafttreten zu bringen. Am 16. Januar 2013 sollte sich der Innenausschuss des Bundestags mit dem Gesetzesentwurf beschäftigen; kurzfristig wurde dieser Punkt von der Tagesordnung gestrichen. Die Kritik am Entwurf kam sowohl von Arbeitgeberseite wie von Gewerkschaften. Die Anfragen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens und zum (etwaigen) Inhalt des BDSG-E haben sich gehäuft. Daher wollen wir die heutige Kolumne dazu nutzen, zum Gesetzgebungsstand und zum derzeitigen Inhalt des Entwurfs Hinweise zu geben. Dabei beschränke ich mich im Folgenden auf diejenigen Teile des Gesetzesentwurfs, die aus Marktforschungssicht vorrangig von Bedeutung sind.
Wer den Gesetzesentwurf der Bundesregierung näher studieren will, kann ihn als Bundestag-Drucksache 17/4231 aus dem Internet abrufen. Ob er mit diesem oder einem anderen Inhalt, ob er jemals oder nie das Licht der Gesetzeswelt erblicken wird, ist unklar. Als Betrachter der zähen und lähmenden Gesetzgebungs-Ladehemmung steht man ziemlich sprachlos da. Prognosen, ob und wann das Gesetz in Kraft tritt, sind nach heutigem Stande unseriös.
Die aus Marktforschungssicht relevanten Passagen betreffen vor allem das Mithören und den Problemkreis der Einwilligung. Die Datenerhebung aus sozialen Netzwerken soll im Übrigen eingeschränkt werden, jedenfalls soweit die Datenerhebung Beschäftigte betrifft. Betriebsvereinbarungen, die in vielen Fällen die einzige Möglichkeit einer Rechtfertigungsgrundlage für Datenübermittlungsvorgänge sind, weil häufig weder eine Einwilligung noch eine gesetzliche Erlaubnisnorm vorlag, dürften zukünftig nur noch eingeschränkte Anwendung finden; jedenfalls wird zukünftig keine Abweichung mehr zu Ungunsten der Beschäftigten vom gesetzlichen Datenschutzniveau erlaubt. Die heimliche Videoüberwachung soll verboten werden, die „offene“ Überwachung unter bestimmten Voraussetzungen möglich bleiben.
1. Mithören von Telefoninterviews
a) Telefonische Befragungen sind aus Sicht der Marktforschungsinstitute und -verbände seit vielen Jahren eine wichtige Methode der Datenerhebung in der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung. Das stichprobenartige Mithören telefonischer Interviews ist ein unverzichtbares Instrument der Qualitätssicherung. Es muss im Einzelfall vom Interviewer unbemerkt erfolgen, weil es wichtig ist, das „normale“ Verhalten des Interviewers zu überprüfen. So hat der Verband Deutscher Marktforschungsinstitute ADM e.V. Richtlinien erstellt, die zum Anliegen haben, schutzwürdigen Belangen sowohl der Forschungsinstitute und ihrer Auftraggeber als auch den der Interviewer und Befragten angemessen und ausgewogen Rechnung zu tragen. Sie finden diese Richtlinie unter www.adm-ev.de/Richtlinien. Die Richtlinie wurde erstellt in Zusammenarbeit der ASI Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftlicher Institute e. V., des ADM Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. und der weiteren in der Präambel der Richtlinie genannten Verbände.
b) Es war und ist ständige Rechtsprechung, dass heimliches Mithören zwecks Qualitätskontrolle regelmäßig mit dem Anspruch des Mitarbeiters auf Persönlichkeitsschutz nicht zu vereinbaren ist (Bundesverfassungsgericht, NJW 1992, 850). Auch Betriebsvereinbarungen scheiden als Legitimationsgrundlage hierfür aus – nach zukünftiger Rechtslage schon deshalb, weil Betriebsvereinbarungen das Schutzniveau des Datenschutzrechts nicht zu Ungunsten von Mitarbeitern unterschreiten dürfen und nach aktueller Rechtslage, weil der Betriebsrat als Kollektivorgan meines Erachtens kein Mandat dazu hat, individuelle Persönlichkeitsrechte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einzuschränken.
Auch als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Gesprächspartners eines Telefongesprächs wurde das heimliche Mithören vom Bundesarbeitsgericht beurteilt: „Durch das zielgerichtete heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen durch Dritte wird das aus Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hergeleitete zivilrechtliche Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners verletzt, der von dem Mithören keine Kenntnis hat.“
Eine wirksame Einwilligungserklärung des Mitarbeiters ist also unabdingbar. Ich gehe davon aus, dass dieses Wissen und die Umsetzung zur Einholung schriftlicher wirksamer Einwilligungserklärungen von Mitarbeitern Standard sind. Wer (noch) keine Einwilligungen hierfür eingeholt hat oder einholt, muss sich umgehend informieren und beraten lassen und spätestens sofort sich um die Einholung wirksamer Einwilligungserklärungen bemühen. Sowohl bei Einführungsveranstaltungen für Interviewer als auch bei Schulungen zu konkreten Zwecken sind die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufend darauf hinzuweisen, dass zur Überprüfung zu Qualitätskontrollzwecken das Mithören von Interviews stattfindet; dies empfehle ich als zusätzliche Begleitmaßnahme und darf nicht als „Alternative“ zur Einholung von Einwilligungen missverstanden werden.
c) Der Gesetzgeber plant in § 32 i BDSG-E eine Regelung zur Kontrolle von Mitarbeitern mit folgendem Wortlaut (die aus Marktforschungssicht relevanten Passagen finden Sie von mir unterzeichnet):
„2. Inhalte einer ausschließlich zu beruflichen oder dienstlichen Zwecken erlaubten Nutzung von Telefondiensten darf der Arbeitgeber nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dies zur Wahrung seiner berechtigten Interessen erforderlich ist und der Beschäftigte und seine Kommunikationspartner im Einzelfall vorher darüber informiert worden sind und darin eingewilligt haben. Ist die ausschließlich zu beruflichen oder dienstlichen Zwecken erbrachte telefonische Dienstleistung wesentlicher Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, darf der Arbeitgeber Inhalte dieser Nutzung ohne Kenntnis des Beschäftigten im Einzelfall zu einer stichprobenartigen oder anlassbezogenen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle erheben, verarbeiten und nutzen, wenn
- der Beschäftigte in geeigneter Weise vorab darüber informiert worden ist, dass er in einem eingegrenzten Zeitraum mit einer Kontrolle zu rechnen hat, und
- die Kommunikationspartner des Beschäftigten über die Möglichkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung informiert worden sind und darin eingewilligt haben. Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten unverzüglich über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Inhaltsdaten nach Satz 2 zu unterrichten.“
Gemäß § 32 i Abs. 2 BDSG-E ist das Mithören somit nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig. Erforderlich ist zukünftig die Einwilligung nicht nur des Interviewers (die schon bisher von den Interviewern schriftlich eingeholt werden muss), sondern auch diejenige des angerufenen Gesprächspartners. Eine bloße Information oder ein opt-out reicht dann nicht aus, erforderlich ist die aktive, ausdrücklich erklärte Einwilligung unter vorangegangener zutreffender und vollständiger Information. Offenes Mithören zu Schulungszwecken ist auch zukünftig möglich. Angekündigtes heimliches Mithören ist also erlaubt, unangekündigtes verdecktes Mithören verboten.
Die Kritik aus Sicht der Marktforschung entzündet sich daran, dass dies kein ausreichendes Mittel für die Qualitätssicherung darstellt. Der Passus „in einem eingegrenzten Zeitraum“ ist der Stein des Anstoßes. Unklar ist hier zum einen, was mit einem „eingegrenzten Zeitraum“ zu verstehen ist; vorsorglich darf man keinesfalls länger als eine Woche annehmen, höchst vorsorglich wohl sogar den Zeitraum eines Tages. Sicher ist, dass Anfang und Ende genannt werden müssen („eingegrenzter Zeitraum“). Ob die Qualitätskontrolle dann noch die gleiche ist, mag ich persönlich nicht zu beurteilen, wird aber aus Fachkreisen bezweifelt. Ein Interviewer der weiß, dass mitgehört wird, verhalte sich in der Regel anders als dann, wenn er dies nicht wisse. Ob man den eingegrenzten Zeitraum auf eine Woche (oder länger) erstrecken kann, indem man sagt: „Die folgenden zwei Wochen jeweils von 10 Uhr bis 12 Uhr“ ist einerseits rechtlich kritisch, weil das Gesetz nur von „einem“ eingegrenzten Zeitraum spricht und zum anderen fraglich, ob dies der Qualitätsförderung wirklich weiter hilft.
§ 32 i BDSG-E regelt im Übrigen nichts zu Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Gesprächsaufzeichnung und zum Zeitraum für die Aufbewahrung von Aufzeichnungen, deren Löschung man aber nach maximal 90 Tagen empfehlen muss. (Auch zu Aufzeichnungen enthält die oben genannte ADM-Richtlinie empfehlenswerte Hinweise)
Allerdings bestätigt der Gesetzesentwurf (sozusagen im Umkehrschluss), dass Mithören grundsätzlich und unter Einhaltung der genannten Voraussetzungen erlaubt ist, ohne dass der Interviewer bei jedem Einzelinterview gesondert über das Mithören informiert werden muss.
d) Solange nur die Einwilligung des Interviewers eingeholt wird, nicht jedoch diejenige der angerufenen Person, stellt sich die im Folgenden zu besprechende Frage nach der Strafbarkeit wegen heimlichen Mithörens gemäß § 201 StGB:
Die Einwilligung des Interviewers schließt den Tatbestand des heimlichen Mithörens gemäß § 201 StGB nur gegenüber dem einwilligenden Interviewer aus, nicht gegenüber der dritten, angerufenen Person.
Gemäß § 201 Abs. 2 StGB wird bestraft, „wer unbefugt (1) das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nicht-öffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört …“
Allerdings bestätigt gerade der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu
§ 32 i BDSG-E , dass bisher keine Einwilligung der angerufenen Person rechtlich erforderlich war. Nur deshalb ist es verständlich, dass der Gesetzgeber für die gesetzliche Neuregelung eine Einverständniserklärung der angerufenen Person als zukünftige Zulässigkeitsvoraussetzung ausdrücklich normiert.
Wesentlich ist allerdings (auch), dass Abhörgeräte im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB gerade nicht Telefongeräte und Zusatzeinrichtungen sind, die das Mithören von Telefongespräche ermöglichen (Zweithörer, Zweitgerät, Lautsprecher, „sonstige Mithöreinrichtungen“, vergleich BGH St. 39, 343); hier ist allerdings Vorsicht angezeigt, weil die zitierte Rechtsprechung des BGH über 20 Jahre alt ist und die Sensibilität und die Mehrheitsmeinung der BGH Senate in Rechtsfragen sich zukünftig ändern können.
Es ist daher empfehlenswert, organisatorisch mit der Einrichtung der Einwilligungseinholung zu beginnen, um bei Inkrafttreten des Gesetzesentwurfs den neuen Voraussetzungen entsprechen zu können und die Einwilligung der angerufenen Person einzuholen. Das Einwilligungserfordernis der angerufenen Person wird mittelfristig kommen, und es ist empfehlenswert, sich rechtzeitig darauf einzurichten. Dann ist die Frage nach einer Strafbarkeit gemäß § 201 StGB obsolet.
e) Das Mithören ist aus meiner Sicht unabdingbar zur Vertragserfüllung gegenüber dem Auftraggeber und zum Nachweis der ordnungsgemäßen Interviewdurchführung. Der Nachweis der ordnungs- und vertragsgemäßen Interviewdurchführung ist nur durch Mithören möglich. Marktforschungsinstitute sind in der Regel im Rahmen von Werkverträgen gemäß §§ 631 ff. BGB tätig. Eine Abnahmeverpflichtung der Auftraggeber besteht nur bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung. Die Abnahme wiederum ist Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung, §§ 640, 641 BGB.
Da anders als durch Mithören die korrekte Durchführung einer Befragung (insbesondere die Einhaltung der Inhalte des Fragebogens) nicht möglich ist, wäre es grob widersprüchlich, diese vertragsrechtliche Erfüllungspflicht (einerseits) unter eine Verbotsnorm (andererseits) zu stellen.
Vielmehr spricht meines Erachtens alles dafür, dass im Hinblick auf die §§ 640, 641 BGB unter den geschilderten Zulässigkeitsvoraussetzungen zur Zulässigkeit des Mithörens sogar mit der gesetzlichen Erlaubnisnorm des § 32 BDSG argumentiert werden kann. Denn gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten (dies gilt zumindest analog auch für freie Mitarbeiter) erhoben, verarbeitet oder genützt werden, wenn dies wie hier für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Das Beschäftigungsverhältnis des Interviewers (gleichgültig hier ob als freier Mitarbeiter oder als Arbeitnehmer) kann aber ohne die Qualitätskontrolle aus den vorgenannten Gründen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Erforderlichkeit ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein Verzicht auf die Datenverarbeitung nicht sinnvoll oder unzumutbar wäre und keine weniger eingriffsintensiven Mittel zur Verfügung stehen, die in gleicher Weise zur Zweckerreichung geeignet sind (LAG Köln, 28. Juni 2011, 12 TaBv 1/11).
f) Zukünftig ist also nicht nur die Einwilligung des Mitarbeiters erforderlich, sondern auch diejenige der angerufenen Person. Damit sind nicht nur strafrechtliche Fragestellungen obsolet. Vor allem jedoch ist meines Erachtens die Einwilligung der angerufenen Person aus dem Gesichtspunkt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aller Beteiligten empfehlenswert und auch ein Seriositätsmerkmal, welches die Markt- und Meinungsforschung für ihre Öffentlichkeitsarbeit positiv herausstellen kann.
2. Das Problem der Einwilligung
a) Schon bisher war die Wirksamkeit einer Einwilligungserklärung von Arbeitnehmern höchst problematisch. In der herrschenden Kommentarliteratur zum Arbeitsrecht wird vor allem die Freiwilligkeit der Einwilligungserklärung eines Arbeitnehmers mit guten und nachvollziehbaren Gründen bezweifelt. Und es ist plausibel und vertretbar, dass Arbeitnehmer nicht wirklich freiwillig entscheiden, wenn sie vor die Situation gestellt werden, den Wünschen bzw. Anforderungen des Arbeitgebers nachzukommen.
b) An dieser Stelle besteht meines Erachtens Anlass, die Frage zu klären, ob und inwieweit das Beschäftigtendatenschutzgesetz auch auf freie Mitarbeiter Anwendung findet. Denn Interviewer sind wohl mehrheitlich als freie Mitarbeiter tätig. § 3 Abs. 11 BDSG definiert diejenigen Beschäftigten, auf die das Beschäftigtendatenschutzgesetz Anwendung finden soll. Dort sind z.B. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genannt, nicht jedoch freie Mitarbeiter. In der Kommentarliteratur findet man hierzu kaum etwas. Aus meiner Sicht ist aufgrund des Schutzwecks des BDSG, nämlich dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei Umgang mit personenbezogenen Daten und der Vergleichbarkeit der Situation von freien Mitarbeitern und Angestellten im Hinblick auf die Qualitätskontrolle des Mithörens (und ich meine hier nur spezifisch zu diesem Punkt, nicht allgemein und im Hinblick auf andere rechtliche Aspekte) eine Vergleichbarkeit gegeben. Das Beschäftigtendatenschutzgesetz ist daher grundsätzlich auch auf freie Mitarbeiter, jedenfalls analog anzuwenden.
c) Einwilligungen von Arbeitnehmern sollen zukünftig grundsätzlich keine Möglichkeit zur Rechtfertigung einer datenschutzrechtlich relevanten Maßnahme geben. Der Entwurf des Beschäftigtendatenschutzgesetzes will Einwilligungen nur in folgenden Situationen erlauben:
- Datenerhebung bei Vorarbeitgeber, § 32 Abs. 6 BDSG-E
- ärztliche Untersuchung vor Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, § 32 a BDSG-E
- Einwilligung in Speicherung der Beschäftigtendaten, § 32 b Abs. 3 BDSG-E
- Ärztliche Untersuchung im Beschäftigungsverhältnis, § 32 c Abs. 3 BDSG-E
- Nutzung biometrischer Verfahren, § 32 h Abs. 1 BDSG-E
- Überwachung der Nutzung von Telekommunikationsdiensten, § 32 i BDSG-E
Immerhin: Für das Mithören will der Gesetzgeber auch zukünftig in § 32 i BDSG-E (siehe oben 1) eine Einwilligungsmöglichkeit bereitstellen. In anderen Fällen wird die Einwilligung kein Heilmittel mehr sein, es sei denn, die oben stehenden Einzelfallkonstellationen treffen zu. Ohne Einwilligung und ohne gesetzliche Erlaubnisnorm sind jedoch Datenverarbeitungsvorgänge rechtswidrig.
Erinnern wir uns an den Grundsatz des Datenschutzrechts gemäß § 4 BDSG. Es gilt der Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Grundsätzlich ist alles verboten, es sei denn, es ist durch eine gesetzliche Erlaubnisnorm oder eine Einwilligung ausdrücklich erlaubt. § 4 BDSG lautet wie folgt:
„Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.“
Wenn und soweit keine Einwilligung vorliegt, bedarf es zur Zulässigkeit eines Datenverarbeitungsvorgangs einer gesetzlichen Erlaubnisnorm.
Eine gesetzliche Erlaubnisnorm im Sinne von § 4 BDSG ist § 32 BDSG. § 32 BDSG ist derzeit die einzige gesetzliche Bestimmung, die spezifisch auf Beschäftigtendatenschutz ausgerichtet ist. Hier der Wortlaut:
„Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist …“.
Schon aus dem zitierten Wortlaut wird leicht erkennbar, dass diese gesetzliche Erlaubnisnorm niemals im gleichen Umfang Einwilligungen als Rechtsgrundlage ersetzen kann. „Erforderlich“ im Sinne von § 32 BDSG wird von der ganz herrschenden Kommentarliteratur und Rechtsprechung eng und restriktiv ausgelegt. Nützlichkeit alleine genügt nicht. Das zum einen. Und zum anderen: Spezifisch für § 32 BDSG stellt sich die Frage nach deren Anwendungsbereich für freie Mitarbeiter gesondert dar. Die herrschende Kommentarliteratur ist der Auffassung, dass jedenfalls § 32 BDSG nur auf Arbeitnehmer Anwendung findet (Gola / Schomerus, BDSG, § 32, Rdnr. 4), während dies im Übrigen einer grundsätzlichen, zumindest analogen Anwendung des BDSG auf freie Mitarbeiter nicht entgegensteht (siehe oben 2 b). Das aber bedeutet, dass – wenn man schon keine Einwilligung mehr nutzbar machen kann – auch die gesetzliche Erlaubnisnorm des § 32 BDSG für freie Mitarbeitsverhältnisse nicht mehr ausreichen würde. Das wird zukünftig ganz neue Rechtsfragen und Herangehensweisen auslösen.
d) Und wer zum Abschluss noch eine weitere Hiobsbotschaft zum Thema Einwilligungen hören möchte, hier ist sie: Im Jahr 2016 soll die EU-Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: EU-GV) in Kraft treten. Gemäß Artikel 7 Ziffer 4 EU-GV bietet eine Einwilligung keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn zwischen der Position der betroffenen Person und des für die Verarbeitung Verantwortlichen ein erhebliches Ungleichgewicht besteht. Ein solches Ungleichgewicht liegt insbesondere dann vor, wenn sich die betroffene Person in einem Abhängigkeitsverhältnis von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen befindet, z.B. dann, wenn personenbezogene Daten von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen verarbeitet werden. Dies ist ausdrücklich in Erwägungsgrund 34 der EU-GV (Erwägungsgründe sind eine Art Gesetzesbegründung) dargelegt.
Diskutiert wird darüber hinaus, ob ein solches Ungleichgewicht auch im Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern besteht. Würde sich Artikel 7 Ziffer 4 EU-GV auch auf Verbraucher beziehen, wären z.B. wirksame Einwilligungen bei Kundenzufriedenheitsbefragungen generell gefährdet. Ich würde dieses Ergebnis und diese Rechtslage für vollkommen grotesk erachten, der Wortlaut von Artikel 7 Ziffer 4 EU-GV lässt es aber als notwendig erscheinen, das Thema so zu erörtern. Der Wortlaut von Artikel 7 Ziffer 4 EU-GV differenziert nicht nach Motivation, Interessenlagen oder dergleichen, sondern lässt ausschließlich genügen, wenn ein „erhebliches Ungleichgewicht“ besteht. Auch von dieser Seite drohen also erhebliche Gefahren für die Brauchbarkeit und Wirksamkeit von Einwilligungen und somit z.B. für die Durchführung von Kundenzufriedenheitsbefragungen der Marktforschung.
3. Noch ein abschließender Hinweis für die Leserinnen und Leser dieser Kolumne:
Sobald Inhalt und Inkrafttreten des Beschäftigtendatenschutzgesetzes feststehen (sollten), werden wir in einer aktuellen Kolumne die wesentlichen Inhalte für Sie aufbereiten. Marktforschungsinstitute sind bekanntlich von Datenschutzregulierungen in doppelter Hinsicht betroffen: Zum einen hinsichtlich der Marktforschungsspezifika, die wir in der heutigen Kolumne angesprochen haben. Und zum anderen – wie jedes andere Unternehmen auch – bei der Bewältigung der datenschutzrechtlichen Aufgaben, die sich im alltäglichen Unternehmensgeschäft und in datenschutzrechtlich relevanten Betriebsabläufen stellen.
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