Dr. Gunnar Grieger, Splendid Research Der Einfluss von Corona auf die Marktforschungsbranche

Bereits jetzt steckt die Weltwirtschaft als Folge des Corona-Ausbruchs in einer Rezession. Diese Rezession wird vermutlich noch schwerwiegender als die Folgen der Finanzwirtschaftskrise 2008, glaubt Dr. Gunnar Grieger von Splendid Research. Daneben besteht die Möglichkeit, dass eine weitere Finanzwirtschaftskrise folgt, die wiederum rückläufige Effekte auf die ohnehin schon lädierte Weltwirtschaft hat. Doch was bedeutet dies für die Marktforschungsbranche? Dr. Grieger hat gemeinsam mit seinen Kollegen eine Hypothese aufgestellt. Diskutieren Sie mit.

Die typische Folge einer Rezession ist eine Budgetreduzierung in allen Bereichen. Auch die Marktforschungsgbudgets sind hiervon betroffen, um intern finanzielle Löcher in produktionsrelevanten Bereichen zu stopfen. Insofern ist von einem Aufschieben oder gar einem anhaltenden Rückgang von Ad-hoc-Projekten auszugehen, bis Budgets wieder für Marktforschung eingesetzt werden.

Stop von qualitativen Projekten wie Face-to-Face und Mystery Shopping

Während quantitative Projekte sich zum Teil aus der Distanz durchführen lassen und – sofern bereits begonnen – zu Ende geführt werden, ist bei qualitativen Projekten mit einem unmittelbaren Stop sowohl aus organisatorischen als auch pragmatischen Gründen zu rechnen, da Mitarbeiter der Kunden nicht zu qualitativen Projekten reisen können und Probanden ggf. ihre Wohnungen gar nicht verlassen (wollen), um etwa in einer Fokusgruppe mit fremden Menschen in einem Raum teilzunehmen.

Zahlreiche Untersuchungen wie F2F-Interviews oder Mystery Shopping lassen sich vor dem Hintergrund der das öffentliche Leben einschränkenden Maßnahmen nicht mehr durchführen und werden daher bis auf weiteres nicht mehr nachgefragt.

Marktforschung ist eine typische zyklische Industrie. Sofern Werbekampagnen abgesagt werden, Produkteinführungen gestoppt werden, Geschäfte geschlossen sind, entfallen Gründe, Marktforschung durchzuführen. Gleichwohl gibt es in jeder Krise auch Gewinner bei nachgefragten Leistungen. Budgetrestriktionen, wegfallende Posten für betriebliche Forscher und somit fehlendes Know-how könnte die Nachfrage nach Lösungen aus dem Bereich DIY-Marktforschung erhöhen.

Hin zu Onlineumfragen

Bei den Durchführungsmethoden ist von einer Reduzierung von solchen qualitativen und quantitativen Studien auszugehen, die eine Präsenz von Forschern und Befragten erfordern. Diese sind schlichtweg nicht durchführbar.

Wir gehen davon aus, dass die Folge ein Wechsel auf eine Onlinedurchführung ist, der weitgehend anhält, weil Auftraggeber feststellen, dass so gewonnene Ergebnisse nicht besser und nicht schlechter sind und häufig mit geringeren Kosten einhergehen.

Sofern Durchführungsformen nicht digital kompensierbar sind, wie etwa Sensorik Labs oder Massenveranstaltungen wie Car Clinics, besteht sogar die (wenn auch von uns als weniger wahrscheinlich eingestufte) Möglichkeit, dass unter dem Primat der Seuchen-Prävention zukünftig gänzlich auf solche Methoden verzichtet wird, um als Dienstleister nicht öffentlich als Gefährder eingestuft zu werden.

Wir gehen davon aus, dass der technologische Wandel im digitalen Marktforschungsbereich eine erhebliche Beschleunigung erfährt, um den neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Realsimulationen wie beispielsweise Shelf Tests, Shopper Experience oder Car Clinics können möglicherweise durch VR-Lösungen ersetzt werden und gleichzeitig mittelfristig zu einer Kostenersparnis bei den Auftraggebern führen. Bei erhöhtem Ressourceneinsatz in diesem Bereich wird auch das Angebot wachsen, was wiederum in einer höheren Qualität bei sinkenden Kosten resultiert. Insofern bestehen hier Chancen für neue Durchführungsformen.

Wird die Teilnahmebereitschaft von Probanden steigen?

Zumindest für die Zeit von Ausgangssperren, aber auch in Zeiten von anhaltender Kurzarbeit könnte die Teilnahmebereitschaft von Probanden steigen, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken von uns, um unsere KPIs bzgl. Panelist Life Time und Return of Panelist zu steigern. Gleichwohl gehen wir davon aus, dass eine Steigerung der Vielfalt des Teilnahmeangebots, wie VR, Onlineumfragen, Audio Surveys oder Online-Fokusgruppen, die Teilnahmebereitschaft für alle Durchführungsformen förderlich sein dürfte.

Wir gehen als Folge sinkender Marktforschungsbudgets, vermehrter Nutzung von DIY-Lösungen und einer anzunehmenden gesteigerten Nachfrage nach digitalen Durchführungsformen von einer bezeichnenden Marktbereinigung auf Seiten von Instituten, Felddienstleistern und beratenden Marktforschungsunternehmen aus. Die Ablösung von traditionellen Durchführungsformen durch neue, auf Technologieeinsatz basierenden Lösungen, war auch vorher schon absehbar. Wir sind von einer langsameren Entwicklung ausgegangen, die sich bis zum Ende des Jahrzehnts sukzessive vollzogen hätte. Durch die derzeitige Situation wird diese Transition erheblich beschleunigt.

Coronakrise: Welche Marktforschungsanbieter am meisten betroffen?

Anbieter, die nicht die gesamte Wertschöpfungskette (Konzeption, Durchführung und Analyse) bedienen können und auf Zukäufe von Teilleistungen angewiesen sind, werden es bei rückläufigen Budgets und einem möglichen Preiskampf noch schwerer haben. Insofern werden es beispielsweise Institute, die kein eigenes Feld haben, sowie reine Felddienstleister schwer haben, da sie wichtige Ergebnisbeiträge aus den jeweils fehlenden Bereichen nicht generieren können. Der entsprechende Aufbau solcher Kompetenzen und Assets ist kurz- und mittelfristig nur mit erheblichem Kapitalaufwand und organisatorischen Mühen zu leisten. Neben Anbietern mit Effektivitätsnachlässigkeiten aus den vergangenen Jahren werden aber auch solche Unternehmen schwer getroffen werden, die ihre Prozesse nicht durchgängig optimiert haben (Effizienz). Sie werden nur schwer positive Ergebnisbeiträge generieren können.

Zunächst weniger betroffen dürften diejenigen Unternehmen sein, die langfristig laufende Verträge mit ausreichenden regelmäßigen Einnahmen generieren, etwa aus Lizenzen oder Trackingstudien.

Für alle Anbieter von Marktforschung besteht ab sofort ein erhöhtes Cash Flow Risiko. Marktforschung ist je nach Sichtweise eines Unternehmens am Ende der allgemeinen Wertschöpfungskette angesiedelt. Neben Zahlungsausfall durch Insolvenz der Auftraggeber besteht die Gefahr, dass Rechnungen nicht oder nicht vollständig oder mit erheblicher Verzögerung bezahlt werden, damit der Auftraggeber sein eigenes Cash Flow sichert, um sich wiederum am Leben zu erhalten. Hier besteht ein hohes Risiko, dass Institute, Berater und am Ende Felddienstleister, wo die Datenerhebung (Wertschöpfung) stattfindet, gravierende Zahlungsausfälle zu verbuchen haben. Fraglich ist, ob die Kassen der verschiedenen Anbieter entlang der Wertschöpfungskette ausreichend gefüllt sind oder es gar zu einem Dominoeffekt kommt.

Die Folge rückläufiger Aufträge in einem bestehenden Wettbewerbsumfeld ist häufig ein Preiskampf, um eigene Umsätze zu sichern oder weitere erforderliche zu generieren, die Personal- und Gemeinkosten decken. Hier bleibt nur zu hoffen, dass sich der Preiskampf nicht ruinös gestaltet und ein Preisverfall die ohnehin schon geringen Margen der Branche vollständig aufzehrt und ein Anheben der Preise zu einem späteren Zeitpunkt erheblich erschwert oder gar unmöglich macht.

Die Krise führt mit jedem Tag, an dem noch kein Ende absehbar ist, zu einer massiven Verunsicherung der Belegschaften. Zum einen ist da die Angst vor dem Coronavirus, zum anderen die vor einem Arbeitsplatzverlust aufgrund rückläufiger Aufträge oder (eigentlich schützender) Maßnahmen wie Kurzarbeit. Dies könnte zu einem fluchtartigen Wechsel in solider aufgestellte Unternehmen derselben Branche oder aber in andere Branchen führen. Eine Abwanderung von (guten) Mitarbeitern könnte die Leistungsfähigkeit eines Marktteilnehmers erheblich schwächen und eine erforderliche Transformation, hin zu einem marktgerechteren Leistungsportfolio, erschweren.

Sind die "Kriegskassen" ausreichend gefüllt?

Wir gehen davon aus, dass es zu einer massiven Marktkonsolidierung kommt, die im ersten Schritt kleine, noch nicht eingesessene Start-ups der Branche treffen wird und im zweiten diejenigen, die Forschungsleistungen auf sehr personalintensive Art erbringen. Unsicher sind wir bei mäßig bis breit aufgestellten Anbietern. Hier wird entscheidend sein, ob Effektivität und Effizienz in allen Bereichen der Wertschöpfung mindestens annähernd zukunftssicher gestaltet sind und ob die "Kriegskasse" ausreichend gefüllt ist, um Fixkosten bis zu einem Anstieg der Nachfrage zu decken. Gewinner werden diejenigen Anbieter sein, die technologisch so gut aufgestellt sind, dass niedrige Grenzkosten ein skalierbares Wachstum ermöglichen.

Über den Autor: Dr. Gunnar Grieger ist Gründer und Gesellschafter von SPLENDID RESEARCH und LimeSurvey. SPLENDID RESEARCH ist ein auf Onlinemarktforschung spezialisiertes Marktforschungsinstitut mit eigenen Online Panels in über 70 Ländern. LimeSurvey ist eine Open Source Software zur Durchführung von Onlineumfragen.

 

Diskutieren Sie mit!     

  1. Marc Nückel am 18.03.2020
    Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken von uns, um unsere KPIs bzgl. Panelist Life Time und Return of Panelist zu steigern.

    Damit scheint alles gesagt ;-)

    Nicht die Zeit und der Platz, mehr als nötig Panik zu schüren ...
  2. Sebastian Götte am 18.03.2020
    Liebe Kolleg*innen,

    vielen Dank für diesen Beitrag, ich bin mir allerdings nicht sicher, ob er zu diesem Zeitpunkt hilfreich ist. Erstens wissen wir praktisch nichts über die Länge und Tiefe der bevorstehenden Einschnitte in Wirtschaft und Gesellschaft. Jede Prognose ist praktisch morgen schon überholt, weil die Lage so dynamisch ist. Zweitens sind die Unternehmen unserer Branche sicher momentan ausreichend damit beschäftigt, die aktuelle Lage in den Griff zu bekommen. Wobei es drittens eher nicht hilfreich sein dürfte, zu viel mit Wörtern wie "massiv", "fluchtartig" und "Kriegkasse" zu hantieren. Manche Prognosen werden durch ihre Veröffentlichung viertens auch selbsterfüllend ...

    Was wir jetzt brauchen, ist Solidarität zwischen allen Branchenteilnehmer*innen und Kunden. Es sollte mit Augenmaß geschaut werden, welche Projekte wirklich aktuell nicht durchführbar sind (dazu gehört natürlich alles mit persönlichem Kontakt) und was eventuell auf andere Methoden verlagert werden kann. Wo Cash-Flow-Probleme existenzbedrohend werden könnten, sollte bilateral über Möglichkeiten der Unterstützung nachgedacht werden. Können zum Beispiel Projektgelder ausnahmsweise auch gezahlt werden, wenn die Leistung erst verspätet erbracht werden kann? Hier hoffe ich auf kreative Lösungen aller Player!

    Und zum Schluss: Lassen Sie uns Corona nicht nur als bedrohliche Krise diskutieren, sondern auch als Chance, Dinge neu zu denken und zu machen. Bleiben Sie - rundum - gesund und optimistisch!
  3. Rolf Kirchmair am 18.03.2020
    Lieber Herr Grieger,
    vielen Dank für diese ausgezeichnete und umfassende Analyse. Der Argumentation der bisherigen Kommentatoren kann ich nicht folgen – für mich ist das ein „Kopf in den Sand stecken“. Natürlich ist es lobenswert, an die Solidarität der Branchenteilnehmer zu appellieren. Eine solche Solidarität halte ich aber für unrealistisch: Kein Auftraggeber wird z.B. Projektgelder vorab ohne erbrachte Leistung bezahlen. Es ist besser, der Wirklichkeit ins Auge zu schauen. Eine „Marktbereinigung“ kommt auf uns zu. Ad-hoc-Projekte werden auf ein Minimum reduziert, worunter natürlich vor allem die qualitative Marktforschung leiden wird. Die Verlagerung auf online-unterstützte Methoden wird sich beschleunigen und der Preiskampf wird sich verstärken. Auf Unternehmensseite wird DIY-Marktforschung weiter zunehmen (ohne dass fehlendes Know-how eingekauft würde). Institute und andere Dienstleister sollten die Analyse von Herrn Grieger lieber genau lesen, um rechtzeitig auf zu erwartende Entwicklungen reagieren und am Markt innovativ agieren zu können. Denn die Corona-Krise wird in vier Wochen nicht vorüber sein. Bleiben Sie gesund!
    Rolf Kirchmair (Marktforscher mit über 30-jähriger Markterfahrung und Hochschuldozent)
  4. Herbert Höckel am 18.03.2020
    Liebe Leser,

    Die ersten zwei Sätze "Bereits jetzt steckt die Weltwirtschaft als Folge des Corona-Ausbruchs in einer Rezession. Diese Rezession wird vermutlich noch schwerwiegender als die Folgen der Finanzwirtschaftskrise 2008" unterschreibe ich blind.

    Wie die Kontext Umsatzliste 2019 uns bescheinigt, waren wir als Marktforscher letztes Jahr schon um 4% rückläufig (inflationsbereinigt). Ich vermute das liegt zu großen Teilen an der Brexit-verursachten Investitionsunsicherheit. Gegen die aktuellen Trends an den weltweiten Börsen war Brexit jedoch ein Kinderspiel.

    Interessanterweise erschein die Tage eine Studie herausgegeben von Dirk Ziems von concept m zu den fünf Phasen der Corona Krise: 1.) Inkubation - 2.) Panik - 3.) Depression - 4.) Neubesinnung und dann glücklicherweise auch wieder 5.) Normalisierung.

    Ich denke zu weiten Teilen stecken auch wir sonst so kalkulierenden Markforscher und Datenprofis gefühlt in Phase 2. Zwar rennen wir nicht los und kaufen Toilettenpapier, aber fürchten uns um die wirtschaftliche Zukunft (und das vermutlich auch zu Recht).

    Aber ich persönlich versuche zu weiten Teilen Ruhe und Besonnenheit zu bewahren und auch eine gesunde Portion Zweckoptimismus - ganz rheinländisch gesprochen sagen ich daher "et kütt wie et kütt" und "et hätt noch emmer joot jejange."

    Aktuell beschäftigen wir uns mit Feuerlöschen und Adaption - das Tagesgeschäft, die Kinderbetreuung und das Home-Office lassen sich oftmals gar nicht so einfach kombinieren. Aber auch hier sehe ich Chancen. Gerade dort wo es möglich ist müssen wir die Geschwindigkeit der Digitalisierung oder aber auch die Flexibilität von Arbeitsmodellen an die neuen Gegebenheiten anpassen.

    Wir sollten aber auch Vertrauen in unsere Regierung haben, dass sie uns in dieser absoluten Ausnahmesituation und noch dazu gänzlich unbekanntem Szenario nicht im Regen stehen lassen wird.

    Daher freue ich mich wenn wir in naher Zukunft aus Phase 3 herausschreiten und uns als Branche, als Land und als Weltwirtschaft dann der Neubesinnung und Normalisierung hingeben können.

    Passen Sie auf sich und Ihre Liebsten auf, bleiben Sie gesund und alles wird gut!

    Hochachtungsvoll,
    Herbert Höckel
  5. Björn Castan am 18.03.2020
    Lieber Gunnar,
    Ihr habt die Situation m.E. absolut richtig auf den Punkt gebracht. Was Ihr beschreibt ist kein in die Zukunft gerichtetes Panikschüren, sondern bereits Realität. Unser Mystery Shopping Bereich ist zwischen letztem Mittwoch und diesem Montag von unseren Kunden zwangsläufig auf Null reduziert worden. Onlinebefragungen laufen weiter, Telefonbefragungen BtoB zwar auch aber unter größten Schwierigkeiten noch Interviewpartner zu finden, die gerade an einem Interview teilnehmen möchten. Wer kann es ihnen nachsehen? Neue Projekte werden aber nicht mehr begonnen. Was sich stornieren lässt, wird storniert. Falls das bei Euch anders sein sollte, herzlichen Glückwunsch.
    Beste Grüße und bleibt gesund,
    Björn
  6. Olaf Hofmann am 18.03.2020
    Sehr geehrter Herr Grieger,

    natürlich kann man mit digitalen Erhebungsmethoden / digitalen Methoden die tollsten Dinge machen, keine Frage. Ich möchte Sie aber bitten, doch nicht so pauschale und in vielen Teilen sachlich falsche Aussagen zu treffen in Bezug auf Möglichkeiten und Grenzen digitaler Methoden. Sie erwecken mit Ihren Zeilen den pauschalen und falschen Eindruck, dass sich (fast) alles in die digitale Sphäre verlagern lasse. Das ist selbstverständlich nicht so. Vieles ja, aber nicht alles und erst Recht nicht uneingeschränkt. Nur ein Beispiel: Jeder, der sich damit eingehend beschäftigt hat, wird Ihre Aussage verneinen, dass sich Car Clinics durch Virtual Reality-Ansätze ersetzen lassen. Ja, auch wir haben VR mit unseren Kunden extensiv ausprobiert. Ja, diese Ansätze haben Ihre Berechtigung. ERSETZEN kann man Car Clinics aber nicht.
    Ich unterstütze im Übrigen den Ansatz, kreativ zu sein und zu prüfen, was man in Zeiten von COVID-19 digital durchführen kann, dabei sollte man aber ehrlich bleiben und Kunden realistisch beraten. Um beim Beispiel zu bleiben: Bevor man gar kein Feedback bekommt, kann ein VR-Ansatz sinnvoll sein. Dann sollte man aber auch Kunden ehrlich beraten und mitteilen, welche Einschränkungen sich ergeben im Vergleich zu Car Clinics.
    Ich möchte mit diesem Kommentar zur Versachlichung dieser Methodendiskussion beitragen. Sachlich und realistisch zu bleiben, tut uns allen gut - gerade jetzt.

    Mit kollegialen Grüßen

    Olaf Hofmann
    SKOPOS Group
  7. Jan Strasser am 18.03.2020
    Die Krise der traditionellen Marktforschung hat ja bereits vor einigen Jahren begonnen. Den meisten in unserer Branche ist klar, dass wir Marktforschung neu denken müssen – und zwar in allen Aspekten. Die aktuelle Corona-Wirtschaftskrise hat das Problem nicht verursacht, sondern verschärft. (Stichworte: DIY, Shift zu Consulting und Datenanalysen, Digitalisierung)

    Nach Ende der Krise werden wir nicht zum Gewohnten zurückkehren können. Wir sollten unsere Kräfte also auf die Transformation der Marktforschung richten, nicht auf Prozessoptimierung, Effizienzsteigerung und "Return-on-Panelists".

    Technologie ist kein Allheilmittel. Gefragt ist zunehmend auch der menschliche Geist: Kreativität, Analyse, strategisches Denken, Empathie. Vielleicht auch Erfahrung? Immer öfter kommen Antworten von Beratungsfirmen, nicht von Marktforschern. Muss nicht sein – oder?

    Neue Marktforschung könnte im Übrigen auch die Beziehung zwischen Forscher und Befragten neu definieren. Was wäre, wenn wir die Panelisten nicht mehr als schlecht bezahlte Clickworker betrachten, die wir nach Belieben herumkommandieren können? Was wäre die Alternative? Und was die Konsequenzen?

    Shelf Tests, Shopper Experience, Car Clinics, Werbepretests usw. wurzeln in der Marktforschung des letzten Jahrhunderts. Vielleicht bewirkt die aktuelle Erschütterung unserer Wirtschaft unter anderem auch eine Abkehr von solchen Lösungen – hin zu völlig neu gedachten Ansätzen, die wir heute noch gar nicht kennen. (Wenn man nach einem Stillstand neu beginnt, denkt man oft Dinge neu.)

    Wichtig ist jetzt die Frage, welchen Mehrwert Marktforscher den Unternehmen in Zukunft bringen können. Die Antwort ist möglicherweise weniger naheliegend, als wir heute meinen.
  8. Olaf Hofmann am 19.03.2020
    Sehr geehrter Herr Grieger,

    natürlich kann man mit digitalen Erhebungsmethoden / digitalen Methoden die tollsten Dinge machen, keine Frage. Ich möchte Sie aber bitten, doch nicht so pauschale und in vielen Teilen sachlich falsche Aussagen zu treffen in Bezug auf Möglichkeiten und Grenzen digitaler Methoden. Sie erwecken mit Ihren Zeilen den pauschalen und falschen Eindruck, dass sich (fast) alles in die digitale Sphäre verlagern lasse. Das ist selbstverständlich nicht so. Vieles ja, aber nicht alles und erst Recht nicht uneingeschränkt. Nur ein Beispiel: Jeder, der sich damit eingehend beschäftigt hat, wird Ihre Aussage verneinen, dass sich Car Clinics durch Virtual Reality-Ansätze ersetzen lassen. Ja, auch wir haben VR mit unseren Kunden extensiv ausprobiert. Ja, diese Ansätze haben Ihre Berechtigung. ERSETZEN kann man Car Clinics aber nicht.
    Ich unterstütze im Übrigen den Ansatz, kreativ zu sein und zu prüfen, was man in Zeiten von COVID-19 digital durchführen kann, dabei sollte man aber ehrlich bleiben und Kunden realistisch beraten. Um beim Beispiel zu bleiben: Bevor man gar kein Feedback bekommt, kann ein VR-Ansatz sinnvoll sein. Dann sollte man aber auch Kunden ehrlich beraten und mitteilen, welche Einschränkungen sich ergeben im Vergleich zu Car Clinics.
    Ich möchte mit diesem Kommentar zur Versachlichung dieser Methodendiskussion beitragen. Sachlich und realistisch zu bleiben, tut uns allen gut - gerade jetzt.

    Mit kollegialen Grüßen

    Olaf Hofmann
    SKOPOS Group
  9. Michael Schütz am 20.03.2020
    "Wir gehen davon aus, dass die Folge ein Wechsel auf eine Onlinedurchführung ist, der weitgehend anhält, weil Auftraggeber feststellen, dass so gewonnene Ergebnisse nicht besser und nicht schlechter sind und häufig mit geringeren Kosten einhergehen."

    Ich möchte nur anmerken, dass es mindestens genausoviel Evidenz gibt für die Prognose, dass die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung ausschlägt: Nach langem social distancing und notfallmäßig eingesesetzten Onlineverfahren wächst der Hunger nach echtem menschlichen Kontakt, auch in der Forschung, nach face-to-face, nach 'social closeness', und dass womöglich die Frage nach Erkenntniswert und Relevanz der eingesetzten Verfahren neu verhandelt wird, also der Frage, was in welchem Fall "besser und schlechter" ist. Vielleicht wird sogar die Relevanz der "Kosten" neu verhandelt, wie es gerade ja auch passiert.

    Bleibt gesund!
    Michael Schütz, INNCH
  10. Thomas Eigner am 21.03.2020
    Ich möchte an dieser Stelle nicht zynisch wirken und ich verstehe die Entwicklung möglicherweise auch nicht richtig, aber die aktuelle Dynamik extrapoliert - und bisher konnte nichts und niemand diesen Virus stoppen - ist die sog. "Durchseuchung" der Bevölkerung im Sommer diesen Jahres bereits abgeschlossen (natürlich mit schlimmen Opfern, aber das hat die Politik zu verantworten).

    Ich denke auch, dass es dann umso mehr verstehender und sozial interaktiver, proximaler Methoden bedarf, um wieder in Kontakt mit den nun zurückgezogenen, "eingefrorenen" Menschen zu kommen und nachvollziehen zu können, wie sie sich in ihr neues Leben und der neuen Welt fügen. Mit standardisierten Online-Fragebögen und DIY wird man hier nicht weiterkommen.

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