Natacha Dagneaud, Séissmo Der distanzierte Shopper in Frankreich und Deutschland

Vorsätzliches Handeln
Der Einkauf läuft in Corona-Zeiten anders ab und wird anders erlebt als vor der Krise. Das beginnt mit der detaillierten Planung des Einkaufs. Bereits zu Hause wird überlegt, wann wohl die beste Zeit zum Einkaufen ist, in der möglichst wenig andere Kunden unterwegs sind und welche Läden angesteuert werden. Verbraucher entscheiden sich im Zweifel bevorzugt für den Supermarkt mit solchen baulichen Gegebenheiten, die ihnen mehr gefühlte Sicherheit bieten. Wo kann man am besten parken? Wo sind die Gänge breit und die Regale nicht so hoch? Bekommt man möglichst alle benötigten Waren von der Einkaufsliste an einem Ort? Es wird nichts dem Zufall überlassen.
Spontane Shopping-Trips und ausgiebiges Bummeln durch die verschiedenen Abteilungen gehören der Vergangenheit an. Im direkten Vergleich mit LEH-Einkäufen vor Corona sieht man, wie wenig die Shopper in Bummel-Laune sind und - viel verräterischer noch - dass sie kaum in der Lage sind, konkrete Details zur wahrgenommenen Angebotsauswahl zu liefern. Welche Waren gab es da, wurde zwischen Produkt A und Produkt B überlegt, fielen Produkt-Neuheiten auf, roch es lecker nach frischem Brot... diese sonst vielfach berichteten kognitiven Prozesse und sensorischen Eindrücke sind Mangelware (Abb.1).

Störende Ablenkung durch andere Shopper
Der Aufenthalt im Supermarkt ist dann von einem steten Gefühl der Angst und Unsicherheit geprägt. Das Haupt-Augenmerk gilt den anderen Kunden, nicht dem Angebot an Waren. Die Aufgabe, sich den Weg vorbei an den anderen Menschen im Laden zu bahnen und dabei den Abstand einzuhalten, erfordert die gesamte Konzentration der Verbraucher und verursacht das konstante Gefühl, zu wenig Platz zu haben und bedrängt zu werden (Abb. 2).

Dieses bedrückende Gefühl wird durch die immer strengeren Corona-Maßnahmen noch verstärkt. Kassiererinnen hinter Plexiglas, andere Shopper mit Handschuhen und Schutzmasken oder Durchsagen, die die Sicherheitsmaßnahmen wiederholen, schaffen eine beängstigende Atmosphäre.
Zudem besteht eine große Unsicherheit darüber, welche neuen Verhaltensregeln beim Einkaufen gelten und ob das eigene Verhalten diesen neuen Regeln entspricht. Vor allem der Kassiervorgang verunsichert Verbraucher, da die Abläufe an der Kasse sich mit den Corona-Maßnahmen fundamental verändert haben. Und auch der Umgang mit den (vor allem unverpackten) Waren wirft Fragen auf und stellt einen Stress-Faktor dar. Konsumenten wünschen sich hier mehr Anleitung und Information seitens der Einzelhändler, oft fehlen kompetente Ansprechpartner vor Ort.
Das können Retailer und Hersteller tun
Retailer und Hersteller können einiges tun, um Verbrauchern mehr gefühlte Sicherheit zu geben und den Einkauf zu einem weniger stressigen Erlebnis zu machen.
Retailer sollten sich auf ihre Stärken konzentrieren. Märkte mit den entsprechenden baulichen Gegebenheiten können ihre Vorteile ausspielen und großzügige Flächen schaffen, in denen sich die Verbraucher unbedrängt und sicher bewegen können, indem sie z.B. breite Gänge nicht künstlich mit Displays verschmälern.
Darüber hinaus können Einzelhändler auch mit einer professionellen Organisation punkten, die den Kunden vermittelt, dass man ihre Ängste ernst nimmt und gut gegen das Virus gewappnet ist. Die Implementierung einfacher, verbindlicher und einheitlicher Verhaltensregeln schafft Sicherheit. Freundliche, gut geschulte Mitarbeiter stehen als Ansprechpartner zur Verfügung, kreieren eine persönliche Atmosphäre und unterstützen somit die Vertrauensbildung.
Hersteller sollten bei der Gestaltung ihrer Verpackungen die neue "alte" Rolle der Verpackung berücksichtigen, nämlich den Schutz des Produkts im Innern. Die Verbraucher sind unsicher, inwiefern das Corona-Virus auf Oberflächen haftet. Das führt dazu, dass bevorzugt verpackte Produkte gekauft werden, die sich zu Hause abwaschen oder auch umfüllen lassen. Die Verpackungsclaims der Zukunft können diese Bedenken berücksichtigen und ggf. aktiv ansprechen.
Außerdem muss die Verpackung die Identifizierung unterschiedlicher SKUs auf den ersten Blick ermöglichen. Verbrauchern fällt es deutlich schwerer, sich auf die angebotenen Waren zu konzentrieren, da ihre Aufmerksamkeit durch andere Shopper und den Versuch, die Corona-Regeln einzuhalten, stark abgelenkt ist. Sie haben weder die Fähigkeit, noch die Lust, sich lange am Regal mit den Produkten zu beschäftigen. Wird ein Produkt nicht sofort erkannt, wird es nicht gekauft.
sh
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