Dirk Wieseke, Kernwert „Der Digitalisierungsschub durch Corona hat die Hürden für qualitative digitale Forschung gesenkt“

Die passende Erhebungsmethode für eine Forschungsfrage zu finden, ist ein Thema, das die Marktforschungsbranche stets und ständig umtreibt. Was denken Sie, warum die Methodendiskussion nicht an Aktualität verliert?
Dirk Wieseke: Für das Finden der passenden Methode gibt es leider selten ein Standardrezept, das immer funktioniert. Jede Forschungsfrage ist ein bisschen anders. Sicherlich existieren bestimmte Erfahrungswerte, aber in der Praxis beeinflussen auch Zeit, Budget, Ressourcen und Zielgruppe die Wahl der Methode – insofern muss die Methode pro Studie überdacht werden. Zudem ändern sich Forschungsfragen, Themen, Zielgruppen im Laufe der Zeit, es entstehen neue Methoden oder bewährte Methoden werden angepasst und variiert - die Marktforschungsbranche steht nicht still, sondern wandelt sich stets.
Wie kann es bei digitaler Forschung gelingen, auch die Emotionen der Befragten zu erfassen? Schließlich sitzt diesen keine interviewende Person mehr direkt gegenüber.
Dirk Wieseke: Sicher gibt es im Vergleich zu Vor-Ort-Gesprächen bestimmte Einschränkungen, jedoch können erfahrene Moderierende auch im digitalen Austausch eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, in der sich Befragte öffnen. Wenn wir digitale qualitative Forschung weiter fassen, über Interviews und Fokusgruppen hinaus, wird deutlich, dass Emotionen auch in digitalen Umgebungen gut gezeigt und erfasst werden können: Teilnehmende können sich in Tagebüchern, Hausaufgaben oder Communities sehr vielfältig äußern, z. B. Antworten mit Fotos, Sprachnachrichten, Videos oder Collagen anreichern. So entstehen lebendige, alltagsnahe Ergebnisse, die die Gefühlswelt der Probanden deutlich werden lassen.
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Welchen größten Vorteil sehen Sie in der digitalen Forschung gegenüber der nicht-digitalen?
Dirk Wieseke: Beide Ansätze habe ihre Stärken und Schwächen und können sich bei bestimmten Fragestellungen auch wunderbar ergänzen.
Eine Stärke der digitalen Forschung liegt seit jeher in der Unabhängigkeit von Zeit und Raum, spitze Zielgruppen können besser erreicht werden und Teilnehmende können flexibel antworten, auch von unterwegs.
Das höhere Tempo ist ebenfalls eine Stärke, Studien können digital meist schneller umgesetzt und auch ausgewertet werden, z. B. weil die Transkription wegfällt und die Software bei der Auswertung unterstützen kann.
Am Durchbruch der qualitativen Online-Forschung hatte die Corona-Pandemie entscheidenden Anteil. Wie ist das jetzt nach Corona? Hat sich die Nachfrage nach Quali-Online gehalten? Welchen Herausforderungen begegnen Sie nach wie vor in der digitalen qualitativen Forschung?
Dirk Wieseke: Das stimmt, die Pandemie hat gezeigt, dass qualitative Forschung auch digital funktioniert. Vor allem ist dadurch allgemein eine größere Offenheit gegenüber neuen Ansätzen entstanden, die über die klassischen qualitativen Methoden wie Gruppendiskussionen und Interviews hinausgehen, z. B. Research Communities oder iterative Verfahren. Der Digitalisierungsschub durch Corona hat die Hürden für qualitative digitale Forschung gesenkt und ich habe den Eindruck, dass durch diese positiven Erfahrungen der Stellenwert der qualitativen Forschung insgesamt gestiegen ist. Eine Herausforderung ist aber nach wie vor der Aufwand, qualitative Studien zu moderieren und auszuwerten: Qualitative Forschung liefert zwar mehr Tiefe in den Antworten, es ist aber in der Regel aufwendiger und anspruchsvoller diese Studien zu moderieren und anschließend die Textbeiträge, Videos und Bilder auszuwerten. Die Technik macht allerdings enorme Fortschritte, so dass diese Hürden in Zukunft geringer werden.
Technik ist ein gutes Stichwort, Kernwert nutzt mittlerweile auch KI. Wie genau kann man sich das vorstellen? Wo hilft die KI?
Dirk Wieseke: Als Vorreiter im Bereich digitaler qualitativer Forschung beschäftigen wir uns schon lange mit den Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Wir setzen sie bereits seit längerem für die automatische Transkription von Video- und Audiodaten ein, z. B. von Interviews oder Audiokommentaren, für die Übersetzung oder für die Sentimentanalyse von Diskussionsbeiträgen.
Bisher waren die Ergebnisse von NLP (Natural Language Processing) bei relativ kleinen Datenmengen qualitativer Studien und ohne individuelles Training der KI nicht so gut, dass man sie für die Zusammenfassung oder Auswertung von Beiträgen nutzen konnte. Das ändert sich gerade und wir werden diese Möglichkeiten der neuen KI-Generationen unseren Kunden sehr bald zugänglich machen. Das wird ihre Arbeit deutlich erleichtern.
Wer darf Ihr Web-Seminar auf keinen Fall verpassen?
Dirk Wieseke: Wer sich für qualitative Forschung interessiert und Anregungen für seine Forschung sucht, ist herzlich eingeladen. Aber auch Forschende, die bisher noch wenig Erfahrungen in diesem Bereich haben, erhalten einen guten Überblick und finden so vielleicht einen Einstieg in dieses spannende Forschungsfeld.
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Über die Person
Dirk Wieseke ist Mitgründer und Geschäftsführer von KERNWERT und entwickelt mit seinem Team seit über 15 Jahren Software und Services für digitale Forschung mit qualitativem Schwerpunkt. Er berät Institute, Agenturen und Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von digitalen Forschungsansätzen.
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