Die Frage zum Sonntag! Der Corona-Effekt, Trump und die Kandidatenkür der Union

Wir leben in ruhigen Zeiten. Das zu behaupten wäre ein steile These, ein Blick auf den pollytix-Wahltrend (das gewichtete Mittel der veröffentlichten Sonntagsfragen zur Bundestagswahl der verschiedenen Institute) legt aber genau das nahe, denn im Oktober hat sich bei der Sonntagsfrage kaum etwas getan. Woran liegt das? Erstens sind die Zufriedenheitswerte mit der Bundesregierung auffallend hoch und zweitens ist auch das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik in der Krise sehr ausgeprägt. Krisenzeiten sind Kanzlerinnenzeiten schrieb Rainer Faus schon im April. Die Union schwebt förmlich weiter über allen anderen Parteien, die Kanzlerin hat ihr ganzes politisches Gewicht in die Bekämpfung der "größten Krise der Nachkriegszeit" gelegt. Das als insgesamt sehr positiv wahrgenommene Krisenmanagement geht nach wie vor mit der Kanzlerin 'nach Hause'. Um den weiteren Verlauf absehen zu können, sollten drei Entwicklungen im Auge behalten werden.

Der 2. Lockdown
Die Coronakrise hat der CDU/CSU zu einem noch im Februar kaum vorstellbaren Höhenflug verholfen, der parteiinterne Streit wurde überdeckt, das Krisenmanagement stand im Fokus. Während der Koalitionspartner SPD kaum profitieren konnte, legte die CDU/CSU seit Mitte März bis zu 13 Prozentpunkte zu. Die Lage beim am 2. November gestarteten zweiten Lockdown ist aber eine andere: Die Coronapandemie ist inzwischen bei Wähler*innen eingepreist, tektonische Verschiebungen wie beim ersten Lockdown im März sind also nicht zu erwarten. Dazu kommt: Während beim ersten Lockdown im März die meisten Wähler*innen und fast alle Parteien hinter der Regierung standen, gibt es diesmal differenzierte Kritik an Maßnahmen sowie am 'Regieren am Parlament vorbei'. Und während bei den Maßnahmen im März zunächst große Unsicherheit herrschte und kein Ende der Maßnahmen in Sicht war, gilt diesmal eine vorläufige Frist bis Ende November. Die Entwicklung der Zahl der Corona-Fälle im Landkreis Berchtesgadener Land, wo schon seit dem 19. Oktober ein lokaler Lockdown gilt, legen allerdings nicht nahe, dass der Lockdown einen sehr schnellen Effekt auf das Infektionsgeschehen haben wird. Was das für die Wahlabsicht für die Parteien in der Bundesregierung bedeutet, ist noch unklar, je länger der Lockdown aber dauert, desto schärfer wird die Kritik aus Teilen der Opposition werden. Entscheidend ist dann, wie die Wahlbevölkerung das Krisenmanagement bewertet.

Die Wahl in den USA
Die Erwartung in Deutschland in Bezug auf die US-wahl war klar: Wähler*innen in den USA würden Präsident Donald Trump keine zweite Amtszeit bescheren, sondern stattdessen Joe Biden zum Präsidenten wählen. Dass es jetzt mutmaßlich zu einer längeren juristischen Hängepartie und einem Machtvakuum kommt, wird die Welt nicht zu einem sichereren Ort machen. In Zeiten der Unsicherheit wagen Wähler*innen ungern Experimente. Solange Angela Merkel noch Kanzlerin ist und noch nicht überall angekommen ist, dass durch ihren Weggang auch in der Union ein Machtvakuum entstehen wird, wird das vorerst vor allem den Unionsparteien helfen.
Die Verschiebung des CDU-Parteitags
Dabei ist dieses Machtvakuum schon heute sichtbar: Wegen der Coronapandemie und den damit verbundenen Beschränkungen bei Versammlungen hat die CDU ihren für Dezember geplanten Parteitag zur Wahl des neuen Parteivorsitzenden in den Januar verschoben. Der Streit darum, wem das nützt, angeheizt vom Kandidaten Friedrich Merz, lieferte einen Vorgeschmack darauf, dass der Union nach der Wahl zum Parteivorsitz und der Kür des Kanzlerkandidaten eher unruhige Zeiten bevorstehen. Anzunehmen ist, dass die Fußstapfen der Kanzlerin für alle ihre potenziellen Nachfolger zu groß sind und diese nicht so viele Wähler*innen wie die Kanzlerin an die Union binden werden. Wie schon in der Oktober-Kolumne angedeutet, könnten diese Wochen ein "Gamechanger" werden.
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sh
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