Anika Spliethoff, Forsta und Silvana Buljan, Buljan & Partners "Die Deutschen lieben ihr Auto und vertrauen den Automarken stark"

Was „bewegt“ den Kunden heute? „Behind the Scenes“ einer multinationalen Mobilitätsstudie - so lautet der Titel Ihres WdM Web-Seminars. Worauf lag der Fokus in der Studie? Hinter welche Kulissen nehmen Sie die Teilnehmenden mit?
Anika Spliethoff: BEST-XPERIENCE hat das Ziel, dem derzeitigen Informationsmangel über sich verändernde Kundenprioritäten und -gewohnheiten entgegenzuwirken und zu zeigen, was Kunden in verschiedenen europäischen Ländern bezüglich Mobilität bewegt, wenn sie mit Marken und Dienstleistungen im Bereich der urbanen Mobilität in Kontakt kommen. Im Web-Seminar stellen wir sowohl die Ergebnisse als auch die Methodik der Studie dar.
Was hat sich im Bereich Mobilität während der letzten Jahre getan? Welche veränderten Erwartungen haben Menschen an Ihre Fortbewegungsmittel?
Silvana Buljan: Urbane Mobilität ist heute volatiler denn je.
Wir befinden uns in einer Übergangsphase, in der viele alternative Mobilitätslösungen entstehen, während das traditionelle Angebot weiterhin für einen großen Teil der Bevölkerung präsent ist.
Insgesamt zeigt sich, dass junge Menschen hier eher Wert auf Praktikabilität und ältere Menschen vermehrt Wert auf Service und Betreuung legen. Trotz der hohen Affinität zum eigenen Auto, rücken alternative Mobilitätsangebote stärker in den Fokus: So stellen öffentliche Verkehrsmittel weiterhin die am meisten genutzten alternativen Mobilitätsdienstleistung dar – allerdings mit sehr unterschiedlichem CX-Niveau zwischen den Ländern.
Gibt es genügend attraktive Mobilitätsalternativen, so gibt jeder siebte Kunden an, wahrscheinlich kein privates Fahrzeug mehr zu kaufen. Aber was genau macht ein alternatives Mobilitätsangebot für die Kunden attraktiv? Schauen wir uns dies beispielhaft für Deutschland an:
Kunden schätzen die Einfachheit des Vertragsabschlusses bei der Nutzung der verschiedenen Dienste, sodass ein einfaches und transparentes Buchungssystem sowie die räumliche Nähe für Kunden unerlässlich sind – und hier liegt auch das größtes Verbesserungspotenzial. Insbesondere ältere Nutzer haben in Deutschland Schwierigkeiten, einen Mobilitätsdienst zu finden, der ihren Bedürfnissen entspricht, da die Mobilitätsoptionen in ihren Städten nicht klar genug sind.
Da Taxis und öffentliche Verkehrsmittel eher negativ bewertet werden, weil sie nicht die Bedürfnisse nach Nähe und Verfügbarkeit erfüllen und Deutschland immer noch sehr fahrzeugorientiert ist, wird hier die klassische Mitfahrzentrale als attraktive Alternative zum ÖPNV angesehen und am häufigsten weiterempfohlen.
Mit Ihrer Studie treffen Sie den Zahn der Zeit: Das Auto wird aufgrund der enorm gewachsenen Spritpreise zurzeit oftmals stehen gelassen. Was meinen Sie, ist es nur ein vorübergehender Trend oder könnte es der Anfang eines grundlegenden Wandels sein?
Anika Spliethoff: Der Blick in die Zukunft wird – insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten weltpolitischen Ereignisse – immer schwieriger. Umso wertvoller ist es, die aktuelle Akzeptanz bestimmter Modelle unter Kunden zu kennen.
Da Automobilmarken bezüglich Mobilitätsdienstleistungen ein hohes Vertrauen in allen untersuchten Märkten genießen - in Deutschland doppelt so hohes Vertrauen in Automarken im Vergleich zum ÖPNV - werden Sharing-Dienste den Autobesitz kurzfristig nicht vollständig ersetzen.
Aber immerhin gibt jeder siebte Kunden an, dass aufgrund passender Mobilitätsalternativen in der Stadt wahrscheinlich kein privates Fahrzeug mehr gekauft wird.
Der Ausbau von entsprechend attraktiven Angeboten gewinnt damit immer weiter an Bedeutung. Die Studie zeigt jedoch auch, dass in Italien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zunächst die Grundlagen für Mobilitätsalternativen geschaffen werden müssen, gefolgt von Zuverlässigkeit und Nähe, denn der ÖPNV hat in fast allen Ländern sehr niedrige NPS-Bewertungen. Neue und bessere Erfahrungen sind erforderlich, um langfristig einen Wandel herbeizuführen. Hinsichtlich des Bike-Sharing scheint dies schon gut geklappt zu haben: diese Mobilitätsalternative erzielt die höchsten „Wiederkaufsraten“.
Was fällt in puncto Mobilität in Deutschland im Ländervergleich auf?
Silvana Buljan: Die Deutschen lieben ihr Auto und vertrauen den Automarken stark. Selbst nach einer schlechten Erfahrung bleiben sie ihrer Marke noch treu.
Sie erwarten jedoch, dass ihre Grundbedürfnisse ausreichend gedeckt werden. Während in Frankreich eher der Service und in UK ein exzellentes digitales Erlebnis und Innovation im Vordergrund stehen sollte, ist die Empfehlung an den deutschen Automobilmarkt „Back to basics“: Erfüllung der Bedürfnisse traditioneller Kunden mit Schwerpunkt Einfachheit und Produktexzellenz.
Insgesamt zeigt sich, dass Spanien das einzige Land ist, in dem der NPS für alternative Mobilität positiv ausfällt.
Customer Experience ist im Service Land Spanien schon viel länger etabliert als in den anderen Ländern. Das spiegelt sich auch in der Mobilität wider. Fachkräftemangel und historischer Fokus auf Produktexzellenz helfen bei der emotionalen Bindung des Kunden in Deutschland oft nicht.
Inwiefern spielt Nachhaltigkeit tatsächlich eine Rolle in den Köpfen der Menschen bei dem Thema Mobilität?
Anika Spliethoff: In Zusammenhang mit den ökologischen Herausforderungen und als Folge ökologischer Vorschriften und Einschränkungen für Stadtzentren in ganz Europa, sind Elektro- oder Hybridfahrzeuge für ca. jeden dritten Kunden beim nächsten Kauf eines Neuwagenkauf eine Option. Wobei es erhebliche Unterschiede zwischen den Märkten gibt: Fast jeder zweite Automobilkunde aus Italien kann sich gut vorstellen, ein Elektro- oder Hybridfahrzeug zu kaufen, während dies in Deutschland noch nicht einmal jeder vierte Kunde für sich in Betracht zieht. Bevor das Netz an Mobilitätsalternativen entsprechend verfügbar ist, ist somit auch ein Umdenken in Richtung Elektro- oder Hybridfahrzeug angesagt.
Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Forsta und Buljan&Partners/Motorpress für die Studie?
Anika Spliethoff: Die Studie wurde von Buljan&Partners und Motorpress Ibérica durchgeführt. Buljan&Partners ist eine internationale Beratung mit 20 Jahren Erfahrung im Bereich Customer Centric Management und Customer Experience, unter anderem in der Automobil- und Transportindustrie. Motorpress Ibérica spezialisiert sich auf die Multikanal-Kommunikation und Contenterstellung für die Themen Auto, Motorrad, Sport und Lifestyle. Buljan&Partners und Forsta verbindet eine langjährige Geschäftsbeziehung. Als Forsta von der Studie erfahren hat, haben wir diese sofort gerne unterstützt, da wir von dem Stellenwert des Themas „Mobilität“ überzeugt sind. Durch die verschiedenen untersuchten Märkte ist es wichtig, die Ergebnisse allen Interessierten möglichst barrierefrei zur zugänglich zu machen. Hierfür stellt Forsta seine Expertise gerne zur Verfügung.
Für wen sind Ihre Studienergebnisse besonders interessant?
Silvana Buljan: Die Studienergebnisse sind für alle Unternehmen und Organisationen interessant, die sich im Bereich urbane Mobilität positionieren möchten. Dies kann auf der einen Seite der klassische Automobilhersteller und das Händlernetzwerk sein, auf der anderen Seite die Werbeagentur, die sich auf die Positionierung der einzelnen Marken in den verschiedenen Märkten konzentriert, genauso wie der Städteplaner oder Unternehmen aus dem Bereich der alternativen Mobilität, bis hin zu Energieversorgern oder Versicherungen. Die Studie ist breit aufgestellt und enthält viele detaillierte Implikationen, sodass auf Alle interessante Insights warten.


Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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