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Lutz Klaus, Marketing ROI Experts "Daten sind nur dann ein Wettbewerbsvorteil, wenn ich sie nicht teile."

Wie sieht das Marketing der Zukunft aus? (Bild: picture alliance / Everett Collection | ©20thCentFox/Courtesy Everett Collection)
Im "Untertitel" zu Ihrem Buch sprechen Sie vom "Marketing der Zukunft". Das impliziert ja, dass es ein Marketing der Gegenwart gibt. Wie würden Sie das gegenwärtige Marketing charakterisieren?
Lutz Klaus: Das gegenwärtige Marketing ist in großen Teilen daten-informiert, aber nicht daten-getrieben. In der Praxis werden insbesondere im B2B-Umfeld viele Entscheidungen auf Basis vergangener Erfahrungen und Ansätze getroffen. Erfasst und genutzt werden werden historische Daten. Das ist wie Autofahren nur mit Blick in den Rückspiegel. Daten-getrieben heißt konsequent Erkenntnisse aus Datenanalysen zu nutzen und die menschliche Rolle in Entscheidungsprozessen zurückzufahren. Es heißt Silos aufzubrechen und …
Und warum muss das Marketing jetzt neu positioniert werden?
Lutz Klaus: Wenn ich von Marketing und Vertrieb rede, impliziert das immer noch eine Organisation nach Abteilungen, die Silodenke fördern. Die Zukunft gehört integrierten Go-to-Market Teams, die Kundenthemen in den Mittelpunkt stellen. Nicht erst seit Corona ist das Thema E-Commerce auch im B2B von kritischer Bedeutung. Unternehmen stelle ich unter anderem eine Frage: Wenn Ihre Kunden Ihre Produkte online bestellen wollen, denken Sie dann an Ihre Marke?
Welche Unternehmen sind in ihren Augen in Sachen Zukunft aktuell Spitzenreiter? Und haben Sie da konkrete Beispiele von Marketing-Maßnahmen, die Sie von dieser Annahme überzeugt haben?
Lutz Klaus: Plattformen wie Amazon oder AliBaba bieten immer eine gute Messlatte was die Kundenorientierung angeht. Hier geht es nicht um Technologie, sondern um die konsequente Ausrichtung an Kundenwünschen. Vielfalt des Angebotes, attraktive Preise, Verfügbarkeit und guter Service trumpfen hier. Oftmals geht es bei Unternehmen im Marketing vorrangig um Outbound-Maßnahmen so nach dem Motto "Wir müssen was tun, um Kunden zu finden". Heute geht es aber darum, den richtigen Mix zu finden aus Inbound und Outbound. Eine zentrale Frage lautet: "Werden wir gefunden und was tun wir mit den Kontakten, die unsere Website besuchen?".
Im eigentlich Titel ist zudem die Rede vom Erfolgsfaktor Mensch. Das klingt für manche vielleicht ein wenig nach dubiosem Instagram-Life-Marketing-Mensch, der in 10 Schritten das eigene Leben umkrempeln will. Wie überzeugen Sie die davon, dass das bei Ihnen gerade nicht so ist?
Lutz Klaus: Ich habe in meiner mittlerweile mehr als 33-jährigen Laufbahn viele technologie-zentrierte Projekte scheitern sehen. Im für Transformationsprozesse wichtigen Dreiklang Mensch-Technologie-Organisation gewichte ich den Menschen über, da er erfolgsentscheidend ist. Du kannst die beste Technologie und Prozesse haben, aber wenn die Menschen dahinter nicht mitziehen, wird es schwierig. Diese Einschätzung wird von vielen meiner Kunden und Partner geteilt. In meinem Buch beschreibe ich sieben Faktoren, mit denen die Adoption des neuen datengetrieben Denkens und Handelns gefördert wird.
Bei Data-Driven Marketing denke ich sofort an Big Data. Klären Sie mich auf, ist das im Kontext Ihres Buches auch so zu verstehen?
Lutz Klaus: Der Eindruck drängt sich auf, greift aber zu kurz. Es geht darum, inwieweit mir Daten helfen können, meine geschäftlichen Ergebnisse zu verbessern. Data-Driven Marketing ist kein Selbstzweck, sondern muss letztendlich dafür sorgen, dass die Umsätze steigern, Kosten reduziert werden oder sich die Produktivität verbessert. Im Buch geht es daum, wie ich eine Datenkultur schaffe, um genau das zu erreichen.
Im Marktforschungskontext wird Data-Driven oftmals nicht gerne gehört, es steht für Sekundärdaten und wird oftmals als Konkurrent zur klassischen Marktforschung gesehen. Können Sie da die Marktforscher etwas beruhigen?
Lutz Klaus: Ich kann sie nicht nur beruhigen, sondern möchte sie sogar bestärken. Der wahre Wert liegt in Primärdaten. Daten sind nur dann ein Wettbewerbsvorteil, wenn ich sie nicht teile. Ich empfehle jedem meiner Kunden, eine Primärdatenstrategie umzusetzen. Um mal ein praktisches Beispiel aus dem Social Media Umfeld zu nennen: Viele Unternehmen nutzen LinkedIn, XING und Co. Zur Zielgruppenansprache. Das macht definitiv Sinn, jedoch sollten Interessenten möglichst schnell in die eigene Umgebung geholt werden. Gehen Sie mal mit Ihrem Handy offline, klicken Sie dann auf das LinkedIn-Icon und schauen Sie bewusst auf die angezeigte Nachricht. Social Media ist ein wichtiger Zubringerkanal, kann jedoch eigene Investitionen nicht ersetzen.
Wie würden Sie aus ihrer Sicht - mit drei Schlüsselbegriffen - das Marketing der Zukunft beschreiben?
Lutz Klaus: Analytisch, experimentierfreundlich, datengetrieben.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten das Wissen, das Sie in dem Buch vermitteln, Ihrem Ich vor 5 Jahren schon zur Verfügung stellen - allerdings nur in einem Tweet von 3 Sätzen. Wie würde der Tweet aussehen?
Lutz Klaus: Erkenne neben der Notwendigkeit die Dringlichkeit zu handeln. Konzentriere Dich auf den Erfolgsfaktor Mensch. Kümmere Dich um relevante Themen wie Analytik, Integration, Neugier, unternehmerisches Denken und Storytelling.
An wen richtet sich das Buch? Wer wird dem eher zustimmen und wem werden manche Passagen vielleicht auch sauer aufstossen?
Lutz Klaus: An Marketingprofis, Verantwortliche für Digitalisierung, Personalleiter sowie an alle, die datengetriebene, analytische Ansätze als Erfolgsvoraussetzung sehen und die Zukunft in der digitalen Arbeitswelt verantwortlich gestalten wollen.
Mein Ziel ist es, alle mitzunehmen und bisher habe ich noch kein negatives Feedback bekommen. Eine konstruktive Kritik war die Schaffung einer Methode zur Messung von Fortschritt und Erfolg auf dem Weg zum datengetriebenen Unternehmen. Hier gibt es mittlerweile einen Ansatz, der von interessierten Unternehmen angewandt werden kann.
Bemerkenswert finde ich, dass Sie der Thematik Ethik und Daten ein eigenes Kapitel widmen. Welche drei Hauptherausforderungen sehen Sie da für die Zukunft und welche Ansätze haben Sie, um diese zu lösen?
Lutz Klaus:
- Das Bewusstsein bei allen Beteiligten zu schaffen, dass Daten Menschen Gutes tun können Ihnen, aber auch schaden können. Das betrifft insbesondere Kinder und Jugendliche. Wir wissen heute nicht, welche Daten uns morgen benachteiligen können und deswegen gilt es sehr bewusst Daten zu teilen. Auch wenn ich nichts zu verbergen habe, möchte ich nicht, dass jeder meine Daten sieht.
- Die notwendigen ethischen Rahmenbedingen zu schaffen, um Mißbrauch zu vermeiden und Verstößen gnadenlos zu bestrafen. Das gilt für den Staat genauso wie für Unternehmen.
- Bei aller Regulierung andere Meinungen zu akzeptieren und Cancel Culture, autokratische Ansätze und Polarisierung in Gut-Schlecht von Anfang an zu bekämpfen.
Eines Ihrer Steckenpferde ist ja Return on Investment. Ist das auch ein zentraler Faktor für das Marketing der Zukunft?
Lutz Klaus: Das war, ist und wird es immer sein. Trends und Moden verschwinden, aber wirtschaftliche Gesetze bleiben. Unternehmen müssen Gewinn machen. Marketing ist Teil von Unternehmen.
Spiegelt sich das Marketing der Zukunft auch im Verhältnis von Ertrag und Nutzen wider?
Lutz Klaus: Siehe meine vorherige Antwort. Genau wie andere Abteilungen steht auch Marketing auf dem Prüfstand der Rentabilität. Wer hier keine belastbaren Argument hat, zieht den Kürzeren.
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