Christiane Georg, COO von Millward Brown, im Interview "Das werden sehr spannende Zeiten"

Christiane Georg ist seit Kurzem als Chief Operating Officer im europäischen Management Board von Millward Brown. Mit marktforschung.de sprach sie über den Transformationsprozess der Marktforschungsbranche, die Bedeutung von Mobile und die Nähe zwischen Marktforschung und der Consulting-Branche.

Christiane Georg, COO Millward Brown

marktforschung.de: Frau Georg, Sie sind als Chief Operating Officer erst seit Kurzem im europäischen Management Board von Millward Brown, kennen das Unternehmen aber schon aus Ihrer Tätigkeit als Research Service Director. Wie hat sich seitdem Ihr Arbeitsalltag verändert? Und worauf haben Sie sich am meisten gefreut?

Christiane Georg: Ich hatte bereits in meiner regionalen Rolle als Research Services Director Gelegenheit, länderübergreifend in Europa zu arbeiten – vor allem in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien. Als COO Europe und Mitglied des europäischen Management Boards werde ich die Strategie von Millward Brown Europe mitgestalten und ein sehr großes und hochqualifiziertes Research-Services-Expertenteam in die Zukunft führen – und das in einer extrem spannenden Zeit, die durch große Veränderungen in unserer Branche geprägt ist.

Ein großes Research Services Team zu managen, mit Büros in fast allen europäischen Ländern und mit so unterschiedlichen Bereichen wie Research Management, Data Processing und Visualisation, Technology & Innovation sowie verschiedener Research Production Centres – ich denke, das werden sehr spannende Zeiten!

marktforschung.de: Welche strategischen Ziele werden Sie in nächster Zeit primär verfolgen?

Christiane Georg: Wie Sie wissen, befindet sich die Marktforschungsbranche in einem faszinierenden Transformationsprozess, den wir bei Millward Brown in vielen Bereichen anführen. Wir legen einen besonderen Fokus darauf, unsere Datenstrategie mit Blick auf die relevanten Veränderungen im Konsumentenverhalten, die einen direkten Einfluss auf das Geschäft unserer Kunden haben, weiterzuentwickeln.

Mobile wird zukünftig immer wichtiger für uns. Konsumenten nutzen immer seltener traditionelle PCs und wir erwarten, dass 87 Prozent der genutzten Endgeräte bis 2017 Smartphones, Tablets oder eine entsprechende Hybridform sein werden. Um relevante Daten zu liefern ist es daher essentiell, dass die Daten über mobile Geräte erhoben werden (sehen Sie hierzu unseren vor kurzem veröffentlichten Artikel). Wir machen bereits große Fortschritte bei der Implementierung von Mobile Research in Europa und das wird auch in Zukunft einer meiner Themenschwerpunkte sein.

Des Weiteren werde ich mich auf Do-It-Yourself- und On-Demand-Lösungen konzentrieren. Millward Brown hat diese Formate als Reaktion auf das Bedürfnis der Kunden nach höherer Liefergeschwindigkeit entwickelt und bietet damit bereits heute schon Marktforschungsoptionen für jedes Budget. Der Erfolg dieser neuen Angebote macht deutlich, dass die Nachfrage nach schnellem, automatisiertem Creative Development Research groß ist und diese in Zukunft noch weiter wachsen wird. Wir werden daher auch unser Portfolio weiter ausbauen, sodass Unternehmen Feedback von Konsumenten zu ihrer Marke und Kommunikationsstrategie auf jedem größeren Markt schnell und günstig erhalten können. Unsere Now-Angebote ermöglichen es unseren Kunden jetzt schon, Kundenfeedback in weniger als sechs Stunden zu erhalten.

Über diese beiden Bereiche hinaus werde ich auch weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit unseren derzeitigen und neuen strategischen Partnern und Softwareanbietern bauen und die Beziehungen weiter ausbauen.

marktforschung.de: Was ist denn für Sie das faszinierende an dem Wandel, in dem sich die Marktforschungsbranche derzeit befindet? Und: das Thema "Schnelligkeit" wird ja – vermutlich aus gutem Grund – von einigen Playern in der Branche propagiert. Gibt es aus Ihrer Sicht auf Kundenseite einen Paradigmenwechsel von "Qualität" zu "Tempo"? Können Sie sicherstellen, dass höhere Liefergeschwindigkeiten nicht zu Lasten der Datenqualität gehen?

Christiane Georg: Die ganze Marktforschungswelt ist im Wandel begriffen. Themen wie Do-it-yourself-Surveys, verändertes Konsumentenverhalten, die Herausforderung, große Datenmengen sinnvoll zu integrieren, zu analysieren und in Ergebnisse umzuwandeln, die für die Kunden tatsächlich relevant sind, der Abgleich der Studienergebnisse mit dem realen Konsumentenverhalten (Stichworte: Touchpoints und Social Media), die veränderte Art der Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Konsumenten – all das ist neu und verändert unsere Branche nachhaltig.

Qualität war und ist ein kritischer Erfolgsfaktor, steht aus meiner Sicht aber nicht im Gegensatz zu Tempo. In der Tat ist es so, dass Schnelligkeit einer der "Key driver" ist – und hier ist die Technologie gefragt.

marktforschung.de: Vor Ihrem Einstieg in die Marktforschungsbranche waren Sie vor allem im Consulting-Bereich – unter anderem bei PwC – tätig. Was, würden Sie sagen, sind die maßgeblichsten Unterschiede zwischen den beiden Branchen?

Christiane Georg: Eigentlich ist der Unterschied zwischen den beiden Branchen in vielen Bereichen gar nicht so groß. Es hängt davon ab, wie man Beratung – fokussiert auf Strategie, Prozesse oder Technologien – und Marktforschung definiert. Je nach Geschäftsmodell unterscheiden sich natürlich die Leistungen, Fähigkeiten, Strukturen und Arbeitsweisen. Die Datenerhebung wird für gewöhnlich nicht direkt von den Unternehmensberatern durchgeführt und auch die Datenanalyse ist in der Marktforschung natürlich wesentlich relevanter.

Aber tatsächlich kommen sich die beiden Branchen immer näher, da die digitale Welt zunehmend komplexer und die Bedeutung der Datenstrategie für unsere Kunden immer größer wird. Und schließlich ist es doch unser gemeinsames Ziel, unsere Kunden so zu beraten, dass sie erfolgreich sind.

marktforschung.de: Immer wieder wird in Marktforscherkreisen das Problem beklagt, die Branche hätte mit ihren Dienstleistungen vielfach Schwierigkeiten, in großen Unternehmen auf C-Level-Ebene Gehör zu finden. Teilen Sie diese Beobachtung? Und: Woran könnte das liegen?

Christiane Georg: Das habe ich natürlich auch in unserer Branche beobachtet. Aber genau das war einer der Gründe, warum ich zu Millward Brown gekommen bin: Da wir Teil der WPP Group sind, haben wir ausgezeichneten Zugang zum Senior Management unserer Kunden.

Übrigens haben wir gerade erst den 10. Geburtstag unserer Studie "BrandZ Top 100 Most Valuable Global Brands" gefeiert und dabei festgestellt, dass Unternehmen mit starken Marken auch einen höheren Marktwert haben. Wir haben die Entwicklung des "BrandZ Portfolios" der wertvollsten Marken verfolgt und mit der Unternehmensentwicklung auf dem Aktienmarkt verglichen. Dabei konnten wir feststellen, dass das "BrandZ Portfolio" der weltweit wertvollsten Marken dreimal so stark gewachsen ist wie der MSCI World Index und anderthalbmal so stark wie der S&P. Wir konnten  außerdem erkennen, dass zwar alle Unternehmen unter der Rezession gelitten haben, Unternehmen mit starken Marken sich aber sehr viel schneller erholen konnten als alle anderen.

Darüber hinaus wissen Sie vielleicht, dass wir mit Millward Brown Vermeer eine auf Markenstrategie spezialisierte Beratung haben, die uns zusätzlichen Zugang zum C-Level-Management ermöglicht.

marktforschung.de: Millward Brown ist ja stark international aufgestellt. In den gesättigten Märkten hat sich das Geschäft für viele Marktforschungsinstitute in der letzten Zeit als zunehmend schwierig erwiesen. Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation für die Branche derzeit ein? In welchen Regionen und Märkten ist Millward Brown erfolgreich, in welchen weniger?

Christiane Georg: Wir glauben, dass es unserer Branche sehr gut geht und es großartige Chancen zur Weiterentwicklung gibt. Das beruht hauptsächlich auf den neuen Möglichkeiten der Datensammlung und -verarbeitung, die zu neuen Erkenntnissen führen. Unsere Kunden nutzen diese Erkenntnisse in zunehmendem Maße und der Wert, der dadurch für unsere Kunden generiert wird, steigt ständig. Die neuen Technologien und Arten der Forschung ermöglichen wiederum den Zugang zu neuen Kunden und Märkten, denen die Marktforschung vorher zu langsam und/oder zu teuer war.

Bei Millward Brown bieten wir immer mehr On-Demand-Dienstleistungen, die Integration verschiedener Datenquellen, Daten-Analytik sowie ein großes Netzwerk an Partnern an. Die Art und Weise, wie wir das machen und wie wir zukünftige Veränderungen voraussagen, ist das was uns weltweit so erfolgreich macht. In den Niederlanden beispielsweise, ist unsere Beratung Vermeer jetzt schon größer als traditionelle Marktforschungsunternehmen und wir wachsen zweistellig in vielen unserer langjährigen Märkte auf der ganzen Welt. Fakt ist, dass wir unser Angebot ständig neu erfinden und Wachstum generieren. An dieser Stelle ist ein so hochqualifiziertes operatives Team ein kritischer Erfolgsfaktor, da Geschwindigkeit und Qualität der Service-Erbringung ausschlaggebend sind.

marktforschung.de: Nun, dass es der Branche sehr gut geht und es großartige Chancen zur Weiterentwicklung gibt, werden vermutlich nicht alle Marktteilnehmer unterschreiben. Auch im Hause WPP ist es ja ausgerechnet der Bereich "Data Investment Management" – also die Markforschungssparte – die anders als andere Konzernbereiche nicht gerade mit tollen Umsatzzahlen glänzt. Was macht Sie so optimistisch? Die Erkenntnis, dass Wandel notwendig ist – Sie sagten, dass Sie Ihr Angebot ständig neu erfinden – und Sie diesen bei Millward Brown auch tatsächlich leben?

Christiane Georg: Absolut! Ich kann Ihnen jetzt schon verraten, dass wir ausgezeichnete neue Services und Deliverables in der Pipeline haben. Einer meiner zentralen Tätigkeitsschwerpunkte wird sein, diese neuen Produkte und Serviceleistungen erfolgreich auf dem europäischen Markt umzusetzen.

marktforschung.de: Denken Sie als Unternehmen strategisch eher global oder eher regional – beispielsweise, um auf bestimmte lokale Marktgegebenheiten reagieren zu können?

Christiane Georg: Wir denken global, handeln aber lokal. Wir haben globale und lokale Kunden – in manchen Ländern in einer 50/50-Beziehung. Wir haben alle Vorteile eines globalen Unternehmens, aber es ist für uns absolut entscheidend, flexibel zu sein und die Wünsche und Anforderungen unserer lokalen Kunden zu verstehen. Für unsere Service-Erbringung stellt das manchmal eine echte Herausforderung dar – aber unsere Kunden wissen das Ergebnis sehr zu schätzen.

marktforschung.de: Ihr Unternehmen gehört ja – wir haben es bereits angesprochen – schon seit Jahren zur WPP-Gruppe. Vereinfacht das den Umgang mit veränderten Marktgegebenheiten und wirtschaftlichen Herausforderungen?

Christiane Georg: Teil der WPP-Gruppe zu sein, ist auf jeden Fall ein großer Vorteil. Um sicherzustellen, dass unsere Kunden die beste Unterstützung erhalten und ihre Ziele erreicht werden, nutzen wir zum einen die Expertise bei Millward Brown und zum anderen arbeiten wir eng mit anderen WPP-Unternehmen zusammen. Wir haben langjährige und partnerschaftliche Beziehungen zu den WPP Werbe- und Marketing Services Agenturen. Das ermöglicht bestes Know-how, Flexibilität und das Zusammenstellen von individuellen Teams, die genau auf die Kundenwünsche ausgerichtet sind.

marktforschung.de: Heißt das, Sie stellen für Projekte auch Teams aus verschiedenen Unternehmen der Group zusammen? Macht die Flexibilität und Individualität die Skalierbarkeit und Projektkalkulation nicht schwieriger? 

Christiane Georg: Ja, das tun wir täglich. Unsere Organisation ist als Matrixorganisation und echter internationaler Player aufgestellt. Wir arbeiten permanent in multinationalen, virtuellen Teams. Ich persönlich bin ein großer Fan des Konzepts der "Integrated Diversity" – heterogene Teams sind die erfolgreichsten und kreativsten.

marktforschung.de: Millward Brown hat sich ja auf Brand und Communication Research spezialisiert. Wird dieser Fokus auch in den nächsten Jahren erhalten bleiben?

Christiane Georg: Ja, auf jeden Fall! Marken und Kommunikationsstrategien werden immer wichtiger auf den globalen Märkten und wir glauben, dass unsere Kunden nur mit den besten Partnern zusammenarbeiten wollen. Das sind Firmen, die spezialisiert sind, schnelle Innovationen bieten und in der Lage sind, bessere und schneller Ergebnisse zu liefern, und die mit Experten zusammenarbeiten, die erfolgsrelevante Empfehlungen geben können.

Ich denke, dass es für ein Unternehmen sehr wichtig ist, für etwas zu stehen und dafür anerkannt zu sein – und wir sind Marken- und Kommunikationsexperten! Und, um zurück zu meinem Verantwortungsbereich zu kommen, der operativen Seite des Geschäfts: Es ist ganz klar, dass unsere Spezialisierung als Brand Experts es uns ermöglicht, eine schlanke Organisation zur Datenerfassung und -lieferung aufzustellen. Als Generalist wäre es notwendig, eine größere Struktur zu haben und es wäre sehr viel schwieriger, sich an Veränderungen anzupassen und auch das Risiko der Variabilität wäre wesentlich größer. Und wir alle wissen, was das bedeutet: Fehler und Qualitätsprobleme. So können wir bei Millward Brown durch unseren Fokus nicht nur Qualität und Effizienz garantieren, sondern gleichzeitig schnell Innovationen umsetzen und auf Veränderungen auf dem Markt reagieren.

marktforschung.de: Frau Georg, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Mehr zu Christiane Georg

 

Diskutieren Sie mit!     

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de