Munkes Mind Das Platzen der KI-Blase

Der Moment, kurz bevor die nächste Blase platzt. (Bild: picture alliance / Shotshop | DC 2).
„Woher weiß man das und ist das immer so?“ Diese beiden Fragen so häufig wie möglich zu stellen, legte mein damaliger Professor für Entwicklungspsychologie uns Studierenden bereits im ersten Semester wärmstens ans Herz. Was er damit beabsichtigte? Nun, uns als angehende Wissenschaftlerinnen und (viel häufiger) kommende Praktiker dafür zu sensibilisieren, stets die empirische Basis und den Geltungsbereich von Theorien zu hinterfragen. Wieso diese beiden Fragen auch heute noch hochrelevant sind?
Na ja, sie werden in und von unserer Branche viel zu selten an KI-Ansätze gestellt!
Ein paar Millionen Datenpunkte werden es schon richten
Vielmehr beobachte ich das Gegenteil: Immer häufiger wird es gelebte Praxis, Künstliche Intelligenz als Reason to Believe für ein Heilsversprechen à la „Wir können das Konsumierendenverhalten dank KI perfekt vorhersagen“ zu nutzen. Woher indes die Datenbasis für diese Prognose stammt: Das bleibt allzu häufig diffus. Hauptsache, es sind ein paar Millionen Datenpunkte im Spiel. Ebenso bleibt vage, unter welchen Bedingungen die Vorhersage zutrifft.
Ist das verwerflich? Natürlich nicht, denn schließlich geht es bei diesen Aussagen nicht um wissenschaftliche Präzision, sondern um: Marketing. Und dessen Zielgruppe sind bekanntermaßen ja mindestens so häufig potenzielle Geldgeber wie potenzielle Kunden.
Die Heilsbringer in der Marktforschung sind austauschbar
Erstaunlich (und vielleicht auch ein wenig erschreckend) ist dabei:
Dieses Muster ist in unserer Branche ein wiederkehrendes – allein der „Heilsbringer“ ist austauschbar: Galten vor einigen Jahren Neuromarketing und Limbic als game changer, die vermeintlich alles “revolutionieren” (darunter machen wir’s ja heute kaum mehr), kamen danach Behavioral Economics und schließlich Implizite Verfahren.
Was ihnen gemein ist? Sie alle wurden für eine gewisse Zeit dermaßen gehypt, dass eine – nennen wir es mal „Wenn-das-alle-sagen-dann-wird-da-schon-was-dran-sein-Blase" entstand.
Trotz Forschungsnähe keine wissenschaftliche Diskussion
Über kurz oder lang platzte diese jedoch entweder, oder sie schrumpfte doch zumindest arg zusammen.
Für mich ist hierbei besonders bemerkenswert, dass ausgerechnet die Marktforschungsindustrie, die sich wissenschaftlicher Methoden bedienen will und auch bedient, in regelmäßigen Zyklen derart unkritisch agiert!
Eine mögliche Ursache: Zumindest aus meiner Sicht existieren zu wenige Formate und Formen, in denen wirklich über Methoden und Ansätze diskutiert wird und Marketing eine untergeordnete Rolle spielt. Zudem würde man sich ab und an auch eine kritischere Begleitung neuer Ansätze in “unseren” Medien wünschen. Denn schließlich dürfen sich die beiden Fragen meines Ex-Profs durchaus auch ambitionierte Journalisten und Journalistinnen stellen, wenn sie einem aktuell “heißen” Thema auf den Grund gehen (möchten).
Wenn es die KI richten soll, muss die Methode das auch leisten können
Doch zurück zu den “Blasen”.
Diese haben nämlich durchaus auch ihr Gutes, denn sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf Themen. Und von denen haben alle oben genannten sehr wohl Aufmerksamkeit verdient, da wir sie nutzenstiftend für unsere Kunden einsetzen können. Wir sollten daher das Tandem „Woher weiß man das und ist das immer so?“ erweitern um die Frage „Wofür ist das nützlich?“. Denn:
Unsere Methoden und ihr Einsatz müssen am Ende immer auch Handlungsrelevanz aufweisen!
Die unabdingbare Voraussetzung hierfür ist nicht “nur”, Möglichkeiten und Grenzen der Methoden zu kennen. Aus der Handlungsrelevanz leitet sich auch der Anspruch an eine offen-kritische Reflexion aller Ansätze ab: Auf Basis der Insights, die wir generieren, werden oft Investitionsentscheidungen getroffen. Und da sollten wir schon sehr sicher sein, dass wir die besten Methoden zur Erreichung dieser Insights einsetzen und uns nicht darauf verlassen, “dass es die KI schon richten wird“.
Wir werden es hören, wenn auch diese Blase platzen wird. Päng. Oder zumindest Luft verliert. Pffft.
Über die Person
Dr. Jörg Munkes ist Geschäftsführer bei der GIM in Heidelberg, wo er seit knapp 20 Jahren tätig ist. Als promovierter Sozial- und Persönlichkeitspsychologe hat er die Entwicklung der quantitativen Forschung des Full-Service-Instituts über viele Jahre geprägt und dabei ein Faible für psychografische Zielgruppen-, Werte- und Markenforschung entwickelt. Als GIM-Geschäftsführer ist er unter anderem für das Business Development verantwortlich und gleichzeitig ein von Natur aus neugieriger Mensch –... mehr
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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