Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Das Internet ein wenig gebremst

Der EuGH hat entschieden: Suchmaschinenbetreiber sind für das Aufzeigen von personenbezogen Daten auf Websites Dritter verantwortlich und müssen die Verknüpfungen künftig kappen. Was bedeutet das?

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)

Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Suchmaschinen halten keine eigenen Informationen vor, sie machen aber fremde auffindbar. Das hat die Welt ein wenig verändert und das Leben leichter gemacht. Wer ein bestimmtes Kochrezept sucht, der findet es über eine Suchmaschinenanfrage zu dem Stichwort sofort. Man muss nicht mühevoll über Websites zum Kochen gehen, und es sich aus der Vielzahl der vielen anderen Rezepte heraussuchen. Das ist gut und es wird sich für nicht personenbezogene Daten auch künftig nicht ändern.

Für personenbezogene Daten sieht das nach der Entscheidung  des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 anders aus. Was lag dem zugrunde? Ein Spanier hatte Google 2010 verklagt, weil die Suchmaschine Links zu zwei Seiten einer Tageszeitung aus dem Jahr 1998 verfügbar machte. Sie nannten den Betroffenen namentlich und enthielten die Information, dass eine Pfändung gegen ihn betrieben wurde. Da die Pfändung seit Jahren erledigt sei und keine Erwähnung mehr verdiene, verlangte er die Seiten zu löschen, oder aber die ihn betreffenden Informationen über die Suchmaschine nicht mehr auffindbar zu machen.

Der EuGH gab ihm Recht. Für ihn hat man zwar kein Recht darauf, dass die Inhalte im Netz von den Seiten gelöscht werden, auf denen sie vorgehalten werden. Der Bericht über die Pfändung darf also weiterhin auf der Website der Zeitung zur Verfügung stehen. Er muss von dort ebenso wenig entfernt werden, wie aus dem körperlichen Archiv der Zeitung.

Wenn kein besonderes Informationsinteresse besteht, hat man aber ein Recht darauf, dass Suchmaschinen personenbezogene Informationen aus ihren Suchverzeichnissen löschen, wenn sie nicht mehr aktuell sind. Kurz: Der Inhalt kann im Netz bleiben, er darf aber über Suchmaschinen nicht mehr auffindbar sein.

Verstößt die Entscheidung gegen die Informationsfreiheit?

Mit welchem Recht kann man verlangen, dass wahre aber diskreditierende Informationen im Netz nicht mehr auffindbar sind? Bedeutet es nicht einen unzulässigen Eingriff in die Informationsfreiheit der Internetnutzer, wenn Informationen nicht mehr auffindbar sind? Was ist die Information über Suchmaschinen noch Wert, wenn Betroffene bewirken können, dass wahre Informationen gelöscht werden? Bieten sie dann nicht nur noch ein lückenhaftes Abbild der Informationen und höhlt das das Geschäftsmodell des Suchens und Findens nicht aus?  

Das alles ist nicht von der Hand zu weisen. Die Entscheidung trifft das Geschäftsmodell der Suchmaschinen ins Mark. Sie trifft in Zeiten in denen Suchmaschinen ohne zeitliche Befristung und ohne Rücksicht auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten das Privatleben für jedermann weltweit öffnen eine weitreichende Entscheidung zugunsten des Schutzes von personenbezogenen Daten und Privatsphäre.

Privatheit vor Informationsfreiheit

Der EuGH weist ihnen einen allgemeinen Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse der Internetnutzer zu, sich mit Hilfe von Suchmaschinen schnell alle Netzinformationen über eine Person zu beschaffen. Wenn ein Betroffener geltend macht, er sei keine Person von öffentlichem Interesse und die Information über ihn nicht mehr relevant, muss der Suchmaschinenbetreiber dies prüfen und sich gegebenenfalls auf Entfernung der Links zu den Ursprungswebseiten verklagen lassen.

Eine kluge und mutige Entscheidung

Der EuGH hat gesehen, dass die Freiheit Informationen zu verbreiten erhebliche Kollateralschäden verursachen kann, die außer Verhältnis zum Nutzen für das Informationsinteresse stehen und er hat an dieser Stelle eine wichtige Weiche gestellt. Die Entscheidung ist rechteschonend, weil sie Verknüpfungsverbote von einem Antrag des Betroffenen abhängig macht und damit alle Inhalte, die nicht personenbezogen sind oder den Betroffenen nicht stören, unangetastet lässt. Sie ist rechtlich belastbar, weil sie die Meinungs- und Pressefreiheit der Quelle einer Information achtet. Alle Inhalte bleiben im Netz. Sie ist effektiv, denn sie gewährt Betroffenen ein einklagbares Recht. Die Entscheidung ist gerecht, weil sie den für das Hochspülen aller Informationen Verantwortlichen trifft, indem sie sich auf dem Beitrag der Suchmaschinenbetreiber fokussiert. Eingeschränkt wird ja nicht das Äußern und Verbreiten von wahren Informationen durch Träger der Meinungsfreiheit gegen den Willen des Betroffenen, sondern nur der unerbittliche technische Vorgang des zeitlich unbefristeten Verfügbarmachens von Inhalten durch Suchmaschinen. Dass mittelbar auch der ungehemmte und vermeintlich allumfassende Informationsanspruch des Bürgers rechtlich eingehegt wird ist eine wichtige Nebenfolge der Entscheidung.

Das Urteil ist mutig, weil es Datenschutz und Persönlichkeitsrechte im Netz bewusst stärkt. Der EuGH nimmt es zugunsten dieser wichtigen Güter auf sich, Google in die Schranken zu verweisen und setzt sich dem Vorwurf aus, Sand in das Getriebe einer ungezügelten Informationsvermittlungsmaschine geworfen und das Internet ein wenig gebremst zu haben. Das war bitter nötig.

Zur Person:

Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!). 

 

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