Das CATI-Interview im Methoden-Mix

Ralf Deckers (abh Market Research)

Von Dr. Ralf Deckers, Prokurist bei abh Market Research GmbH

Die ADM-Zahlen zur Marktforschung in Deutschland sprechen eine deutliche Sprache: Im Jahr 2006 wurden 46% aller quantitativen Befragungen als CATI-Interview durchgeführt. Im Jahr 2013 sind es nur noch 36%. Im selben Zeitraum hat sich der Aufstieg der Online-Befragung fortgesetzt, von 21% im Jahr 2006 auf 36% im Jahr 2013.

Das CATI-Interview erscheint damit als der „Methoden-Verlierer“ der letzten Jahre. Die Gründe hierfür werden in der täglichen Marktforschungspraxis offensichtlich:

  1. Mehr als 10% der deutschen Bevölkerung ist nur noch mobil erreichbar. Die reine Festnetzbefragung stößt an Grenzen. Mobil-Interviews dagegen machen den CATI-Ansatz teurer.

  2. Die Bereitschaft zum telefonischen Interview sinkt seit Jahren. Ein Grund hierfür sind langjährige schlechte Erfahrungen mit lästigen Telefonverkäufern.

  3. Bei Befragung von Interessenten und Kunden ist das Opt-In, also die Einwilligung zur Kontaktaufnahme, erforderlich. Diese wird immer seltener gewährt. Die Basis für entsprechende Befragungen gerät damit unter Druck.

  4. Spezielle Zielgruppen sind über Online-Panels (und deren Panelisten-Profile) bzw. über Special-Interest-Websites oft besser und schneller selektierbar. Diese werden dann direkt online (im Panel bzw. über Pop Up-Surveys) befragt.

  5. Online-Befragungen können mit in der Regel kürzeren, teils deutlich kürzeren Feldzeiten punkten. Dem Zeitdruck auf Auftraggeber-Seite ist das CATI-Interview oft nicht gewachsen.

  6. Online-Befragungen können oft mit geringeren Kosten pro Interview durchgeführt werden. Bei zunehmendem Kostendruck der Auftraggeber bietet sich das Online-Interview „natürlich“ an. CAWI und CATI werden dann einfach als methodisch gleichwertig gesetzt und der Kostenvorteil gerne mitgenommen.

  7. Und die weitere Entwicklung, von der zunehmenden Internet- und Smartphone-Penetration bis hin zu Googles Opinion Rewards-Programm, verdüstern die Aussichten weiter.

Es spricht also alles gegen die CATI-Befragung, oder? Aus unserer Sicht: Nein.

Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen und sinkender Fallzahlen hat das CATI-Interview nach wie vor eine hohe Bedeutung. Unser Unternehmen verfügt über ein eigenes CATI-Studio mit 35 Plätzen. Im Rahmen unserer Auftragsstruktur wird das CATI-Interview neben den herkömmlichen Telefoninterviews vor allem für folgende Zwecke eingesetzt:

  1. Als Korrektiv zum Ausgleich von Methoden-Effekten. Unsere Erfahrungen im Bereich der Automobilmarktforschung zeigen: Über entsprechende Quoten lassen sich „Pkw-Bestands-gleiche“ Stichproben bei CATI und CAWI realisieren. Gleichwohl bleiben Abweichungen. Ursache hierfür sind natürlich Unterschiede bei der Internet-Penetration und der Internet-Nutzung, aber auch bei der Informations-Aufnahme und bei Einstellungen. Diese Unterschiede machen sich in den Befragungsergebnissen bemerkbar.
    Ein Beispiel hierfür ist die berichtete Neigung, Zubehör, Reifen oder Teile online zu kaufen. CATI-Befragte sind hier eher zurückhaltend und tendieren stärker zur Werkstatt. CAWI-Befragte sind mit dem Medium Internet vertrauter und nutzen es entsprechend häufiger. Auch das Interesse an Fahrzeug-Features unterscheidet sich teils deutlich. CATI-Befragte haben kaum Interesse an Connected Cars, CAWI-Befragte dafür umso mehr. Erst der Methoden-Mix führt hier zu realistischen Einschätzungen.

  2. Im gesamten Feld der b2b-Befragungen. Unserer Erfahrung nach genügen Online b2b-Panels nicht immer voll den Projektanforderungen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zielgruppe (z.B. Kfz-Werkstätten) nur wenig Online-Affinität zu erkennen gibt. Hier wird auch in mittlerer Zukunft angerufen werden müssen.

  3. Als Rekrutierungsinstrument für Zielgruppen, die online bzw. über Online Panels nur ungenügend abgedeckt sind, die aber unter Nutzung von Bildern/ Vorlagen oder unter Einsatz spezieller Methoden (z.B. Conjoint) befragt werden sollen.

  4. Zur Abdeckung von kleinräumigen regionalen Einheiten, wo Online-Panels bei den Fallzahlen die Luft ausgeht. Wenn Auftraggeber in bestimmten PLZ-Regionen befragt haben wollen, hat CATI immer noch Vorteile.

Das heißt: CATI hat zwar seine Position als Königsweg der Marktforschung verloren, wird aber seinen Platz und seine Bedeutung behaupten; nicht mehr für eine Standardbefragung der deutschen Bevölkerung, aber in speziellen Kontexten und im fein abgestimmten Methoden-Mix.

 

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