Frauen in der Marktforschung "Darauf zu warten, dass eine höhere Position vom Himmel fällt, führt wohl eher selten zum Erfolg"

Im Rahmen unserer Serie "Frauen in der Marktforschung" sprachen wir mit Anja Miriam Simon, Senior-Projektleiterin in der Meinungs- und Wahlforschung bei Infratest dimap, über Authenzität im Job, Quotenregelungen und Durchsetzungsfähigkeit.

Anja Miriam Simon, Infratest dimap © Anja Simon

Anja Simon, Infratest dimap © Anja Simon

marktforschung.de: Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?

Anja Miriam Simon: Das spannende an der Arbeit in der Meinungs- und Wahlforschung ist, dass man immer mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen zu tun hat und die politischen Prozesse in Deutschland sehr eng begleitet. Ich habe Politikwissenschaften studiert, weil mich diese Themen schon immer fasziniert haben. Nachdem ich anfangs in der international ausgerichteten Konsumgüterforschung gearbeitet habe, bin ich froh, mich bei Infratest dimap wieder mit politischen Inhalten beschäftigen zu können. Darüber hinaus sind wir an Wahltagen als Ansprechpartner für Hörfunk und Fernsehen gefragt. Ein ganz anderer Aspekt, der auch sehr viel Spaß macht, wenn man die erste Aufregung überwunden hat.

marktforschung.de: Was sollte man mitbringen, um sich als Frau in der Branche durchsetzen zu können?

Anja Miriam Simon: In erster Linie sollte man sicherlich – egal, ob Mann oder Frau – ein ausgeprägtes Interesse an Politik haben. Allerdings ist die Meinungs- und Wahlforschung, wie zahlreiche andere Branchen auch, immer noch sehr männerdominiert. Daher ist es durchaus von Vorteil, ein gesundes Selbstbewusstsein und Diskussionsfreude mitzubringen und die eigenen Vorstellungen klar zu formulieren. Darauf zu warten, dass eine interessante Aufgabe oder eine höhere Position vom Himmel fällt, führt wohl in eher seltenen Fällen zum Erfolg.

marktforschung.de: In welcher Form haben Sie in Ihr persönliche Fortkommen investiert?

Anja Miriam Simon: Weniger durch klassische Seminare oder Weiterbildungen, sondern eher durch eine Art "Training on the Job", zum Beispiel durch die Übernahme neuer Aufgaben, die neue Herausforderungen mit sich bringen. Sehr profitiert habe ich auch von Bereichswechseln, da man durch die Erfahrungen in anderen Sektoren, wie zum Beispiel der eher international ausgerichteten Marktforschung, durchaus auch andere inhaltliche und methodische Perspektiven bekommt.

marktforschung.de: Gab es eine Person, die Sie bei Ihrem Werdegang gefördert hat? Vielleicht sogar einen Mentor? Oder ein Vorbild?

Anja Miriam Simon: Ein Vorbild im engeren Sinn eigentlich nicht, durchaus aber Personen, die mich beeindruckt haben. Dazu zählen zum Beispiel meine ehemaligen Professoren für Statistik und Informatik, die durch gute Wissensvermittlung und großes Engagement überzeugt haben und die vor allem auch Freude an einer auf den ersten Blick eher trockenen Materie vermitteln konnten. Diese Menschen haben mein Interesse für die Empirie geweckt. Ich habe damals zwar auch öfter gesagt, dass ich die erste Bundeskanzlerin Deutschlands werden möchte. Das war zwar nicht ganz ernst gemeint und hat ja nun bekanntlich auch nicht geklappt, ich bin aber sehr froh darüber, dass ich damals eine gute Grundlage bekommen habe, um heute die Politik mit einem eher neutralen Blick begleiten zu können.

marktforschung.de: Sind Sie schon mal an die berühmte gläserne Decke gestoßen? 

Anja Miriam Simon: Ich selbst glücklicherweise nicht, im Gegenteil: Mir wurden immer wieder Möglichkeiten eröffnet, mich beruflich weiterzuentwickeln. Allerdings habe ich die gläserne Decke im beruflichen wie privaten Umfeld durchaus schon zur Kenntnis genommen, wenn zum Beispiel die berufliche Entwicklung nach Elternzeit oder Rückkehr in Teilzeit stagnierte. Hier gilt es sicher, die Durchlässigkeit für Frauen zu erhöhen, beispielsweise durch flexible Arbeitsmodelle oder geteilte Führungsverantwortung, von denen ja nicht nur Frauen, sondern auch Männer profitieren würden.

marktforschung.de: Was halten Sie von Quotenregelungen für Frauen?

Anja Miriam Simon: Auch wenn sich viele Unternehmen bereits Selbstverpflichtungen auferlegt haben, ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Deutschland leider immer noch gering – auch im europäischen Vergleich. Zwar ist in vielen Unternehmen die Erkenntnis gereift, dass ein höheres Maß an Vielfalt auch zu höherer Wirtschaftlichkeit führt, allerdings ist der Weg von der Theorie in die Praxis offensichtlich weit. Daher begrüße ich es sehr, dass in unserem Konzern im vergangenen Jahr eine globale Initiative ins Leben gerufen wurde, die sich um Inklusion und Vielfalt kümmert und in einem ersten Schritt eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen anstrebt – auch in Form von verbindlichen Zielvorgaben für das Management. 

marktforschung.de: Welche Wege sehen Sie für Frauen, mit der Doppel- oder sogar Dreifachbelastung (Familie, Job, Haushalt) umzugehen? 

Anja Miriam Simon:
Auf familiärer Seite hilft es natürlich, Verantwortung zu teilen, zum Beispiel übernimmt mein Mann die familiären Aufgaben in Wahlzeiten nahezu komplett und auch meine Kinder wissen inzwischen, dass ich nach einer Wahl wieder häufiger zu Hause bin. Es ist aber sicher auch entscheidend, dass von staatlicher Seite entsprechende Betreuungsstrukturen geschaffen werden. In Berlin ist die Verbreitung und Akzeptanz von frühkindlicher Betreuung recht hoch. So war es mir möglich, eine Familie zu gründen, ohne die Berufstätigkeit für einen längeren Zeitraum zu unterbrechen. Diese Möglichkeiten, erweitert um das Angebot einer Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, das Union und SPD nun in ihrem Koalitionsvertrag verankert haben, sind aus meiner Sicht unerlässlich für die berufliche Entwicklung von Eltern. Wobei hier natürlich nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Angebotes wichtig ist.

marktforschung.de: Wie wichtig ist es, im Job authentisch zu bleiben? Gelingt Ihnen das?

Anja Miriam Simon: Es ist mir wichtig, im Job authentisch bleiben zu können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man eher unzufrieden wird, wenn die eigenen Vorstellungen und Wünsche mit der beruflichen Realität dauerhaft nicht übereinstimmen. Glücklicherweise würde ich sagen, dass das bei mir überwiegend passt.

marktforschung.de: Wo holen Sie sich neue Inspirationen für den Job?

Anja Miriam Simon: Da unsere Arbeit einen großen Bezug zur aktuellen politischen Themenlage und gesellschaftlichen Entwicklung hat, kommen die Inspirationen häufig von selbst. Anregungen für unsere Arbeit bekommen wir aber auch, indem wir den Austausch mit Kollegen in anderen Ländern oder auch mit der Wissenschaft pflegen, um immer mal wieder über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

marktforschung.de:
Was war der beste Ratschlag, den Sie für Ihr Berufsleben bekommen haben?

Anja Miriam Simon: Ich habe mal den Ratschlag bekommen, besser nicht in die Marktforschung zu gehen, da der Job anstrengend und unterbezahlt sei. Glücklicherweise habe ich nicht darauf gehört. Wenn ich selbst einen Ratschlag geben sollte, würde ich auf jeden Fall empfehlen, sich einen Beruf zu suchen, der einen mit Interesse und Freude erfüllt. 

Zur Person:

Anja Miriam Simon ist Senior-Projektleiterin in der Meinungs- und Wahlforschung bei Infratest dimap in Berlin. Zuvor arbeitete sie bis 2010 bei TNS Infratest in der Marktforschung. Zuvor arbeitete sie bis 2010 bei TNS Infratest in der Marktforschung. Die Politikwissenschaftlerin ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von fünf und neun Jahren. 

 

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