Applied Science Customer Reviews 2.0 - Wie Kundenrezensionen die Kaufentscheidung beeinflussen

Die Kolumne zum Thema Online-Bewertungen und dem richtigen Umgang mit negativen und falschen Bewertungen hat bei unseren Usern einigen Anklang gefunden. Ein guter Anlass für die Marketing-Professoren Fretschner und Lüdtke, das Thema Rezensionen erneut aufzugreifen. Heute beleuchten sie zunächst den Wert von Bildern bei Online-Bewertungen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dann erklären sie, wie man als Anbieter mit gemischten Rezensionen, zum Beispiel auf unterschiedlichen Bewertungsplattformen, umgehen kann.

Fotografie eines Produktes (Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose)

Ein Bild sagt oft mehr als tausend Worte. Auch bei Online-Rezensionen nehmen Bilder an Bedeutung zu und können den Wert einer Rezension steigern. (Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose)

Wer heute online einkauft, hat sich normalerweise intensiv vorab informiert. Die wichtigste Informationsquelle sind hierbei Online-Bewertungen. Laut Bitkom greift die Hälfte aller Käufer auf entsprechende Rezensionen zurück. Diese Bewertungen stammen meist aus dem bestehenden Kundenkreis. In der jüngeren Vergangenheit haben Onlineshops und Bewertungsportale die medialen Möglichkeiten aufgewertet, um Rezensionen zu hinterlassen. Es ist heute üblich, dass zusätzlich zu schriftlichen Rezensionen weitere Medien wie Bilder oder Videos hinterlegt werden können. In diesem Zusammenhang geht Robert Zinko von der Texas A&M University in einer experimentellen Studie mit seinem Team der spannenden Frage nach, wann zusätzliche Bilder eine Textrezension aufwerten, sie glaubwürdiger machen und letztlich die Kaufwahrscheinlichkeiten der Leser erhöhen.

Studie 1: Wie wichtig sind der richtige Textumfang und Bilder in einer Rezension?

Die Forscher führen zunächst zwei grundlegende Überlegungen an. Erstens gehen sie davon aus, dass es einen optimalen, moderaten Umfang einer textlichen Rezension gibt, den man gut messen und bestimmen kann. Das heißt, dass einerseits eine zu kurze Rezension zu einem Information Underload führt, der sich negativ auf Vertrauen in die Bewertung und damit auch auf die Kaufabsicht auswirkt. Andererseits ist auch eine zu lange Rezension mit gleichen Auswirkungen schädlich. Lesende werden von zu viel Information verwirrt und kognitiv überlastet, erleiden einen sogenannten Information Overload. Zweitens entwickeln sie die Hypothese, dass Bilder den Effekt von Information Under- und Overload mildern. Bei einem Mangel an textlichen Informationen stärken Bilder die Fähigkeit der Konsumenten, sich die eigene Nutzung vorzustellen und so Vertrauen zur Bewertung aufzubauen. Bei zu vielen textlichen Informationen machen Bilder einen Grundsatz an Informationen zum Angebot ohne hohen kognitiven Aufwand (Lesen) zugänglich und helfen den Lesenden zusätzlich relevante Informationen aus dem Text zu selektieren.

Untersuchungsobjekt der Studie sind Bewertungen zu einem Hotelaufenthalt. Es wurden zunächst in Anlehnung an bestehende Forschungsarbeiten drei Bewertungen mit Längen von 39, 311 und 1256 Wörtern entwickelt, um geringen, moderaten und hohen Informationsgehalt zu simulieren. Im Experiment wurde den Texten entweder eine Auswahl vier unterschiedlicher Fotos zum Hotelaufenthalt angefügt oder nicht. Es ergab sich also ein sogenanntes 2 x 3 Design. Über Amazon Mechanical Turks wurden für jede der sechs Zellen des Experiments ungefähr 60 Subjekte rekrutiert. Diese wurden in eine experimentelle Situation versetzt, in der sie nach einem Hotelaufenthalt entsprechend der Bewertung suchen. Abschließend wurden ihr Vertrauen in die Bewertung und ihre Absicht zur Buchung erfragt.

In Abbildung 1 sind die wichtigsten Ergebnisse des Experiments visuell aufbereitet:

Abbildung 1 Customer Reviews (Bild: smart impact in Anlehnung an Zinko et. al (2019))

Abbildung 1: Kaufintention in Abhängigkeit von Rezensionstext und Bildern in der Rezension (Grafik: smart impact in Anlehnung an Zinko et. al (2019))

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Vertrauen in Kundenbewertungen und Kaufabsicht für zugrundeliegende Angebote steigen, wenn den Kundenbewertungen aussagekräftige Bilder beigefügt werden. Das gilt besonders dann, wenn die textlichen Rezensionen entweder zu wenig oder zu viel Information enthalten.

Die Handlungsempfehlungen sind so ebenfalls sehr eingänglich. Erstens sollten alle, die durch Kundenbewertungen Abverkäufe anstoßen, Bewertungen so motivieren, dass dabei wohl strukturierte und im Umfang passende Texte entstehen. Zweitens - und das ist Kernergebnis dieser Studie - sollten Anbieter die Bewertenden explizit motivieren, ihre textlichen Rezensionen mit Bildern aufzuwerten. Dies wirkt positiv auf jede textliche Rezension, jedoch besonders dann, wenn der Text zu wenig oder zu viel Information für die Interessenten bereithält.

Studie 2: Das Management “gemischter” Rezensionen

Eine weitere spannende Herausforderung, der sich insbesondere Produktanbieter im Umgang mit Kundenreviews stellen müssen, sind “gemischte” Bewertungen. Darunter versteht das Forschungsteam um Kay Byun, dass Bewertungen aus unterschiedlichen Quellen mitunter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. So ist zum Beispiel gut denkbar, dass ein redaktionelles Testportal eine vorteilhafte Bewertung für ein Produkt abgibt, Kundenstimmen in einem Onlineshop aber weniger positiv klingen. Genau diesem potenziellen Konflikt zwischen Kundenbewertungen und Bewertungen von Dritten geht das Forschungsteam in ihrer experimentellen Studie nach.

Das experimentelle Setting der Studie beschreibt einen Automobilkauf. Die Forscher gehen davon aus, dass hier einer Kaufentscheidung üblicherweise eine intensive Auseinandersetzung mit Kundenrezensionen und redaktionellen Bewertungen vorausgeht und viele Subjekte sich aus eigener Erfahrung in die Situation des Autokaufs hineinversetzen können. Für das Experiment wird die Konsistenz der Bewertungen manipuliert. Es gibt drei Kontrollgruppen, bei denen die durchschnittlichen Kundenbewertungen und die redaktionelle Bewertung jeweils 1,5, 3 oder 4,5 (von 5 Punkten) betragen. In den beiden Treatmentgruppen werden die Bewertungen insofern inkonsistent, dass in der einen Gruppe die durchschnittliche Kundenbewertung 1,5 Punkte und die redaktionelle Bewertung 4,5 Punkte beträgt und in der zweiten Gruppe diese Bewertungen vertauscht werden. Zur Kontrolle wird ebenfalls die Anzahl der Kundenbewertungen manipuliert (18 vs. 223). So ergeben sich insgesamt 10 experimentelle Zellen (5 X 2).

Die 327 Studienteilnehmer wurden ebenfalls über Amazon Mechanical Turks rekrutiert. Nach dem experimentell manipulierten Autokauf wurden sie zusätzlich gefragt, wie nützlich die jeweiligen Bewertungen (Kundenbewertungen und redaktionelle Bewertung) für sie waren, was bei der Auswertung des Experiments berücksichtigt wurde.

Was zeigen die Ergebnisse dieser zweiten Studie? Zunächst wird durch den Vergleich der beiden Treatmentgruppen mit den Kontrollgruppen deutlich, dass inkonsistente Reviews die Kaufintentionen der Probanden signifikant um 8,5 Prozent senken. Dabei ist nicht überraschend, dass über alle Gruppen hinweg hilfreich wahrgenommene Bewertungen zu höheren Kaufintentionen führen als weniger hilfreich wahrgenommene Bewertungen. Interessant werden die Ergebnisse, wenn wir die Interaktionseffekte zwischen wahrgenommenen Nutzen und Konsistenz der Bewertungen betrachten. Diese haben wir in der folgenden Abbildung 2 visualisiert.

Abbildung 2 Customer Reviews (Bild: smart impact in Anlehnung an Byun et. al (2021))

Abbildung 2: Interaktionseffekt von wahrgenommenem Nutzen und Konsistenz der Bewertung für die Kaufabsicht von Automobilen (Grafik: smart impact in Anlehnung an Byun et. al (2021))

In der linken Grafik sehen wir das Szenario, in dem die Kundenbewertungen im inkonsistenten Szenario besser sind als die redaktionellen Bewertungen – und zwar aufgeteilt nach hohem und niedrigem wahrgenommenem Nutzen der Kundenbewertungen durch die Probanden.

Wir erkennen, dass der wahrgenommene Nutzen der Kundenbewertung in den Situationen Einfluss auf die Kaufintention nimmt, in denen die Subjekte mit inkonsistenten Bewertungen konfrontiert sind. Im Ergebnis führen sehr hilfreich wahrgenommene Kundenbewertungen in solchen Szenarien sogar zu einer höheren Kaufintention als in vergleichbaren konsistenten Szenarien.

In der rechten Grafik sehen wir das Szenario, in dem die Kundenbewertungen im inkonsistenten Szenario schlechter sind als die redaktionellen Bewertungen – und zwar aufgeteilt nach hohem und niedrigem wahrgenommenem Nutzen der redaktionellen Bewertung. Hier sehen wir, dass ein hoher wahrgenommener Nutzen der redaktionellen Bewertungen positiven Einfluss auf die Kaufintention nehmen kann, wenn die Bewertungen insgesamt inkonsistent sind. Allerdings bleiben die Kaufintentionen geringer als in den vergleichbaren Kontrollgruppen.

Wir stellen also insgesamt fest, dass sich besonders Personen, die Kundenbewertungen hohen Nutzen zuschreiben, zu einem Kauf verleiten lassen, wenn Bewertungen zwischen Kundenbewertungen und redaktionellen Bewertungen inkonsistent sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Kundenbewertungen besser ausfallen als redaktionelle Bewertungen von Dritten.

In ihrer Arbeit untersuchen die Forscher dann zusätzlich in einer Feldstudie, wie sich inkonsistente Reviews im realen Automobilmarkt auswirken. Sie betrachten hierfür über einen Zeitraum von vier Jahren redaktionelle Bewertungen, Kundenmeinungen und echten Absatzzahlen. Sie können zeigen, dass inkonsistente Bewertungen von Kunden und redaktionellen Tests eine im Durchschnitt negative Auswirkung auf die Absatzzahlen haben. Sie zeigen zudem unter Hinzunahme von Daten zu Werbeausgaben, dass dem negativen Verkaufseffekt hoher Bewertungs-Inkonsistenz mit hohem Werbedruck entgegengewirkt werden kann. Dabei ist bemerkenswert, dass Werbeausgaben in der Praxis (zum Zeitpunkt der Erhebung 2014) noch nicht in Abhängigkeit der Konsistenz von Bewertungen angepasst werden. Hier kann die Praxis (der Automobilwirtschaft) also offensichtlich direkt von den Erkenntnissen der Studie profitieren, indem Rezensions- und Kommunikationsteams konzertierter zusammenarbeiten.

Take-Aways: Auf dem Weg zum evidenzbasierten Rezensionsmanagement

Was nehmen wir mit aus diesen beiden Studien? Wir lernen erneut, dass wir uns als Bewertete aktiv mit unseren Bewertungen auseinandersetzen müssen. Zunächst haben wir zwei einfache Hebel kennengelernt, mit denen wir Kunden zu besseren Bewertungen ermächtigen. Die richtige Textlänge kann beispielsweise durch die Auswertung besonders hilfreicher, bereits abgegebener Reviews oder im Rahmen von User Labs für das eigene Produkt ermittelt werden. Dann kann durch geschickte UX und entsprechende Zeichenbegrenzungen gut zur gewünschten Länge motiviert werden.

Anschließend gilt das alte Mantra: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte! Stimulieren Sie Ihre Rezensenten, (positive) Erfahrungen auch mit Bildern zu unterfüttern. Darüber hinaus sollten wir wachsam sein, wenn sich redaktionelle Rezensionen und Kundenmeinungen in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Es scheint Konsumentengruppen zu geben, die besonders auf Kundenmeinungen hören und sich hier bei positiven Kundenmeinungen auch nicht von anderslautenden redaktionellen Tests beeindrucken lassen. Sorgen Sie dafür, dass diese Kundengruppen die positiven Kundenmeinungen auch wahrnehmen. Hier kann es zum Beispiel hilfreich sein, bei Neuproduktstarts die Kundenbewertungen ähnlicher Vorgängerprodukte zu nutzen. Manifestieren sich inkonsistente Bewertungen, sollten Anbieter überlegen, mit einem erhöhten Werbedruck den negativen Effekt dieser Inkonsistenz zu mildern.

Wir sind uns sicher, dass dies nicht die letzte Kolumne zum Thema Kundenbewertungen war und freuen uns, wenn Sie uns heute einen “Daumen hoch” oder einen wohlwollenden Kommentar dalassen.

Über Prof. Dr. Michael Fretschner & Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke

Prof. Dr. Michael Fretschner, smart impact (Bild: smart impact)
Prof. Dr. Michael Fretschner ist Co-Gründer der smart impact GmbH und Professor für Marketing & E-Commerce an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft.

Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke, smart impact GmbH
Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke ist Co-Gründer der smart impact GmbH sowie Professor und Studiengangsleiter für E-Commerce an der Fachhochschule Wedel.

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