Crisis? What crisis?

Stefan Ströhle (abs Marktforschung)

Von Stefan Ströhle, Geschäftsführer bei abs Marktforschung

Haben wir wirklich eine CATI Krise und woher kommen solche Behauptungen? Ich behaupte nein, wir haben keine Krise, die Belege dafür fehlen. Als ausgewiesene CATI Spezialisten werden wir im 21. Jahr unseres Bestehens 2014 als das Beste in unserer Firmengeschichte abschließen. Insofern freue ich mich auf weitere „Krisen“Jahre. Im „GreenBook Research Industry Trends Report Fall 2014“ liegt CATI nach Online bei den quantitativen Erhebungsformen auf Platz 2.


Quelle: www.greenbook.org/grit

Auch im neuesten ADM Geschäftsbericht von 2013 liegen die CATI Erhebungen in den letzten Jahren konstant und aktuell auf gleicher Höhe mit Online Umfragen.


Quelle: www.adm-ev.de

Aber der Reihe nach:

Natürlich sinken die Teilnahmebereitschaft und auch die Ausschöpfungsquoten. Aber wirklich nur bei CATI Studien? Wie sehen Panelsterblichkeit und die Ausschöpfung im Online Bereich aus? Wie ist es um die Akzeptanz bei face-to-face Befragungen bestellt, die nicht nur im Bekanntenkreis des Interviewers stattfinden? Diese Punkte nur auf CATI zu reduzieren, wäre zu kurz gesprungen. Eine erweiterte Betrachtung kann hier möglicherweise helfen, den Blick zu schärfen.

Wir Marktforscher sägen uns mit überlangen Fragebögen quasi selbst den Ast ab, auf dem wir sitzen. Müssen es immer quälende 30-Minüter sein? Machen sich Research Consultants Gedanken darüber, ob sie an einer Studie mit ihrem eigenen Fragebogen teilnehmen würden? Wenn wir nach einem dezenten Hinweis auf mögliches Kürzungspotenzial die Antwort erhalten, „Wieso, sind doch keine Kunden des Auftraggebers, sondern nur repräsentativ“, kann sich der geneigte Leser die Antwort auf diese Frage selbst geben. Solange wir die Befragten nur als billigen Informationslieferanten ansehen und nicht als wirkliche InterviewPARTNER wertschätzen, wird uns eine wesentliche Verbesserung des Status quo nicht gelingen.

Die Aussage „wir müssen immer mehr Adressen einsetzen“ muss etwas differenzierter betrachtet werden. Bei nur noch knapp 50% Eingetragenen müssen künstlich Rufnummern generiert werden, um die anderen 50% ebenfalls erreichen zu können. Für die Mobile only´s gilt dasselbe. Daher muss die Betrachtung und der Vergleich zu vermeintlich früheren, besseren Zeiten auf Basis valider Nummern geschehen. Ein wichtiges Qualitätskriterium ist hier die Kontaktfrequenz. Wenn wir in 2 Tagen 1000 Fälle erheben sollen, werden zu einem hohen Maße diejenigen befragt werden, die beim ersten Kontakt erreichbar sind. 

Eine Verdoppelung der Feldzeit führt zwar nicht zur Halbierung der notwendigen Adressenanzahl, aber signifikant bessere Ergebnisse bei der Ausschöpfung sind bei realistisch geplanten Feldzeiten durchaus zu beobachten.

Diese Punkte sind aber alle lösbar und wenig spektakulär. Wenn aber ein einzelner Richter mit einem kruden bzw. nicht vorhandenen Verständnis von Marketing / Vertrieb / Werbung / Marktforschung und einem abenteuerlichen Urteil (OLG Köln, Mafo ist Werbung und damit sind Kundenbefragungen ohne Einwilligung nicht möglich) eine ganze Branche verunsichert, ist eine weit schwerwiegendere Herausforderung. Die Novellierung des BDSG war ein erster Schritt in die richtige Richtung, jetzt müssen wir nur noch erreichen, dass auch der Begriff Marktforschung ordentlich und in unserem Sinne definiert wird und damit auch für unbelastete Juristen klar einzuordnen und zu handeln ist. Hier dürfen unsere Standesorganisationen nicht nachlassen, Lobbyarbeit zu betreiben. Wenn dafür Geld in die Hand genommen und Mitgliedsbeiträge erhöht werden müssen, gerne. Wenn ein entsprechender Nachweis erbracht wird, ist das für uns alle sinnvoll investiertes Geld. 

Abschließend noch ein Wort zur Qualitätsdiskussion. Wer würde sich nicht gerne auf diese Kriterien verlassen, wenn aufgrund von Studienergebnisse Entscheidungen getroffen werden, die sechs-, sieben- und achtstellige Beträge als Folgewirkung nach sich ziehen: 

  • Fehlerfreie Programmierung
  • Geschulte, erfahrene und hoch motivierte Interviewer
  • Saubere Interviewführung nach Fragebogen mit möglichst wenig Interpretationsspielraum
  • Supervisoren und Feldleiter, die diesen Namen auch verdienen
  • Saubere Stichproben und nicht einfach nur irgendwo eingekaufte „Adressen“
  • Nachvollziehbare, mit Plausibilitätstests geprüfte und damit konsistente Daten 
  • Laufende Kommunikation mit erfahrenen und kompetenten Projektleitern im Feldinstitut
  • Zuverlässige und termingerechte Lieferung der Ergebnisse als fundierte Entscheidungsgrundlage

Dieses Paket ist allerdings nicht zu den teilweise kursierenden Stundensätzen von 12,--/13,-- € (im Verkauf, nicht für die Interviewer!) zu haben. Bei allem Verständnis für internen Kostendruck, Einkaufsabteilungen, die auf der Basis von ausgefüllten EXCEL sheets entscheiden und dem Regiment der Controller sollte sich zumindest die zuständige Fachabteilung überlegen und nachrechnen, ob gewisse Preise überhaupt realistisch sein können. Dazu ist aber notwendig, dass sich Auftraggeber mit den angefragten Dienstleistungen beschäftigen, nur dann können Sie (Angebots)Qualität beurteilen. Dazu gehört aber auch – durchaus kritische – Fragen zu stellen, etwa nach der Herkunft der Adressen, Schulungs- und Rekrutierungskonzept der Interviewer, kalkulierte Produktivität und Stundensätze, Honorare für Interviewer und deren Bezahlung und die Einforderung von regelmäßigen und aussagefähigen Statusberichten. Ein Besuch vor Ort beim Feldinstitut wirkt hier manchmal Wunder! 

Fazit:

Sollten wir überhaupt eine Krise haben, betrifft sie nicht nur CATI. Und dann ist es nicht nur eine Krise sondern zwei: die der sinkenden Teilnahmebereitschaft und die der mangelnden Wertschätzung von Qualität. Ich bin aber eher der Meinung, wir haben es in der Marktforschung einfach mit veränderten und sich laufend ändernden Rahmenbedingungen zu tun, auf die wir uns einstellen müssen. Dieser Wandel findet aber auf allen Märkten statt, nicht nur in unserem Bereich. 

Daher sollten wir an der Entstehungskette von Daten ansetzen, aus denen später profundes Wissen für Unternehmensentscheidungen wird. Fakt ist, dass man einer Zahl im Abschlussbericht nicht ansieht, wie sie generiert bzw. erhoben worden ist.

 

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