Martins Menetekel COVID-19 und der Schweinezyklus

Die Regierung hat aufgegeben, die Pandemie bis zum Ende bekämpfen zu wollen - so die These, des Mathematikprofessors Martin Lindner. Ein vorerst letztes Mal teilt der Corona-Kolumnist mit uns seine Einschätzung der aktuellen Zahlen und der Handlungen unseres Staates.

Martins Menetekel

Man kann das heutige Motto auch höflicher Jo-Jo-Effekt oder Räuber-Beute-Schema nennen. Allen gemeinsam ist, dass es hoch und runter geht, entweder mit dem Angebot an Schweinefleisch, dann gehen die Preise runter, danach wird das Angebot kleiner, weil es sich nicht mehr lohnt, dann gehen wieder die Preise rauf, und so weiter.

Genau so wird die Pandemie behandelt: Sinken die Fallzahlen, werden entsprechend die Gegenmaßnahmen aufgehoben, das Virus wittert Morgenluft und verbreitet sich wieder mehr, allerdings mit Zeitverzögerung, dann werden die Maßnahmen wieder verstärkt, der Reproduktionsfaktor sinkt,,,, und so weiter.

Eine konsistente Strategie wäre es gewesen, den Reproduktionsfaktor konstant unter 0,85 zu halten, bis die Pandemie zu Ende ist, definiert zum Beispiel durch eine Inzidenz unter 50 oder durch zum Beispiel einen prozentualen Krankenstand.

Man macht es sich sogar noch einfacher und sagt, wie in den USA, die Pandemie ist vorbei, obwohl sie es nicht ist. Status Todesrate in den USA: Etwa halb so groß wie in Deutschland.

Todesrate in Deutschland:

Sie ist nach meiner Meinung immer noch zu hoch!

Der Jo-Jo-Effekt hat aber für unsere Referenzkurven eine verheerende Bedeutung. Wir müssen nämlich andere Methoden, das heißt andere Funktionen, zum Modellieren wählen.

Exponentialkurven oder, falls es Wendepunkte gibt, Kurven nach Verhulst reichen nicht mehr aus, selbst wenn wir sie, wie bei einer Wasserrutsche, kaskadieren.

Wenn wir den Schweinezyklus approximieren wollten, brauchen wir periodische Kurven, die sich im Rahmen des Zyklus wiederholen, also modifizierte Sinus- und Kosinuskurven, das sind Wellenfunktionen. Die können die wildesten Formen haben, zum Beispiel wie Sägespitzen aussehen, nicht symmetrische flache Anstiege und scharfe Abstiege haben, alles ist möglich.

Nur wird es nie eine oberste Schranke geben. Anstieg und Abfall werden von den Varianten des Virus, den Maßnahmen und deren Zeitverzögerung bei ihrer Wirkung abhängen.

Ich zeige es an den täglichen Zuwächsen:

Die blaue Linie könnte so eine Wellenlinie sein.

Damit werden aber die kumulierten Fallzahlen, wie ein Leser richtig bemerkte, ziemlich aussagelos. Interessant sind dann nur, wie groß in etwa die Längen eines Auf- und Abstiegs sind.

Wie das aussehen könnte, zeige ich an den Zuwächsen seit März 2020:

Der Ausschlag im März ist der Omicron-Variante geschuldet. Die extreme Glättung bewirkt, dass die blaue Kurve schon um den 5. September aufhört, die eigentliche Zuwachskurve geht bis Mitte September. Wenn also die Vermutung stimmen sollte, werden wir mit einem Auf und Ab der Zuwächse um 40.000 pro Tag rechnen müssen. Wir hatten Anfang September ein Minimum bei 28.600 und sind jetzt wieder bei 35.000 mit steigender Tendenz. Der Reproduktionsfaktor liegt stabil über 1:

Ich halte den täglichen Zuwachs für zu hoch und wirtschaftlich nur tragbar, wenn die Krankheitsverläufe noch harmloser werden und damit auch die Fehlzeiten durch Isolierung.

Dennoch erscheint mir, dass das genau die Strategie der Regierungen ist. Man hat es aufgegeben, die Pandemie bis zum Ende zu bekämpfen, nur China hält die Fahne der Aufrechten hoch, mit sehr fraglichen Methoden und wenig Aussicht auf Erfolg, wenn die anderen Länder nicht mitziehen.

Ein wichtiger Indikator für eine zukünftige Strategie ist also die Anzahl der Infizierten an einem Stichtag und der prozentuale Anteil an Schwer- oder Schwersterkrankten.

Auch hier eher Hinweis auf Periodizität denn asymptotisches Fallen gegen Null.

Ein wenig Kaffeesatz: Durchschnittlich etwas über 1 Prozent der Bevölkerung werden infiziert sein, trotz aller Impfungen oder Genesungen.

Die kumulierten Fallzahlen als Aufleitung oder Integral wären dann eine Schlängel-Linie längs einer aufsteigenden Geraden mit einer Steigung, gegeben durch den langfristigen Mittelwert der Zuwächse.

Da die kumulierten Fallzahlen nicht mehr so wichtig sind, zeige ich sie noch ein letztes Mal:

Welche Schlüsse kann ich für meine Auswertung machen?

  1. Refenzkurven sind nicht mehr wichtig, denn man hat sich mit dem nie endenden Corona-Zyklus arrangiert
     
  2. Notmaßnahmen werden nur noch angeordnet, wenn die Belastung der Wirtschaft durch Fehlzeiten zu groß wird oder das Gesundheitswesen wieder an seine Grenzen kommt. Das macht Prognosen völlig willkürlich und COVID-19 zu einer Infektionskrankheit wie viele andere
     
  3. Es ist nicht anzunehmen, dass es einen irgendwie gearteten Rhythmus der Wiederholung der Zuwächse geben wird, der mathematisch begründbar ist. Grundlage unserer Modellierung war ja, dass Wachstumsprozesse durch Kombinationen von E-Funktionen zu beschreiben sind. Eine Sägezahnreferenzkurve, die auch periodische Wellenfunktionen einbezieht, könnte man für Corona aber frühestens nach drei Zyklen, also erst in den nächsten Jahren herausarbeiten

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Über die Person

Martin Lindner ist promovierter und habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand und beschäftigt sich intensiv mit nachhaltiger Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Lebensformen. Zusätzlich hat er eine Ausbildung und auch Berufserfahrung in Wirtschaftsmediation.

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