Christoph Irmer: "Wir dürfen proaktives Consumer Feedback oder Consumer Engagement einfach nicht außer Acht lassen"

Christoph Irmer ist Geschäftsführer der ODC Services GmbH. Im Rahmen der diesjährigen Research&Results-Messe in München hatte marktforschung.de Gelegenheit zum Interview mit Herrn Irmer. Im Gespräch ging es unter anderem um die Bedeutung responsiver Panels und den Umgang mit Social Media in der Marktforschung.

marktforschung.de: Herr Irmer, wie ist Ihre Erwartungshaltung bezüglich der diesjährigen Research & Results Messe?

Christoph Irmer: Wir wollten dieses Jahr trotz Wirtschaftskrise ein Zeichen setzen und entsprechend groß und positiv auf der Research & Results auftreten. Unser Investment in einen größeren Stand, Messeparty und alles, was dazu gehört, hat sich bisher voll ausgezahlt und wir sind mit unserem Auftritt auf der für uns wichtigsten Präsentationsplattform vollauf zufrieden. Die Erwartungen waren, die bestehenden Kundenkontakte weiter zu pflegen und den einen oder anderen neuen Kontakt aufzubauen. Das gelingt uns zum jetzigen Stand definitiv und übertrifft sogar unsere Erwartungen.

marktforschung.de: Wo sehen Sie die derzeit größten Marktforschungstrends?

Christoph Irmer: Wenn ich für uns im Online-Bereich sprechen darf, sind es definitiv zum einen die Schritte hin zum Web 2.0 und zum anderen vor allem der Einsatz des Webs für die qualitative Forschung.

marktforschung.de: Sie halten hier einen Vortrag zur Bedeutung responsiver Panels und zu der sinkender Bereitschaft, an Online-Umfragen teilzunehmen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren, um Panelschwund entgegen zu wirken?

Christoph Irmer: Rückläufige Teilnahmebereitschaft, sowohl bei der Rekrutierung von Panel-Teilnehmern als auch auf Projektbasis sind meines Erachtens das Thema und sicherlich die größte Herausforderung ,vor der die Branche der Panelanbieter momentan steht. Was kann man tun, um Panelschwund entgegen zu wirken? Ich glaube, es lässt sich an drei ganz einfachen Sachen festmachen: Wertschätzung und Respekt den Probanden gegenüber, den Fokus wieder etwas mehr auf die Befragten legen, statt immer weiter zu einem "Daten- und Zahlenlieferanten" zu werden und Überdenken der Art und Weise, wie wir Online-Studien bisher durchführen. 

Auf diesen letzten Punkte würde ich auch gerne etwas genauer eingehen: Bisher werden Online-Studien in Panels sehr projektbezogen durchgeführt, d.h., ich spreche möglichst viele Menschen online oder offline in der Rekrutierung an und hoffe, möglichst viele dieser Leute davon überzeugen zu können, dass sie bei mir ins Panel kommen. Das bedeutet, ich habe eine Bittsteller-Funktion und sage: "Bitte, lieber Onliner, melde dich bei mir im Panel an." Diejenigen, die sich im Panel anmelden, gehe ich mit dem gleichen Ansinnen wiederum projektbezogen an und sage: "Lieber Teilnehmer, bitte nimm doch an dieser einen Umfrage teil."

Das Problem dabei: Aufgrund von Quoten und Screening-Kriterien haben wir heute im Online-Geschäft eine durchschnittliche Beendigungswahrscheinlichkeit bei den Leuten, die teilnehmen wollen, von ca. 20 Prozent. D.h., acht von zehn Leuten sagen wir, nachdem wir sie zweimal angebettelt haben: §Nee, du darfst gar nicht.§ Rein psychologisch ist dieser Effekt für den Probanden und damit auch für die Teilnahmebereitschaft natürlich fatal. Das ist der Punkt, wo wir glauben, ansetzen zu müssen.

Denn was passiert, wenn wir hier nicht ansetzen? Entweder der Proband sagt irgendwann: "Das ist mir zu dumm, da mach ich nicht mehr mit." Das bedeutet, ich muss oben immer wieder neue Probanden ins Panel rekrutieren, um die Panelgröße erhalten zu können, oder aber - und das wäre für die Aussagekraft der erhobenen Daten noch fataler – er ändert sein Antwortverhalten und versucht, dieses so anzupassen, dass er sich am Ende doch häufiger für Umfragen qualifizieren kann. Das ist sicherlich nicht im Interesse der Institute und Auftraggeber. Über diese Punkte müssen  wir uns in naher Zukunft Gedanken machen.

marktforschung.de:  Datenqualität, Repräsentativität – das sind Themen, bei denen Online-Marktforschung von dem ein oder anderen nach wie vor kritisch beäugt wird. Wie stehen Sie als Panelanbieter dazu?

Christoph Irmer: Zuerst einmal sehe ich diesen Punkt gar nicht mehr so kritisch wie noch vor einigen Jahren. Ein Großteil der Institute bzw. der Auftraggeber hat die Online-Forschung fest in seinem Methodenportfolio etabliert, und man ist sich größtenteils sehr klar über die Einsatzmöglichkeiten, aber auch über die Beschränkungen der Online-Forschung. Wer sich mit dieser Methode auseinandersetzt, weiß sehr schnell, in welchen Bereichen sie eingesetzt werden kann und dann auch ganz klare Vorteile gegenüber anderen Methoden mit sich bringt.

Als ODC Services haben wir uns von Anfang an sehr klar als Qualitätsanbieter definiert. Und ich denke, wir haben das auch sehr ordentlich umgesetzt. Qualität ist natürlich in gewisser Weise immer für den Kunden - das Institut oder den Auftraggeber im allgemeinen – schwer greifbar. Wann ist die Qualität eines Panels bzw. einer Online-Umfrage und der darin erhobenen Daten gut?

Wir können bei der Rekrutierung der Panelisten, mit unserer Panel-Pflege und im Projektmanagement die Grundlagen für gute Qualität schaffen. Wichtig ist hierbei, dass man Qualität nicht rein auf die Panelqualität beschränkt – was häufig sehr gerne gemacht wird -, sondern, dass ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird, welcher neben Panel-Qualität auch die Qualität der einzelnen im Panel durchgeführten Projekte berücksichtigt und auch im Kundenservice ein hohes Qualitätslevel sicherstellt. Außerdem setzen wir neben all den Aspekten, die im Panelmanagement eine Rolle spielen, sehr auf gut ausgebildetes und marktforschungserfahrenes Personal: die Mitarbeiter bei ODC haben fast alle einen akademischen Hintergrund als Soziologen, Psychologen oder Betriebswirtschaftler und berufliche Erfahrungen in der Marktforschung.

marktforschung.de: In der letzten Zeit ist ein klarer Trend Richtung Online-Marktforschung erkennbar gewesen. Marktforschung ohne Internet - ist das überhaupt noch denkbar?

Christoph Irmer: Nein. Ich denke sogar: ein ganz klares Nein. In der westlichen Welt gibt es eine Internetpenetration von 50-70 Prozent, in manchen Ländern sogar weit über 80 Prozent. Man kommt an dem Medium nicht mehr vorbei.

Ich will nicht sagen, dass das Internet das Non-plus-ultra ist und dass es ohne Online-Forschung keine Marktforschung mehr gäbe, jedoch kann es sich heute kein guter Marktforscher mehr erlauben, das Internet aus seinem Methoden-Mix rauszuhalten.

marktforschung.de: Sie sagten bereits, dass Marktforschung im Web 2.0 aus Ihrer Sicht zu den derzeitigen Trendthemen gehört. Wie beurteilen Sie die Relevanz von "Social Media" für die Marktforschung?

Christoph Irmer: Das ist eine sehr gute, aber schwierige Frage. Die Relevanz ist gemessen an den Umsätzen, die in der Marktforschung derzeit gemacht werden, noch sehr gering, wird aber deutlich steigen und immer wichtiger werden, weil wir proaktives Consumer Feedback oder Consumer Engagement einfach nicht außer Acht lassen dürfen. Es wird für die Marktforscher immer mehr an Bedeutung gewinnen. Ich sehe darüber hinaus viele Möglichkeiten, das Thema Internet mehr und mehr in der qualitativen Forschung zu verankern. Auch dort wird die Wichtigkeit des Web 2.0 mit Sicherheit steigen.

marktforschung.de: Hat die Marktforschung hier noch Nachholbedarf?

Christoph Irmer: Ich sehe den Nachholbedarf auf allen Seiten. Bei denjenigen, die an Marktforschung interessiert sind, und denjenigen, die daran interessiert sind, das Feedback und die Dynamik, die uns das Web 2.0 bietet, auch für sich selbst gewinnbringend einzusetzen. Da haben vor allem die großen Unternehmen noch einen sehr hohen Nachholbedarf und müssen lernen, wie das Web 2.0 so eingesetzt werden kann, dass es gewinnbringend ist, und einem nicht um die Ohren fliegt, weil in der Unternehmenskommunikation damit falsch umgegangen wurde.

Wir sehen aber auch die Institute und uns als Panelanbieter in der Pflicht, noch viel mehr darüber zu lernen und Erfahrungen zu sammeln, wie das Web 2.0 für uns von Nutzen sein kann – einerseits in unserer eigenen Kommunikation und Kundengewinnung und andererseits vor allem im Einsatz für Marktforschung.  Dies ist eine der großen Herausforderungen unserer Zukunft.

marktforschung.de: Herr Irmer, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

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