Selina Sander und Sabrina Ruh, smart insights Chancen und Hürden qualitativer Forschung mit Älteren

Digitale Medien sind für ältere Menschen oft noch Neuland. Dies kann zu einigen Hürden in der Online-Marktforschung führen. (Bild: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke)
Sie und unsere Gesellschaft werden immer älter. Unter „älter“ verstehen wir in unserem Beitrag Menschen, die 65 Jahre oder älter sind. Diese Überalterung wird noch stärker zunehmen und da die Gruppe der älteren Menschen immer größer wird, verbirgt sich hinter ihnen auch ein steigendes Absatzpotenzial. Daher wird es auch in Marktforschungsstudien immer dringender, die Zielgruppe der älteren Teilnehmenden zu berücksichtigen. In der qualitativen Online-Forschung ergeben sich daher Altersspezifika in der Studiendurchführung. Selina Sander und Sabrina Ruh von der smart insights GmbH geben einen Einblick in ihre Durchführung von qualitativen Online-Studien mit älteren Zielgruppen.
Hat Omi wieder das Internet gelöscht?
Auch wenn die Nutzung des Internets durch ältere Menschen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zunimmt, bleibt die (halb-)öffentliche digitale Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen bei ihnen eher die Ausnahme und das Teilen von Meinungen und Inhalten konzentriert sich in vielen Fällen nahezu ausschließlich auf (Familien-)WhatsApp-Gruppen. In der Durchführung von Online-Fokusgruppen oder Tiefeninterviews können wir daher verschiedene Auswirkungen dieses ungeübten Umgangs mit digitalen Medien beobachten.
Sehen wir dem Grauen Star ins Auge?!
Die größte Herausforderung für ältere Teilnehmende und Marktforschende liegt in der fehlenden Routine der Geräte- und Medien-Nutzung. Schon bei der Einwahl in den digitalen Diskussionsraum sind es eher die Älteren, die länger brauchen, um Ton und Kamera startklar zu machen. Aufgrund von fehlender Erfahrung und seltener Nutzung sind sie oft auch langsamer, wenn es darum geht, im Online-Diskussionsraum das Chat-Fenster zu finden oder ein Handzeichen zu geben. Dadurch gerät der flüssige Ablauf für alle Teilnehmenden ins Stocken.
Mit zunehmenden Funktionseinschränkungen des Gehörs fällt es älteren Teilnehmenden teilweise außerdem schwerer, sich online in einer größeren Gruppe einzubringen, in der teilweise mehrere Menschen auf einmal beginnen zu reden und die Akustik nicht immer optimal ist. Aufgrund eines häufig verminderten Sehvermögens werden die Mimik und Gestik anderer Teilnehmenden digital schwerer erkannt als in einem Teststudio. Diese altersbedingten physischen Einschränkungen schlagen sich in (Online-)Fokusgruppen mehr durch als in digitalen Einzelinterviews.
Auch unabhängig von der Online-Durchführung können wir feststellen, dass aufgrund von abnehmenden kognitiven Fähigkeiten im Alter manche Fragestellungen oder Aufgaben nicht so schnell verstanden werden. Zusammenhänge werden erst etwas später erkannt und die Bildung der eigenen Meinung dauert oft etwas länger, sodass andere Teilnehmende ihnen zuvorkommen und Wortmeldungen dann ganz ausbleiben.
In der Ruhe liegt die Kraft
In der Durchführung von (Online-)Fokusgruppen bemerken wir aber auch, dass gerade ältere Teilnehmende besonders aufmerksam sind und sich viel Mühe geben, einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Sie sind gute Gesprächspartner, denn die tendenziell seltenere Einladung zu Marktforschungsstudien führt dazu, dass sie neugierig zuhören und sich begeistert in ein Thema hineindenken. Dies führt zu einer hohen Datenqualität in dieser Altersgruppe.
Blicken wir in die Zukunft, zeigt sich, dass die heute 50-Jährigen, die in ein paar Jahren die Zielgruppe der Alten abbilden, mit der Technik wachsen. Es sind Menschen, die heute schon, im beruflichen wie auch privaten Alltag, digitale Technologien vermehrt nutzen, über diese interagieren und kommunizieren. Die strukturellen Merkmale verändern sich demnach zugunsten der Durchführung von qualitativer Online-Forschung.
Was können wir als Marktforschende tun, um aktuell sowie in Zukunft gute qualitative (Online-)Marktforschung mit älteren Teilnehmenden zu gewährleisten?
Unsere Erfahrung zeigt, dass gerade online in Einzelinterviews bessere Insights generiert werden können als in Fokusgruppen. Es bleibt mehr Zeit, um auf die einzelne ältere Person einzugehen und eventuelle technische Schwierigkeiten zu lösen. Bei Fokusgruppen haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, altersspezifische Gruppen zu bilden, um den jeweiligen Gruppenanforderungen besser begegnen zu können, auch wenn dies natürlich nicht bei jedem Thema funktioniert.
Eine der Kernaufgaben liegt in der Moderation. Es ist die Aufgabe des Moderierenden, die Diskussion mit allen Teilnehmenden zu lenken und die richtigen Fragen zu stellen, sodass niemand benachteiligt wird oder einen zu geringen Redeanteil bekommt, nur weil er oder sie nicht schnell genug war. Bei uns bewährt sich zudem ein gutes Backoffice. Im Falle von technischen Schwierigkeiten steht dieses unterstützend zur Seite und gibt Teilnehmenden (telefonisch oder per individuellem Chat) Hilfestellungen. Auf diese Weise wird die Gruppendiskussion nicht aufgehalten und andere Teilnehmende werden nicht im Denk- und Redefluss unterbrochen.
Fazit
Marktforschende müssen einen Weg finden, mit den spezifischen Anforderungen älterer Teilnehmenden umzugehen. Vor allem die physischen und kognitiven Veränderungen des Alterns werden auch in Zukunft eine Hürde bleiben. Auch wenn die neue Generation älterer Menschen mit der Technik wächst, so wird es immer wieder technischen Fortschritt geben, der die jeweilige Generation vor neue Herausforderungen stellt.
Mit den richtigen (Moderations-)Methoden können wir heute und in Zukunft auch den älteren Teilnehmenden unserer Marktforschungsprojekte gerecht werden. Daher können wir festhalten, dass es auch heute schon eher eine Frage des Studienthemas ist, ob die Fokusgruppe oder das Tiefeninterview online oder offline durchgeführt werden sollte und weniger das Alter dies bestimmt.
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