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Wahltrend | heute von Rainer Faus, pollytix strategic research "CDU/CSU und noch mehr die SPD haben deutlich an Stimmenanteilen verloren."

marktforschung.de: Herr Faus, Sie schreiben zukünftig monatlich eine Kolumne bei marktforschung.de über die unterschiedlichen Sonntagsfragen der Wahlforscher, die ihr mit dem pollytix-Wahltrend sammelt: Ist da aktuell, ca. 1,5 Jahre vor der nächsten Bundestagswahl, überhaupt schon Bewegung drin? Was sehen Sie aktuell in den Zahlen?
Rainer Faus: Da ist schon einiges an Bewegung drin: Die Grünen haben sich ja seit der Bundestagswahl 2017 in den Umfragen zwischenzeitlich fast verdreifacht, CDU/CSU und noch mehr die SPD haben deutlich an Stimmenanteilen verloren. Ich sehe daher auf jeden Fall eine hohe Volatilität, aber auch, vor allem wenn man in den Zeitraum vor 2017 schaut, dass es sehr schnell auf- und abwärts gehen kann. Die Grünen waren ja nach dem Reaktorunfall in Fukushima schonmal auf dem Niveau von heute, hat diese Potentiale aber bei einer Bundestagswahl nie realisieren können, und die SPD war Anfang 2017 fast auf Augenhöhe mit der CDU/CSU.
marktforschung.de: Woran erkennen Sie in den Zahlen Trends? Wie frühzeitig kann man Trends kommen sehen?
Rainer Faus: Als prognostisches Tool ist der pollytix-Wahltrend eigentlich nicht angelegt, er hat ja auch durch das Design einen kleinen Delay eingebaut. Es lässt sich allerdings deutlich erkennen, wenn es eigentlich keinen Trend gibt, was oft der Fall ist. Wenn also in der einen Zeitung steht, ‚die Grünen stürzen ab‘ und in der anderen steht ‚die Grünen mit neuem Rekordwert‘, lohnt sich ein Blick auf den Wahltrend, um zu sehen, dass es nichts zu sehen gibt. Der Wahltrend filtert hier also das Rauschen raus, trennt "Rauschen" von echten Trends und das war auch die Idee, als wir ihn 2012 als ersten Poll-Aggregator in Deutschland entwickelt habe. Trends zu erkennen, bevor sie auftauchen ist eine andere Aufgabenstellung, das machen wir bei pollytix natürlich auch, erheben hierfür aber andere Daten.
marktforschung.de: Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Sonntagsfragen oder schreiben die nicht ohnehin alle voneinander ab?
Rainer Faus: Klar gibt es Unterschiede, die zum Teil am Erhebungsmodus liegen können, zum Teil an der genauen Fragestellung. Entscheidend ist aber auch, wie die Daten nach Erhebung behandelt werden: Sind sie ‚politisch‘ gewichtet oder lediglich demografisch, sind es politische Stimmungen oder sind sie schon geglättet? Das ist leider nicht immer erkennbar.
marktforschung.de: Gibt es Unterschiede in der Operationalisierung der Sonntagsfrage zwischen den Instituten? Ist das bei allen Instituten transparent?
Rainer Faus: Die Erhebungsmodi unterscheiden sich, die genauen Fragetexte natürlich auch. Viel wichtiger ist aber, wie eben schon erwähnt, was mit den dann erhobenen Daten passiert. Wie wird gewichtet, welche Modelle werden für Projektionen gerechnet und auf welcher Basis wird entschieden, welche Zahlen veröffentlich werden? Das ist leider nicht transparent und hier spielt auch das berühmte cui bono – wem nützt es – eine Rolle: Da man heutzutage weiß, dass das vielbeschworene Momentum in Wahlkämpfen eine entscheidende Rolle spielt, haben Demoskopen hier eine nicht zu unterschätzende Macht zu entscheiden, welche Zahlen den Meinungsmarkt beeinflussen. Und dann wird es meiner Meinung nach schwierig, wenn dieselbe Person aktuelle Daten und Themen einerseits parteiintern für strategische Zwecke analysiert, andererseits aber gleichzeitig als "objektive Beschreibung der Realität" z.B. im öffentlich-rechtlichen Fernsehen präsentiert. Das ist eindeutig ein Interessenskonflikt.
marktforschung.de: Gibt es neben den klassischen Sonntagsfragen, bei denen eine repräsentative Stichprobe von Wählern befragt wird, auch weitere Prognose-Methoden für den Wahlausgang bei denen Sie Potenzial sehen?
Rainer Faus: Also zum einen lassen sich über repräsentative Befragungen Potentialanalysen erstellen, die zeigen, in welchem Korridor sich Parteien wahrscheinlich aufhalten. Hier zeigen sich vor allem innerhalb der Lager große Austauschpotentiale, während die Anteile der Lager selbst deutlich stabiler sind. Als alternative Methode haben sich vor allem im angelsächsischen Raum Wettbörsen etabliert, bei denen User ähnlich einem Aktienmarkt Parteien wie Aktien handeln können und so deren ‚Kurs‘ festlegen, zum Teil mit recht akkuraten Ergebnissen.
marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Faus.
Rainer Faus ist Diplom-Sozialwissenschaftler und Co-Gründer sowie geschäftsführender Gesellschafter der pollytix strategic research gmbh in Berlin, einer Agentur für Meinungsforschung und forschungsbasierte Beratung an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft & Gesellschaft. In den letzten 15 Jahren hat er an mehr als 40 Wahlkämpfen auf kommunaler, Landes und Bundesebene in Europa, Asien und Australien gearbeitet.
hg
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