Markus Küppers, september Strategie und Forschung Can’t fight this feeling - Wie Emotionsforschung unterbewusste Wahrnehmung entschlüsselt

Rationale Entscheidungen? Möglich, dass es so etwas gibt. Mit alltäglichem Kaufverhalten haben sie jedoch wenig zu tun. Auch wenn es viele Verbraucher nicht wahrhaben wollen: Im Reich der Konsumentscheidungen herrschen und regieren Emotion und Intuition. Beim Versuch, diese zu erfassen, scheitern herkömmliche Methoden zur Erschließung von Werbewirkung. Die moderne Emotionsforschung kennt bereits Antworten, um die Sprache der impliziten Prozesse greifbar und somit für Marketer nutzbar zu machen.

Markus Küppers, ©september Strategie und Forschung

Markus Küppers, ©september Strategie und Forschung

Woran liegt es, dass Werbespots im Gedächtnis bleiben? Warum verursachen einige Gelächter oder stimmen andere sentimental? Die Antwort ist so banal wie vielschichtig: Es geht um bleibende emotionale Eindrücke – schwieriges Terrain, mit anspruchsvollem Publikum.Viele Anzeigen und Spots versuchen nach der Trial-and-Error-Methode gefühlsbetont zu sein und ihren Betrachtern offensichtliche Reaktionen, wie etwa ein Lächeln, abzuringen. Doch selbst ohne sichtbare Mimik finden beim Betrachter sehr komplexe Rezeptionsprozesse statt, die detaillierte Aufschlüsse über die Kampagnenwirkung geben. An die heranzukommen stellt allerdings eine große Herausforderung dar, denn es geht um das Verborgene, dessen sich der Verbraucher oft selbst nicht bewusst ist und zu dem er keinen rationalen Zugang findet. Auf der anderen Seite bedeutet das für Spots und Kampagnen auch, dass eine zielgerichtete Ansprache – adressiert an die unbewusste Ebene im Konsumenten und damit an sein tiefstes Inneres – erfolgsentscheidend ist. Und damit nicht genug:

Eine gelungene Ansprache braucht auch eine klare Vorstellung davon, welche Trigger zur Marke und zum Kampagnenziel passen. Um Konsumenten also wirklich in ihrem Unterbewusstsein zu berühren, müssen Marketer verstehen, wie Emotionen funktionieren.

Fakten schaffen

Emotionale Reaktionen wirken sich gleichzeitig auf den Blutdruck, das Schwitzen, die Mimik sowie viele weitere physiologische Vorgänge aus – körperliche Auswirkungen, die sich messen lassen. Um sich den impliziten psychischen Prozessen, die bei der Wahrnehmung von Werbung oder bei Kaufentscheidungen ablaufen, zu nähern, braucht es jedoch einen Ansatz, der der emotionalen Komplexität gerecht wird. So erfasst und betrachtet eine von september Strategie & Forschung entwickelte Methode implizite und psychologische Geschehnisse im Zusammenspiel, um die erhaltenen Daten in ein übersichtliches Gesamtbild aller körperlichen Reaktionen zu übersetzen. Grundlage hierfür bildet das Erfassen von bis zu 20 verschiedenen Aktivitäten, die mithilfe kleiner auf der Haut des Probanden angebrachter Elektroden gemessen werden. Zwei wichtige Größen bilden zum Beispiel Hautleitfähigkeit und Puls. Erhöht sich etwa bei Aufregung oder Stress die Schweißproduktion, verändert sich die Leitfähigkeit der Haut. Dieses sogenannte emotionale Schwitzen lässt sich zum Beispiel an den Handflächen messen, da hier besonders viele Drüsen sitzen.

Starke Emotionen lassen außerdem das Herz im wahrsten Sinne des Wortes höherschlagen. So ermittelt ein EKG bei der Wahrnehmung eines Spots Veränderungen in der Häufigkeit und Ausprägung der Herzschläge, die Rückschlüsse auf psychologische Prozesse zulassen.

Löst zum Beispiel ein TV-Commercial Vertrauen aus, führt das zu einer kurzzeitigen Senkung der Herzfrequenz und ungleichmäßigen Abständen zwischen den einzelnen Schlägen. Verspürt der Betrachter hingegen emotionale Belastung, äußert sich das durch einen gleichmäßig rasenden Puls. Auch die Stärke der Durchblutung lässt sich mit einem optischen Sensor erfassen. Ein schwankendes Pulsvolumen gibt Aufschluss über emotionale Begeisterung oder auch Abschreckung. Hautleitfähigkeit und Puls stellen somit wichtige Indikatoren dar, um die Erregung eines Probanden zu untersuchen. Um eindeutige und spezifische Rückschlüsse auf eine Werbewirkung zu ziehen, genügen sie jedoch nicht. Denn: Sowohl Ekel als auch Begeisterung wirken stark aktivierend. Um also nicht nur Arousal zu erfassen, sondern eine Emotion tatsächlich zu messen, braucht es weitere wichtige Daten.

Blick hinter die Fassade

Gefühle anhand eines Gesichtsausdruckes zu deuten, gelingt im Alltag relativ zuverlässig, denn die Mimik verrät in den meisten Fällen, ob ein Gegenüber traurig, amüsiert oder zornig ist.

In der Werbewirkungsforschung bleiben solche Beobachtungen meist ergebnislos, da Online-Banner, Radio-Spots und Co. kaum sichtbare Reaktionen hervorrufen. Also bedient sich die Emotionsmessung der unsichtbaren Mikroexpressionen – genauer den elektrischen Potenzialen im Gesichtsmuskel – um Aufschluss über die impliziten psychologischen Prozesse zu erhalten.

Diese spiegeln Effekte wider, die sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle abspielen. Sensoren erfassen bereits geringste elektrische Spannungsveränderungen der Gesichtsmuskeln und liefern so die Basis, um die Richtung (Valenz) einer emotionalen Reaktion einzuordnen. So kann erfasst werden, wenn ein Packshot den inneren Stirnrunzler aktiviert, ein Testimonial ein unterbewusstes Naserümpfen hervorruft oder eine Aussage den Lächelmuskel im Verborgenen anspringen lässt.

Emotionale Sprache übersetzen

Welche Emotionen sind nun aber entscheidend, um Aussagen über die Wirkung eines Spots zu treffen? Aus dem Bereich der klinischen Psychologie stammt das allgemein bekannte Konzept der Basisemotionen nach Paul Ekman. Für die Marktforschung erweisen die sich jedoch als wenig zielführend. Schließlich stellen die darin berücksichtigten Gefühle Wut, Angst oder Ekel keine angestrebten Gefühle in der Werbung dar und auch die positiven Basisemotionen sind schlichtweg zu unspezifisch. Daher leitete september auf der Basis vieler Tausender erhobener Daten aus Werbemittel-, Produkt- und Markentests sowie diverser Grundlagenstudien aus der Biopsychologie und Neurologie ein präzise differenziertes und verifiziertes Emotionsspektrum aus sieben sogenannten emotionalen KPI (Key Performance Indicators) ab – Vertrauen, Attraktion, Nähe, Sympathie, Relevanz, Skepsis und Stress. Wichtig hierbei: Emotionen sind eine Mischung aus verschiedenen Prozessen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt parallel ablaufen – und zwar schon von Sekunde eins an.

In der Emotionsmessung wird dabei die gesamte Bandbreite psychologischer Reaktionen analysiert und abhängig von der jeweiligen Fragestellung ausgewertet. Denn: Welche Dramaturgie sich als ideal erweist, hängt von der jeweiligen Situation ab.

So genießt der Kollege zum Beispiel das Vertrauen seines Teams und ist Sympathieträger, der keinen Stress auslöst – perfekte Voraussetzungen für ein harmonisches Miteinander im Arbeitsalltag. Das bedeutet jedoch nicht, dass er auch die erste Wahl für ein Feierabendbier wäre, denn hier sind Attraktion und emotionale Nähe entscheidend. Auch wenn die Facetten emotionaler Prozesse so unterschiedlich und vielschichtig sind, widersprechen sie sich nicht. Sie verlaufen blitzschnell, spontan und einmalig.

Das bedeutet gerade im Konsumalltag: Der erste Eindruck ist in jeder Situation der entscheidende. Wer sich also spontan dazu entschließt, mit einem Arbeitskollegen ein Bier trinken zu gehen, überprüft dabei nicht die Grundannahmen zu dieser Person.

Wie groß das Vertrauen, die Nähe oder Skepsis gegenüber dem Teammitglied sind, spielt für die aktuelle Situation kaum eine Rolle. Die Kenntnisse über emotionale KPI ermöglichen es, im Rahmen der Methode spezifische emotionale Muster zu erkennen.

Beispiele für die psychophysiologischen Muster der emotionalen KPI:

Attraktion – annähernde körperliche Aktivierung: hohes Pulsvolumen, positive Mimik, emotionales Schwitzen (Hautleitwert) ©september

Vertrauen – körperliche Annäherungsreaktion: langsamer Herzschlag, langsame Hirnströme, hohes Pulsvolumen, positive Mimik ©september

Skepsis – ablehnende körperliche Aktivierung: schneller Herzschlag, negative Mimik, schnelle Hirnwellen ©september

W wie Wirkung

Anhand der psychophysiologischen Messungen gelingt es also, ein klares Bild der emotionalen Reaktionen einer Testperson zu erzeugen. Sie veranschaulichen, welche Elemente eines Werbemittels oder Konzepttextes Nähe schaffen, Sympathie erzeugen oder welche Stress und Skepsis hervorrufen. Unbeantwortet bleibt damit allerdings die zentrale Frage nach dem Warum.

Weshalb empfindet der Proband in dieser Situation genauso? Was geschieht in seinem Unterbewusstsein, das seinen Körper auf diese bestimmte Art und Weise reagieren lässt?

Um sich Zugang zur Story hinter einer Emotion zu verschaffen, setzt das von september entwickelte Tool auf begleitende tiefenpsychologische Interviews mit der Testperson. Diese Gespräche bringen die inneren Konflikte der Probanden ans Licht und machen die seelischen inneren Storys der Konsumenten greifbar, indem sie die Gründe hinterfragen, aus denen bei der Testperson bestimmte implizite Reaktionen ausgelöst wurden. Anhand der vorliegenden Ergebnisse wird die emotionale Dramaturgie, beispielsweise eines TV-Spots, greifbar. Daran lassen sich schließlich nicht nur Aussagen über die Wirkung allgemein treffen, sondern auch negative Wendepunkte in der Rezeption aufdecken – und zwar sekundengenau und so präzise, dass konkrete Handlungsvorschläge möglich sind. Mithilfe der so gewonnenen Erkenntnisse lässt sich die unterbewusste Wahrnehmung einer Werbekampagne lenken. Gemeinsam mit dem Marketer können an diesem Punkt zielgerichtete Optimierungen am Slot vorgenommen werden, um das Vorhaben der idealen Wahrnehmung ihrer Marke oder Kampagne zu erreichen und dafür zu sorgen, dass sie zukünftig Teil des Relevant Set der Konsumenten wird beziehungsweise bleibt.

Der Autor

Markus Küppers ist Geschäftsführer der september Strategie & Forschung GmbH. Der gelernte Diplom-Kaufmann blickt auf 20 Jahre Erfahrung im Agentur- und Marktforschungsumfeld zurück.

 

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