Rückblick succeet22 Buntes Vortragsprogramm: Vom Datendschungel in den Maschinenraum der Online-Forschung

Von CX Management über KI in der Marktforschung bis hin zu Führungskräfteentwicklung und dem Einstieg in die Insights-Industrie – die Bandbreite der Themen im Rahmenprogramm der succeet22 war groß. Marktforschung.de hat einige der Vorträge besucht und fasst die wichtigsten Thesen und Inhalte zusammen.

Dr. Parves Khan, Generaldirektorin und CEO von ESOMAR (2.v.l.), erläuterte im Vortragsprogramm mit Blick auf die zukünfitgen Anforderungen an Insights Manager die Frage "Why You Need An Insight Alchemist In Your Company". Im Bild zusammen mit Heinrich Fischer (li.), Managing Partner der succeet GmbH, Wiepke van der Wal, ESOMAR-Repräsentantin für die Niederlande und Holger Geißler, Geschäftsführer bei marktforschung.de sowie Managing Director der succeet GmbH.

Im ersten Teil unseres Messerückblicks "Das war der erste Tag auf der succeet" wurde bereits deutlich, wie zufrieden Veranstalter und Aussteller mit dem Besucherzuspruch und dem Konzept der succeet22 waren. Auch am zweiten Messetag konnten sich die Anbieter von Marktforschungsdienstleistungen über viele gute Gespräche an ihren Ständen freuen. Der Branchentreff der Insights-Industrie bot den Besuchenden darüber hinaus an beiden Tagen ein reichhaltiges Vortragsprogramm – von eigenen Themen-Specials zu Customer Experience (CX) und Recruiting über die Start-up Area, in denen Branchenneulinge ihre innovativen Ansätze vorstellten, bis hin zur Vorstellung konkreter Lösungsansätze und anregenden Ausblicken auf die zukünftige Entwicklung der Mafo-Branche. Hier im Zeitraffer ein Rückblick auf ausgewählte Vorträge und Diskussionsrunden.

Orientierung im Dschungel des CX Managements

Beim CX-Management können sich Unternehmen schon einmal im Dickicht verlaufen. In seiner Masterclass „Insights im Datendschungel: Die lange Reise zur Customer Journey“ lieferte Dr. Jan-Carsten Jüchtern, Gründer und Geschäftsführer von artilytics, seinen Zuhörern ein paar Landmarken für die Steuerung ebendieser. Seine Grundthese: Jeder Versuch der Messung – etwa der Kundenwahrnehmung - könne nur eine Annäherung sein, da in der Regel nur ein Teilaspekt betrachtet werde. Weitere Herausforderung:

„Es gibt nicht eine Customer Journey, es gibt hunderte.“

Als Tool, das diesem Umstand Rechnung trägt, stellte er den „Health Index“ vor, der die vier Aspekte Kundenerfolg, Kundenwahrnehmung, Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit in den Blick nimmt.

SWR NEWSZONE: Mit Design Thinking und Mafo zur neuen App

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat aktuell bei vielen Bundesbürgern einen schweren Stand. Luxus in Chefetagen, der Vorwurf politisch gefärbter und der Lebensrealität entrückter Berichterstattung und die Einflussnahme auf Berichte in einigen ARD-Anstalten setzen dem Image zu. Dass es abseits dieser Debatten einen an Zielgruppen ausgerichteten ÖRR gibt, machte das Praxisbeispiel „Die SWR NEWSZONE – Mit Design Thinking und Marktforschung zum innovativen Medienangebot“ deutlich. Kerstin Klär, Managing Director von Q | Agentur für Forschung, zeigte dabei auf, wie eine speziell auf bildungsferne Teile der Generation Z ausgerichtete Nachrichten-App entwickelt wurde. Ihre Beobachtung:

„Oft werden Produkte erst entwickelt und dann in die Marktforschung gegeben.“

Das habe man bei der Entwicklung der SWR NEWSZONE, die im März 2022 gelauncht wurde, anders gemacht. In die monatlichen, fünftägigen Design-Sprints wurden daher ein interdisziplinäres Team bestehend aus Redakteuren, Mediengestaltern und Sponsoren aus dem Vorstand ebenso eingebunden wie zehn junge Menschen aus der Zielgruppe. Gleichzeitig wurden Sekundärdaten aus der Medienforschung mit Ergebnissen aus adhoc-Umfragen kombiniert.

Marktforschung effizient im Unternehmen verbreiten

Aus Sicht sowohl der Instituts- als auch betrieblichen Marktforschung kommt es häufig vor, dass zwar entscheidungsrelevante Insights produziert, aber nicht ausreichend im betreffenden Unternehmen transportiert werden. Wie das besser gelingt, beschrieb Alexander Skorka, Consultant bei DataExpert, unter dem Titel „Von der Kaffeeküche bis zur Vorstandsetage: Wie man Marktforschungsdaten erfolgreich in die gesamte Organisation einbindet.“ Von der Auswahl der richtigen Technologien bis hin zu Design-Fragen bei der Datenvisualisierung und der richtigen Implementierung - vier Eckpfeiler einer erfolgreichen Kommunikation von Insights stellte er dabei besonders heraus:

  • Nutzen Sie die BI-Plattform, die das Unternehmen bereits verwendet
  • Definieren Sie unternehmensweite Style-Guides
  • Gestalten Sie erlebnisorientierte Dialoge
  • Entwickeln Sie eine echte Management-App

Bezogen auf die Umsetzung dieser Empfehlungen ist Skorka überzeugt:

„Jedes Unternehmen definiert Erfolg anders.“

Darin liegen aus seiner Sicht in diesem Kontext auch die Grenzen von DIY Tools. DataExpert liefert daher eine customizing-fähige Lösung inklusive Dashboard, die einen einheitlichen unternehmensweiten Zugriff auf Mafo-Daten ermöglicht.

Preisanpassungen in Zeiten der Inflation

Erhöhte Preise für Energie, Rohstoffe und Transport stellen viele Unternehmen vor die Frage, inwiefern diese Kosten an Kunden weitergegeben werden müssen. In seinem Vortrag „Wie gelingen inflationsbedingte Preisanpassungen?“ beschrieb Dr. Orhan Kocyigit, Joint Head of Research von Harris Interactive / Toluna, angesichts dieser Situation „zwei Wege, beide zwischen Regen und Traufe“: Eine Preiserhöhung oder das als „Shrinkflation“ bezeichnete Senken von Menge, Qualität oder Service. Hinsichtlich der Planung einer Preisanpassung, die Kocyigit vorzieht, gelte insbesondere: „Werttreiber erhöhen die Akzeptanz.“ Bei Süßigkeiten sind dies bspw. Form, Geschmack oder Verpackung, bei Waschmaschinen u.a. Wasser-/Energieverbrauch oder Füllmenge. Es gelte jeweils im Rahmen einer „Value Driver Analysis“, die Zahlungsbereitschaft je Merkmal zu ermitteln. Zudem beschrieb Kocyigit vier Klassen von Konsumenten, die auf verschiedenen Vertriebskanälen unterschiedlich repräsentiert sind:

  • Wohlhabende, die Preisanpassungen problemlos verschmerzen,
  • Resignierte, die Preisanpassungen ignorieren,
  • Zurückgelassene, die aus Sparzwang sofort reagieren (müssen) und
  • Kämpfende, die nicht sofort auf andere Produkte zurückgreifen, aber sich Optionen zurechtlegen.

Beispielrechnungen zeigten, wie je nach Kanal Preisanpassungen gelingen, ohne das Geschäftsmodell zu gefährden, oder wo beispielsweise ein günstigeres Produkt angeboten werden sollte.

Warum Frauen die Welt retten werden

Um Diversity und Nachhaltigkeit ging es bei Ines Imdahl, Geschäftsführerin bei rheingold salon. Sie stellte zentrale Thesen aus ihrem mit Co-Autorin Janine Steeger geschriebenen Buch „Warum Frauen die Welt retten werden… und Männer dabei unerlässlich sind“ vor. Anhand von eigenen Befragungen, aber auch Studien von McKinsey oder Boston Consulting Group, legte Imdahl das „Say-do-Gap“ in Führungsetagen bezogen auf Frauenförderung ebenso offen wie die Tatsache, dass als typisch weiblich geltende Eigenschaften immer noch hinderlich bei der Karriere sind. Imdahls Ansatz für mehr Frauen auf Führungspositionen: Vermeintliche Schwächen von Frauen zu Stärken machen. „Um-begeistern“, wie sie es nennt. Denn:

„Frauen wollen schon Karriere machen – aber nicht so wie Männer oder Frauen, die sich verhalten wie Männer.“

Künstliches Auge: KI hilft beim Verpackungs-Design

Je nach Kategorie werden 50 bis 80 Prozent aller Kaufentscheidungen am Regal getroffen. Vor diesem Hintergrund stellte Christian Dössel, Senior Vice President bei Behaviorally, eine spezifische Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der Verpackungsforschung vor. Er beschrieb, wie sein Unternehmen die KI "Flash.AI" entlang des 4G-Konzeptes (Gesehen, Gefunden, Gefallen, Gekauft) so trainierte, dass sie Kunden im Sinne eines Early-Stage-Einsatzes dabei unterstützt, auf Visibility optimierte Verpackungen für unterschiedliche Produkte vorauszuwählen.

„Die KI schaut dabei auf Designs wie ein Mensch. Sie ist beispielsweise auch sensitiv für Verwirrung des Kunden durch zu radikales Re-Design“,

so Dössel. Eine weitere KI-Lösung von Behaviorally kann im Bereich des E-Commerce helfen zu entscheiden, welche Bilder sich eignen, um ein besseres Klickverhalten oder In-den-Warenkorb-legen zu erzielen. Was sie laut Dössel beispielsweise nicht wie ein Mensch kann: Den Hintergrund von strategischen Entscheidungen etwa hinsichtlich der Verjüngung der Zielgruppe oder mehr Nachhaltigkeit einbeziehen.  

Im Maschinenraum für Online-Befragungen

Einen Blick in den „Maschinenraum eines Online-Instituts“ und eine „praxisbezogene Einführung in die Grundbegriffe der Online-Forschung“ lieferte Herbert Höckel. Der Managing Director von moweb research erinnerte die Messebesucher im Sinne einer korrekten Durchführung an die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität und verwies auf die Transparenzkriterien des ADM. Zu beachten seien zudem bestimmte Präferenzen von Studienteilnehmenden: Die Mehrheit möchte nicht mehr als fünf bis zehn Minuten mit dem Ausfüllen eines Fragebogens verbringen und 60 Prozent wollen am liebsten mobil teilnehmen – letzteres stelle eigene Anforderungen an die Konzeption von Fragebögen (Bsp.: besser Einzelstatements als skalenbasierte Fragebatterien) und Usability (Bsp.: große Buttons). Höckel ging zudem auf verbreitete Biases wie den Non-Response-Bias (Bsp.: unzufriedene Kunden antworten oft nicht) und mögliche Verzerrungen durch den verbreiteten Einsatz von Survey Routern bei der Auswahl von Panelisten ein:

„Teilweise wird soziodemografisch eine Repräsentativität vorgegaukelt, die emotional nicht besteht.“

Auch erläuterte er, wie man beim Data-Cleaning unterwünschte Teilnehmer wie Speeder, Straightliner und Fake-Profile erkennt und aussortiert.

Recruiting: Young Professionals geben Tipps für Studierende

Wie gelingt der Einstieg in die Insights-Industrie? Dieser Frage ging Moderator Keno Henk, Werkstudent bei marktforschung.de, gemeinsam mit vier weiteren Young Professionals nach: Clara Brilmayer (Heute & Morgen), Julia Römischer (DEVK Versicherungen), Jana Gagem (Manufacts) und Christoph Schreiber (Mercedes-Benz AG) gaben dem überwiegend jungen Publikum ihre Erfahrungen bezogen auf ihren Berufseinstieg wieder. Keno Henk fragte unter anderem nach der Einschätzung des aktuellen Arbeitsmarktes in der Insights-Industrie. Vorherrschender Eindruck: Zwar werden händeringend Mitarbeitende gesucht – allerdings eher Senior-Profile und weniger Berufsanfänger. Was ist schon während des Studiums zu beachten, um die eigenen Chancen zu erhöhen?

Einig waren sich die Panelisten darin, dass die strategische Wahl des Abschlussarbeitsthemas weniger wichtig sei als intensive Beschäftigung mit einem Gegenstand, der einen interessiert.

Am Ende des Studiums lieber eine gute Note anstreben oder parallel zur Master-Thesis Praxiserfahrung sammeln? Die Diskutanten befürworteten letzteres – dies biete nicht zuletzt spannende Anknüpfungspunkte für das Vorstellungsgespräch und die Anfangsphase im neuen Job. An Personalverantwortliche gerichtet kam schließlich der Appell, den Bewerbungsprozess möglichst unkompliziert zu gestalten – auch seien manche Karriereseiten optimierungsbedürftig.

Last not least stellte Keno Henk auch die Frage nach den Quellen, bei denen Nachwuchskräfte nach Stellenanzeigen oder Orientierung suchen: Hier wurde neben marktforschung.de, Stepstone und der Stellenbörse des BVM auch die Messe succeet genannt. Ein Umstand, den manches Institut vielleicht im kommenden Jahr dazu veranlasst, die Messe nicht nur zur Vorstellung der eigenen Dienstleistungen, sondern auch zur Präsentation der eigenen Arbeitgebermarke zu nutzen. Dies taten während der diesjährigen Ausgabe bereits eye square, Innofact, Interrogare, Ipsos, Manufacts, SKIM, Skopos und Tito & Friends auf der entsprechenden Open Stage direkt in der Messehalle.

Bildergalerie zum Vortragsprogramm

 

Über die Personen

Alexander Kolberg ist seit Februar 2022 Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

Alexander Kolberg ist Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de, CONSULTING.de und PERSONALintern.de.

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