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Applied Science KI Special Bringt das irgendwas? Effekte von Social Media auf den Absatz und das Engagement bei Markenunternehmen

Social Media Plattformen haben einiges gemein mit Cocktailpartys, sagen die Professoren Fretschner und Lüdtke (picture alliance / PhotoAlto | Eric Audras).
Die perfekte Cocktailparty?
Stellen Sie sich Social Media als eine globale Cocktailparty vor, an der Marken nicht nur teilnehmen, sondern auch Gastgeber sind. Aber wie gut ist Ihre Marke darin, die Gäste – also Ihre Zielgruppe – zu unterhalten und zu binden? Können Sie diese Party nutzen, um nicht nur das Engagement zu steigern, sondern auch den Umsatz zu erhöhen?
Bringt Social-Media mehr als nur Markenengagement?
Mit über drei Milliarden Social-Media-Nutzern weltweit haben Marken längst erkannt, dass soziale Medien ein mächtiges Werkzeug im Marketing-Mix sein können. Doch trotz steigender Budgets für Social-Media-Marketing stehen viele Unternehmen vor der Frage, welchen konkreten Mehrwert ihre Aktivitäten eigentlich bringen. Ist es wirklich nur das Engagement in Form von Likes, Kommentaren und Shares, das gesteigert wird? Oder können eigene Social-Media-Kanäle – im Fachjargon als “Owned Social Media” oder “organische Social-Media Reichweite” bezeichnet – auch den Absatz beeinflussen?
Diese Frage ist umso relevanter, da nicht alle Inhalte, die auf Social Media geteilt werden, gleich geschaffen sind. Während in Lehrbüchern, Tutorials, und sonstigen Fortbildungen oft die Bedeutung von 'sozialen' Inhalten betont wird – denken Sie an Hashtags, Fragen am Ende von Posts oder Online-Wettbewerbe – fehlt generalisierbares Wissen auch über Mechanismen sozialer Interaktion hinaus. Welche Inhalte sind also wirklich effektiv, sowohl in Bezug auf das Engagement als auch auf den Umsatz?
Darüber hinaus ist die Effektivität von Owned Social Media nicht in Stein gemeißelt. Was für hedonistische Marken funktioniert, muss nicht zwangsläufig für funktionale Marken gelten. Und was für Produkte gilt, muss nicht unbedingt für Dienstleistungen zutreffen. Verantwortliche in Marketing und Marktforschung, welche die Branche wechseln oder sich branchenübergreifend inspirieren lassen möchten, stehen vor der Herausforderung, die Rolle von Owned Social Media in ihrer spezifischen Situation neu und vor allem richtig zu bewerten und einzusetzen.
Zum Glück ist in diesem Jahr im sehr renommierten Journal of Marketing eine Meta-Analyse eines Forschungsteams um Georgia Liadeli erschienen, welche auf Basis von 86 (sic!) empirischen Arbeiten die Wirkung von Owned Social Media auf Engagement und Absatz in Abhängigkeit einer großen Zahl relevanter Rahmenparameter untersucht.
Das theoretische Gerüst der Untersuchung
Die Arbeit soll aufzeigen, wie sich organische Social Media Aktivitäten auf das Engagement der Zielgruppen und Absatz auswirken, wenn die wichtigen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. In Abbildung 1 haben wir das konzeptionelle Modell der Studie aufbereitet und werden nun kurz die ausgewählten Rahmenparameter und ihre Ausprägungen vorstellen.

Abbildung 1) Konzeptioneller Forschungsansatz der Meta-Studie (in Anlehnung an Liadeli et. al.)
Bei den Arten des Social Media Content unterscheiden die Forschenden zwischen funktionalen Inhalten, bei denen auf die faktischen und funktionalen Eigenschaften und Vorteile der Marke, Produkte oder Dienstleistungen abgestellt wird oder konkrete Angebote oder Preisinformationen vermittelt werden und hedonischen Inhalten, das heißt “lustschafffend” , bei denen emotionale oder soziale Aspekte fokussiert werden.
Marken werden danach unterschieden, ob es sich eher um utilitaristische oder hedonische Marken handelt und welche Größe die Community der Marke zum Zeitpunkt der Untersuchung hatte.
Branchen werden nach Produkt- oder Dienstleistungsbranchen differenziert und ob es sich eher um eine Branche mit neuen oder reifen Leistungsangeboten handelt.
Die Social Media Plattformen selbst werden in soziale Netzwerke (zum Beispiel Instagram), bei denen der Beziehungsaufbau eher im Mittelpunkt der Aktivitäten steht, und Microblogs (zum Beispiel Twitter), bei denen das breite Senden von Informationen eher eine zentrale Aufgabe ist, aufgeteilt. Ebenso wird hierbei berücksichtigt, ob auf der Plattform zusätzliche Paid-Inhalte, also Social-Media Werbung, eine Rolle spielt.
Abschließend wird die länderspezifische Verbreitung von Social Media, der wirtschaftliche Reifegrad im Rahmen der betrachteten Stichprobe berücksichtigt und als kultureller Faktor die Machtdistanz in der Region aufgenommen, also ein Maß dafür, inwieweit eine Gesellschaft akzeptiert, dass Macht ungleich verteilt ist.
Methodisches Vorgehen – Meta-Analyse
Die Autoren der Studie haben eine umfassende Meta-Analyse durchgeführt, um den Einfluss von Owned Social Media auf das Engagement und den Absatz zu untersuchen. Die Datenerhebung erfolgte durch eine systematische Literaturrecherche in verschiedenen akademischen Datenbanken und manuellen Reviews führender Marketing-Journale. Die endgültige Stichprobe umfasste 86 Arbeiten, die zwischen 2011 und 2021 veröffentlicht wurden, mit insgesamt 1.641 Elastizitäten, die auf 95 Millionen Beobachtungen basieren.
Der methodische Ansatz ist dabei in zwei Hauptteile unterteilt: Die Berechnung der Elastizitäten und ein meta-analytisches Schätzmodell. Bei der Berechnung der Elastizitäten wurden diese, sofern verfügbar, direkt aus den Primärstudien entnommen. Wenn sie nicht verfügbar waren, wurden sie anhand der Parameterschätzungen und deskriptiven Statistiken berechnet.
Der zweite Teil, das meta-analytische Modell, folgt einem zweistufigen Ansatz. Zunächst werden die durchschnittlichen Elastizitäten für Owned Social Media für jede abhängige Variable berechnet und ihre Verteilung analysiert. Anschließend werden signifikante Moderatoren identifiziert, indem ein zweistufiges hierarchisches lineares Meta-Analyse-Modell (HiLMA) verwendet wird. Dieses Modell berücksichtigt Elastizitäten (Ebene 1), die innerhalb der zugrundeliegenden empirischen Arbeiten (Ebene 2) “eingebettet” sind. Das Modell wird mittels der Maximum-Likelihood-Methode geschätzt, die robuste, effiziente und konsistente Schätzungen liefert.
Ergebnisse der Studie
Die Ergebnisse zeigen, dass Owned Social Media im Durchschnitt einen positiven Einfluss auf Engagement und Absatz hat. Interessanterweise sind die Elastizitäten in 37 Prozent der Fälle für soziale Medien Engagement und in 16 Prozent der Fälle für Absatz negativ. Eine Erhöhung der Owned Social Media um ein Prozent führt zu einer Erhöhung des Engagements um 0,137 Prozent und der Verkäufe um 0,353 Prozent.
Es gibt auch Unterschiede in der Wirkung von verschiedenen Arten von Inhalten, wobei hedonischer Inhalt eine stärkere Wirkung auf das Engagement und funktionaler Inhalt eine stärkere Wirkung auf den Absatz hat.
Interessanterweise hat die Kommunikation von “Deals”, also besonderen Angeboten oder Preisreduktionen, keine Wirkung von Engagement und Absatz, was typischer Wahrnehmung zur Deal-Kommunikation widerspricht.
Es zeigt sich außerdem, dass emotionaler Inhalt effektiver für das Engagement ist, während informativer und sozialer Inhalt effektiver für den Absatz ist. Überraschenderweise gibt es keine signifikanten Ergebnisse für den Markentyp, allerdings beobachtet das Team eine höhere Wirkung auf den Absatz bei kleineren Marken-Communities. Bei den Brancheneigenschaften zeigt sich, dass neue Produkte größere Verkaufselastizitäten aufweisen. Plattformeigenschaften wie die Anwesenheit von Werbung reduzieren die Wirkung von Owned Social Media auf den Absatz. Länderspezifische Eigenschaften wie die Verbreitung mobiler Endgeräte und das BIP pro Kopf haben ebenfalls einen Einfluss. Je stärker Handys verbreitet sind, desto geringer der Effekt auf das Engagement (vermehrt passive Nutzung von Social Media), desto stärker jedoch der Effekt auf den Absatz. Ebenso zeigt sich, dass eine hohes Machtdistanzmaß einen positiven Einfluss von Owned Social Media auf Absatz stärkt.
Schließlich wird bei Berücksichtigung der Studienangaben deutlich, dass die Wirkung von Owned Social Media im Laufe der Zeit für das Engagement zunimmt, aber für die Verkäufe abnimmt. Studien, die eine verzögerte abhängige Variable einschließen, finden stärkere Effekte für das Engagement und schwächere Effekte für den Absatz. Die Kontrolle der Endogenität ändert die Ergebnisse nicht signifikant.
Wrap-up und Take-Aways
Die sozialen Medien sind nicht nur ein Spielplatz für Memes und Katzenvideos; sie sind ein ernstzunehmendes Marketinginstrument. Unsere Analyse zeigt, dass Owned Social Media einen signifikanten Einfluss auf das Engagement und den Absatz haben. Vergessen Sie aber bitte die allgemeinen Ratschläge wie "Beenden Sie Beiträge mit Fragen" oder "Bieten Sie Deals an":
- Die Ergebnisse der vorgestellten Studie zeigen, dass emotionaler Content das Engagement fördert, während informativer Content die Verkäufe ankurbelt. Also, wenn Sie das nächste Mal einen Post planen, denken Sie daran: Es geht nicht nur darum, was Sie sagen, sondern auch, was Sie erreichen wollen und wie Sie es sagen.
- Die Größe der Community ist nicht alles. Tatsächlich sind kleinere Markencommunities effektiver, wenn es darum geht, Verkäufe zu fördern. Also, anstatt sich auf die Jagd nach Followern zu begeben, konzentrieren Sie sich auf den Aufbau einer qualitativ hochwertigen Community. Die Eigenschaft der Marke hat hingegen keinen erkennbaren Einfluss darauf, wie organische Social Media Aktivitäten wirken.
- Besonders neue Produkte profitieren von absatzorientierter Kommunikation auf Social Media. Wenn unklar ist, ob eher etablierte oder neue Produkte in der Kommunikation fokussiert werden sollen, nutzen Sie diese Erkenntnis zur Orientierung.
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Nicht alle Social-Media-Plattformen sind gleich, und auch nicht alle Länder. Owned Social Media sind auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram effektiver als auf Mikroblogs wie Twitter. Und die Effektivität variiert auch von Land zu Land, abhängig von Faktoren wie der Verbreitung von mobilen Endgeräten und kulturellen Unterschieden.
Social Media Plattformen sind wie Cocktailpartys: Es ist nicht nur wichtig, dass Sie da sind, sondern Sie müssen sich auch klar darüber sein, warum Sie da sind, was Sie sagen und wie Sie es sagen. Und wie bei jeder guten Party geht es nicht nur darum, die meisten Freunde zu haben, sondern die richtigen.
Mit dieser Kolumne geben wir Ihnen ein paar Tipps an die Hand, um auf Social Media weiterhin zu glänzen. Aber seien Sie gewarnt: ein falscher Move und die Party könnte schneller vorbei sein, als Sie "Reel" sagen können!
Cheers!
Über die Personen
Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke ist Co-Gründer der smart impact GmbH sowie Professor und Studiengangsleiter für E-Commerce an der Fachhochschule Wedel.
Prof. Dr. Michael Fretschner ist Co-Gründer der smart impact GmbH und Professor für Marketing & E-Commerce an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft.
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