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Frauen in der Marktforschung: Anne Strauß, DCMN Brauchen Frauen in der Marktforschung etwa andere Eigenschaften als Männer? Nein!

Anne Strauß
marktforschung.de: Frau Strauß, warum hat es Sie in die Marktforschung gezogen?
Anne Strauß: In meinem Studium, welches nicht mal annähernd in diese Richtung zielte, war ein Praktikumssemester vorgesehen. Während der Findungszeit wurde ich das erste Mal in meinem Leben zu einer Fokusgruppe eingeladen. Ich beobachtete die engagierte Moderatorin und es schien mir ein echt cooler Job zu seien. Nach der Gruppendiskussion fragte ich nach, ob sie auf der Suche nach Praktikanten sei. Ich bekam direkt eine Zusage für mein erstes Praktikum bei der Marktforschungs-Agentur HappyThinkingPeople GmbH in Berlin. Ich habe dann während meines Studium noch freiberuflich dort gearbeitet und nach und nach meine Passion für die Marktforschung entdeckt.
marktforschung.de: Welche Eigenschaften braucht es, um als Frau in dieser Branche Fuß zu fassen?
Anne Strauß: Brauchen Frauen etwa andere Eigenschaften als Männer? Prinzipiell sind für mich die wichtigsten Eigenschaften in dem Beruf kognitive Empathie, differenziertes Denkvermögen, Verbindungen erkennen und daraus Geschichten erzählen zu können. Wenn überhaupt, würde ich die Frage aus meiner Erfahrung heraus wohl umstellen und auf Männer gewichten. In meinem Marktforschungsumfeld waren nämlich eher die Männer Mangelware. Ich habe überwiegend mit Frauen gearbeitet und das auch mit durchweg weiblichen Vorgesetzten. Aber natürlich ging der sogenannte "Boys Club" innerhalb der Unternehmen gerade auf Management-Ebene auch an mir nicht vorbei. Nichts, wo ich unbedingt mitspielen muss, aber wenn, kann ich nur empfehlen: Dreistigkeit kommt weiter. Falsche Bescheidenheit ist da fehl am Platz.
marktforschung.de: Sie haben einige Jahre auf Unternehmensseite gearbeitet und sind im Juni dieses Jahres zur Agentur DCMN gewechselt. Wie kam es zu diesem Schritt?
Anne Strauß: DCMN versteht sich nicht als klassische Agentur, sondern als ein Media- und Kreativ-Experte, der vor allem jungen, digitalen Unternehmen mit ganzheitlichen Marketinglösungen dabei hilft zu wachsen, was ich sehr charmant fand. Zudem war es auch der Gedanken, nicht mehr nur eine Marke und Produkt betreuen zu dürfen, sondern wirklich Varianz in meine Research-Thematiken bringen zu können, sowie auch einige Empfehlungen dorthin zu wechseln – unter anderem von zwei Marktforschungs-Kolleginnen, mit denen ich hier nun wieder zusammenarbeite!
marktforschung.de: Sie haben zwei Studiengänge absolviert, die sich mit technischen Themen befassen. Viele Frauen schrecken ja vor der Auseinandersetzung mit Technik zurück. Wie, denken Sie, könnte man ihnen die Berührungsängste nehmen?
Anne Strauß: Vielleicht sogar mit genau solchen Studiengängen, welche ich durchlaufen habe, die keine reinen Technik-Studiengänge waren. Sowohl mein Bachelor- als auch mein Master-Studium verstanden sich als Schnittstelle und Verbindungsstück zwischen der natur- und geisteswissenschaftlichen Welt. Zum anderen glaube ich eher weniger daran, dass das Problem darin liegt, dass Frauen von technischen Themen abgeschreckt werden. Schon ich bin in einer sehr selbstbewussten, weiblichen Generation groß geworden und die jungen Frauen von heute bringen sicherlich noch mal eine größere Portion Selbstbewusstsein mit. Gerade in der Berliner Start-Up Szene gibt es viele Frauen auch in den digitalen Bereichen.
marktforschung.de: Sie haben ein halbes Jahr in Japan verbracht. Was sind die wichtigsten Learnings, die Sie von dort mitgebracht haben?
Anne Strauß: Es hat mir vor allem die Wichtigkeit kognitiver Empathie verständlich gemacht. Ein längerer Aufenthalt in einem anderen Land ist ja quasi eine eigene ethnografische Studie, die man selbst durchführt. Notwendig, um die Kulturzusammenhänge um sich herum verstehen zu können und ein Teil davon zu werden. Dafür ist kognitive Empathie essentiell. Dabei geht es nicht darum, es emotional verstehen und mitfühlen zu können. Aber ein Verständnis und eine Akzeptanz aufzubauen, dass andere Menschen, andere Kulturen und auch Religionen anders funktionieren und das aus bestimmten und gerechtfertigten Gründen, das ist für mich der Schlüssel, meine Umwelt zu verstehen und wesentlich gelassener mit ihr umzugehen.
marktforschung.de: Gab es eine Person, die Sie bei Ihrem Werdegang gefördert hat? Vielleicht sogar eine(n) Mentor/-in? Oder ein Vorbild?
Anne Strauß: Es sind vor allem meine engsten Freunde und Menschen, die mich lange kennen, die ich als Meinungsgeber und persönliche Ratgeber schätze. Ein wirkliches Vorbild oder ein Mentor ruft sich dabei aber nicht in mein Gedächtnis. Es ist vielmehr so, dass ich mit dem generellen Bewusstsein erzogen, dass mir im Prinzip alles zusteht, wenn ich es mir verdiene. Sich quasi stets sein eigener Mentor zu sein, der sich reflektiert und antreibt. Mir ist wichtig, die Dinge zu tun, die ich für richtig halte und mit denen ich mich wohl fühle. Dazu wurde ich auch stets von meinen fachlichen Vorgesetzten animiert: mir durchaus Rat und eine Meinung einzuholen, aber selbstständig zu entscheiden, was ich für richtig halte.
marktforschung.de: Stichwort Selbstoptimierung: Heutzutage gilt es ja als verbreitetes Phänomen, dass gerade Frauen es damit leicht übertreiben. Wie ist das bei Ihnen?
Anne Strauß: "Selbstoptimierung" klingt für mich erst einmal furchtbar. Mit Optimierung assoziiere ich die Verbesserung eines unzureichenden Zustandes und das möchte ich eigentlich nicht auf mein Selbst beziehen. Ich sehe viel mehr Nutzen darin, sich auf seine Stärken zu konzentrieren. Wenn mir etwas, von dem ich anfangs dachte, dass ich das möchte, unheimlich schwer fällt und sogar anfängt, mich zu stressen, fange ich an zu hinterfragen, ob es für mich überhaupt sinnvoll ist. Manch einer mag mir hier vielleicht mangelnden Ehrgeiz vorwerfen, aber das ist Interpretationssache. Ich mache vielmehr eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf und überlege, was mich wirklich weiterbringt und womit ich mich auch wohlfühle. Am Ende meiner Tage möchte ich mich nicht darüber ärgern müssen, dass ich zu viel Zeit mit Dingen verschwendet habe, die mir keine gute Zeit bereitet haben.
marktforschung.de: Noch ein beliebtes Stichwort: Work-Life-Balance. Gelingt Ihnen der Ausgleich?
Anne Strauß: Noch so ein "Unwort" für mich. Müssen das zwei getrennte Welten sein, die man ausbalancieren muss? Wenn ein Job so dominant wird, dass ich ihn von meinem privaten Leben dermaßen abgrenzen will und mich vielleicht sogar von ihm eingeschränkt fühle, ist das nicht der richtige Job für mich. Ich bin sehr froh, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem das immer mehr Unternehmen genau so sehen, statt krampfhaft zu proklamieren, dass die Work-Life-Balance dort gewährleistet ist. Das fängt damit an, dass Mitarbeiter nicht ans Büro gefesselt werden, sondern die Möglichkeit haben, auch mal von zu Hause oder unterwegs arbeiten zu können. Oder dass ich meinen Hund mit ins Büro nehmen kann.
marktforschung.de: Wo holen Sie sich neue Inspirationen für den Job?
Anne Strauß: Ich finde es wichtig, dass man gerade als Marktforscher, wo es viel um Methoden und Herangehensweisen geht, permanent über den eigenen Tellerrand hinaus schaut. Ich bin stets sehr inspiriert durch internationale Kongresse und Zusammenkünfte, bei denen man eine Plattform dafür bekommt. Kürzlich durfte ich sogar selbst Teil des Programmkomitees des ESOMAR Kongress 2018 in Berlin sein. Ein ehrenvolles Privileg, welches mir den besten Eindruck davon gegeben hat, was die Industrie gerade bewegt, vor welchen Herausforderungen wir stehen und welche Lösungsansätze es gibt.
marktforschung.de: Was war der beste Ratschlag, den Sie für Ihr Berufsleben bekommen haben?
Anne Strauß: "Lass dich nicht stressen". Das bedeutet nicht, dass mir Dinge egal werden, aber es erinnert mich daran, mich in anstrengenden Situationen bewusst raus zu nehmen und zu reflektieren, welche Dramatik denn wirklich dahinter liegt. Dabei hilft auch sehr der Ratschlag: "Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird"!
Das Interview führte Ulrike Schäfer.
Zur Person: Anne Strauß ist Senior Insight Manager bei dem Media und Marketing Spezialisten DCMN in Berlin. Sie studierte in Cottbus "Kultur und Technik" und schloss nach einem Auslandssemester in Japan noch ein Master-Studium "Geschichte und Kultur der Wissenschaft und Technik" an der TU Berlin an. Während dieser Zeit arbeitete sie für die HappyThinkingPeople GmbH. Nach ihrem Abschluss stieg sie in das Marktforschungsteam von Zalando ein. Fünf Jahre später wechselte sie als Global Market Research Manager zu HelloFresh.
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