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Interview mit Nico Jaspers, Gründer Latana „Brandtracking-Angebote richten sich bislang fast ausschließlich an große Marken. Das wollen wir ändern”

Wie unterscheidet sich Latana zu den anderen Brandtracking-Anbietern? Was macht das Unternehmen anders? (Bild: Latana)
Warum braucht die Welt eigentlich ein weiteres Brandtracking?
Nico Jaspers: Es gibt in der Tat viele Anbieter von Brandtracking, aber als wir uns den Markt vor ein paar Jahren angeschaut haben, haben wir gesehen, dass sich die Angebote fast ausschließlich an große Marken richten. Für mittelgroße und kleinere Marken - also diejenigen, deren Bekanntheit in der breiten Bevölkerung unter 20 Prozent liegt - gibt es zurzeit nur wenig gute Lösungen. Dabei machen diese Marken etwa 95 Prozent aller weltweit gehandelten Marken aus. Das ist ein riesiges Potenzial.
Leider kommen kleinere Marken auch mit großen Herausforderungen. Die Stichprobenziehung muss zum Beispiel sehr gut sein, weil diese Marken relativ kleine Zielgruppen adressieren und es dadurch schwer ist, Veränderungen in der Markenwahrnehmung über die Zeit verlässlich zu erheben. Diese Marken haben auch wenig hausinterne Kapazitäten für die Datenanalyse, aber gleichzeitig hohe Ansprüche an die Verwertbarkeit von Informationen. Wenn eine Brandtracking-Lösung nicht wirklich Wert bringt, sind diese Kunden schnell wieder weg. Und das alles bei eher überschaubaren Budgets - also keine leichte Aufgabe.
Diese Herausforderung finden wir extrem spannend und haben es uns zum Ziel gesetzt, eine hochwertige Lösung zu entwickeln, die benutzerfreundlich ist und gleichzeitig nicht den Kostenrahmen sprengt.
Was macht Latana anders als andere Brandtrackings?
Nico Jaspers: Wir gehen in vielen Bereichen neue Wege:
Wir haben in vielen Tests gesehen, dass wenn wir Markenbekanntheit in einer Liste abfragen (also wenn wir den Leuten gleichzeitig viele Marken zeigen und fragen welche sie hiervon kennen), die Zusammensetzung und die Länge der Liste einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse haben: je länger die Liste und je mehr bekannte Marken darin enthalten sind, desto geringer ist die “Bekanntheit” einzelner Marken, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass eine Befragte alle ihr bekannten Marken auch wirklich angibt. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, die Bekanntheit jeder einzelnen Marke separat zu erheben.
In einer weiteren Reihe von Tests haben wir gesehen, dass Befragte, die eine Entlohnung für die Befragung erhalten, bis zu 6-mal öfter angeben, dass sie einer bestimmten Zielgruppe angehören als Befragte, die keine Entlohnung erhalten.
Da es für uns sehr wichtig ist, authentische Antworten von kleinen Zielgruppen zu erhalten und die Entlohnung eine starke Verzerrung der Ergebnisse bedeuten kann, sind wir mittlerweile fast komplett auf sogenannte “non-incentivized” Datenerhebung umgestiegen.
Um verlässliche Zeitreihendaten für kleinere Zielgruppen zu erhalten, ist es für uns auch wichtig, Zugang zu Befragten zu haben, die nicht regelmäßig Umfragen ausfüllen. Hierfür haben wir eine Technologie entwickelt, die es uns ermöglicht, Befragungen über programmatische Werbung auf Smartphones auszuspielen und auf täglich bis zu 50 Milliarden “bid requests” zu bieten. Das gibt uns Zugang zu einer (theoretischen) Grundgesamtheit von fast vier Milliarden Menschen weltweit, und somit auch Zugang zu vielen Menschen, die sonst nie an Befragungen teilnehmen.
Als vierten Punkt könnte ich erwähnen, dass sich viele unserer Kunden wünschen, nicht nur reine Ergebnisse, sondern auch viel Kontext zu den Daten zu erhalten. Sie fragen zum Beispiel: “Wie viele Menschen haben unsere Marke im vergangenen Monat neu kennengelernt?”, “Geben wir zu viel (oder zu wenig) für unser Brand-Marketing aus?”, oder “ Welches Markenwachstum können wir mit unserem Budget erwarten?”.
Wir haben unsere Datenerhebung so ausgerichtet, dass wir diese und viele andere Fragen beantworten können.
Ein weiterer Unterschied zu vielen anderen Anbietern ist, dass wir gerade eine sehr große Datenbank zur Wahrnehmung verschiedener Marken aufbauen. Unsere Kunden können dann in einem “syndicated” Modell Zugang zu diesen Daten erhalten. Es gibt schon einige Anbieter, die dieses Modell verfolgen, aber die Anzahl der vertretenen Marken ist hier oft überschaubar. Wir nehmen zurzeit jeden Monat etwa 500 neue Marken in unser “Sortiment” auf. 2023 werden wir das dann auf 2.000 neue Marken pro Monat erhöhen. Unser Ziel ist es, in zwei bis drei Jahren die Wahrnehmung von etwa 100.000 Marken weltweit zu erheben.
Latana nutzt KI und MRP für das Markentracking: Kannst Du bitte einem KI-Laien in einfachen Worten erklären, wie das funktioniert?
Nico Jaspers: Eine Sache, die mich an der Erhebung von Befragungsdaten immer gestört hat, war die Quotenbildung, also das Erfordernis, immer ein bestimmtes Verhältnis von Alter, Geschlecht und anderen demographischen Variablen zu erfüllen, um bei Zeitreihendaten die “sample composition” stabil zu halten. Selbst bei nur wenigen Variablen kann das sehr schnell sehr teuer werden, und wenn wir den Anspruch haben, alle tatsächlich wichtigen “Anova” Variablen stabil zu halten, wird das oft unmöglich.
Für uns bietet hier MRP in Kombination mit selbst lernenden Algorithmen einen eleganten Ausweg, hohe Datenqualität zu vertretbaren Kosten zu produzieren. Vereinfacht gesagt, legen wir keine ex-ante Quoten fest, sondern erhöhen die Fallzahl und stellen dann nach der Datenerhebung die Stabilität der Stichprobe durch Modellierungen sicher. Durch die Fülle an Daten lernt das Modell über die Zeit und generiert immer präzisere Ergebnisse.
Mittlerweile wenden wir Machine Learning Komponenten aber auch in vielen anderen Bereichen an, z. B. in der Qualitätsanalyse des Antwortverhaltens von Befragten, in der Segmentierung von Ergebnissen, und im Bieterverfahren zur Platzierung von Befragungen über verschiedene Werbekanäle.
36 Mio. Euro an zusätzlichem Kapital hört sich nach einer ganzen Stange Geld an. Was stellt Ihr damit konkret an?
Nico Jaspers: Wir werden natürlich in den Vertrieb investieren, aber ein sehr großer Teil der Summe ist auch für Forschung und Entwicklung geplant. Wir sehen noch unglaublich viel Raum für Innovation, insbesondere in der Automatisierung der Datenanalyse.
Bislang ist Latana in meiner Wahrnehmung wenig in Erscheinung getreten. Eure Bekanntheit dürfte relativ gering sein. Was sind die nächsten Marketing-Schritte, um bekannter zu werden? Ist ein Big-Bang geplant?
Nico Jaspers: Wir sind in der Tat in Deutschland noch nicht sehr bekannt, obwohl wir aus Berlin kommen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir uns zunächst fast ausschließlich auf den US-amerikanischen und englischen Markt konzentrieren - da kommen über 80 Prozent unserer Kunden her. Wir planen aber in Zukunft auch in Deutschland präsenter zu werden.
Welche Länder und Branchen stehen für Euch in Bezug auf Product-Reach zunächst im Fokus?
Nico Jaspers: Wir konzentrieren uns kundenseitig fast ausschließlich auf mittelgroße Unternehmen im angelsächsischen Raum, bedienen dort aber fast alle B2C Branchen. Kommendes Jahr planen wir, auch in Deutschland aktiver zu werden und eine B2B-Lösung einzuführen.
Auf der Seite der Datenerhebung sind wir global. Über unsere Plattform können wir in fast allen Ländern, Regionen und Städten auf der Welt die Wahrnehmung von Marken messen.
Was würde Euch – neben den 36 Millionen – aktuell am meisten weiterhelfen?
Nico Jaspers: Wir entwickeln unsere Plattform konstant weiter und sind hier sehr auf das Feedback unserer Kunden angewiesen. Zurzeit entwickeln wir zum Beispiel ein Modell, über das wir sehr genau schätzen können, wie viele Menschen eine Marke kennen. Das Ziel hierbei ist es, zu errechnen, was es kostet, eine bestimmte Markenbekanntheit zu erreichen. Nicht alles, was wir neu ausprobieren, funktioniert auch immer direkt - und wir sind immer auf der Suche nach experimentierfreudigen Kunden, die Lust haben, neue Wege zu gehen und uns Feedback zu geben.
Ansonsten können wir auch immer Tipps für interessante Industrien gebrauchen. Wie bereits erwähnt, fügen wir gerade etwa 500 neue Marken jeden Monat zu unserer Datenbank hinzu und sind immer dankbar für Ideen für Marken, die wir aufnehmen sollten.
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