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Blick nach vorn: Die neue Führungsspitze von TNS Infratest im Interview

Dr. Stefan Stumpp und Hartmut Scheffler, TNS Infratest
Die vergangenen Monate brachten einige Veränderungen in der Führungsspitze von TNS Infratest mit sich. Der bisherige CEO Andreas Kösters schied ebenso wie CFO Peter Braun aus dem Amt. Nach einer Interimsphase unter der gemeinsamen kommissarischen Leitung der beiden Geschäftsführer Hartmut Scheffler und Winfried Hagenhoff verantwortet seit dem 01. April dieses Jahres Dr. Stefan Stumpp als neuer CEO die Geschicke des Unternehmens. Wie sich die Aufgabenteilung im Management Board von TNS Infratest nun gestaltet und welche Ziele sowie Perspektiven damit verknüpft sind, erörtern Stefan Stumpp und Hartmut Scheffler im gemeinsamen Interview mit marktforschung.de.
marktforschung.de: Herr Dr. Stumpp, seit Anfang April sind Sie als neuer CEO bei TNS Infratest offiziell im Amt, kennen das Unternehmen als Mitarbeiter aber schon seit etlichen Jahren. Was sind für Sie die maßgeblichsten Veränderungen, die mit dem neuen Posten einhergehen?
Dr. Stefan Stumpp: Nun, dies ist natürlich zuallererst die deutliche Erweiterung der Verantwortung. Dies betrifft sowohl den Umsatz als auch die Anzahl der Mitarbeiter und natürlich das Geschäft in den osteuropäischen Ländern. Alleine die Anzahl der Mitarbeiter, die nun in meinem Verantwortungsbereich tätigt sind, hat sich durch den Positionswechsel mehr als verzehnfacht. Darüber hinaus kommt die inhaltliche Erweiterung der Aufgabengebiete. Während ich bislang ausschließlich auf der Marktseite des Unternehmens tätig war, gehören nun alle anderen Funktionen in der Firma ebenfalls zum Tätigkeitsfeld, also z.B. die Datenbeschaffung, die Datenverarbeitung und natürlich auch die Verwaltung und IT. Alles in allem also eine hoch spannende Aufgabe mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten.
marktforschung.de: Der bisherige CEO Andreas Kösters war verhältnismäßig kurz im Amt, nahezu zeitgleich verließ mit CFO Peter Braun ein weiteres Mitglied der Führungsspitze das Unternehmen – ich darf vermuten, Sie blicken auf turbulente Wochen zurück. Wie teilen Sie die Aufgaben in der Geschäftsführung – neben Ihnen beiden ist ja noch Winfried Hagenhoff an Bord – künftig auf und welches sind die nächsten wichtigen Ziele?
Dr. Stefan Stumpp: Turbulent ist wahrscheinlich nicht der richtige Ausdruck. Sicherlich hat sich vielen Mitarbeitern die Frage gestellt: "Und, was passiert nun?" Tatsächlich sind zwar aus der vormals neunköpfigen Geschäftsleitung zwei Kollegen ausgeschieden, die anderen sieben sind aber nach wie vor an Bord, so dass wir in der Unternehmensleitung gar keine gravierenden weiteren Änderungen hatten und zudem konnten wir auch die Stelle des CFO mit Frank Paule sehr schnell intern nachbesetzen. Meine bisherige Funktion als Leiter des Marktbereiches in der Automobil- und Verkehrsforschung hat der angesprochene Winfried Hagenhoff wieder übernommen, der diese Rolle bereits inne hatte, bevor ich diese damals angetreten war und daher sowohl den Markt als auch die Kunden und Kollegen noch bestens kennt.
Das wichtigste Ziel war insofern, auch den Kolleginnen und Kollegen klar zu machen, dass durch die Wechsel keine Gefahr im Verzug ist, sondern sich im Gegenteil auch die Möglichkeit bietet, etwas Neues zu gestalten.
Hartmut Scheffler: Verglichen mit vielen anderen Unternehmen zeichnet sich unsere Führungsspitze nach wie vor durch hohe Kontinuität aus. Noch weiter gestärkt wurden die Bereiche Kundenorientierung und Portfolioentwicklung, und darüber hinaus ist das neue Team mit dem gemeinsamen Schulterschluss gestartet, die jeweils neue globale und deutsche Strategie - die beide eng miteinander verzahnt sind - umzusetzen und dadurch den Transformationsprozess der Marktforschungsbranche aktiv mitzugestalten und zu begleiten. Dies ist unter der Führung von Stefan Stumpp vor allem die Aufgabe von Robert Wieland, Jens Krüger, Winfried Hagenhoff, Harald Bielenski und mir, die wir die verschiedenen Client Divisions leiten und die Funktionen CDO (Robert Wieland), COO (Winfried Hagenhoff) und CMO (Hartmut Scheffler) verantwortlich besetzen.
marktforschung.de: Andreas Kösters war vor seiner TNS-Zeit im Medienbusiness – er bekleidete lange Jahre Führungspositionen unter anderem bei Springer und Bertelsmann. Hat die Perspektive eines "Nicht-Marktforschers" dem Unternehmen TNS gut getan?
Dr. Stefan Stumpp: Eine neue und andere Perspektive schadet so gut wie nie. Es gibt sogar Bereiche in denen Teile aus dem Verlagsgeschäft große Parallelen zu Teilbereichen unseres Business ausweisen. Zudem spielen bei einem CEO nicht nur die fachlichen Dinge eine Rolle. Viele Aufgaben im General Management sind auch branchenunabhängig.
Hartmut Scheffler: Für die CEO-Funktion in einem eingespielten Team - siehe Vorfrage - ist die Perspektive eines Marktforschers nicht das wesentliche Kriterium. Da geht es vor allem um Strategie und Motivation. Insofern hat die Perspektive eines Nicht-Marktforschers dem Unternehmen weder gutgetan noch geschadet – der Blick eines "Quereinsteigers" in die Branche mit den Erfahrungen aus anderen Branchen war im Hinblick auf Strategie und Führung die wirklich interessante Komponente.
marktforschung.de: Big Data, Social Media, Mobile, Communities – egal, welches Buzzword man bemüht, den Ausbau von Geschäftsfeldern aus dem Bereich "Digital Business" haben sich alle großen weltweit agierenden Marktforschungsunternehmen mehr oder weniger deutlich auf die Fahnen geschrieben. Wie sieht die Strategie von TNS Infratest aus? Und gibt es unterschiedliche Ansätze für die als gesättigt geltenden Märkte und die "Emerging Markets"?
Dr. Stefan Stumpp: Natürlich können wir uns diesen Fragen auch nicht verschließen, sondern begegnen ihnen aktiv. Die Antworten müssen wir zum Glück nicht alle alleine finden, da wir Teil der globalen TNS Gruppe sind und zudem auch dem Kantar-Verbund angehören. Dies bietet für uns große Möglichkeiten.
Hartmut Scheffler: Wir haben in der Tat erstmals eine wirklich fast identische globale und nationale Strategie, bei der die Schwerpunktthemen, die so genannten "Objectives" übergeordnet für alle Länder gelten und die Umsetzung je Land nach Größe, Position im Markt, gesättigtem Markt oder Emerging Market jeweils individuell gestaltet werden kann. Die sich durchweg aus der Digitalisierung und den daraus entstehenden Entwicklungen - Social Media, Big Data, Do-it-Yourself, Experience- und Realtime Measurement, Qualitätsdiskussion und Datenschutzthematik - abgeleiteten Planungen sind länderübergreifend identisch. Wir von TNS Infratest als großem Institut haben den Vorteil, diesen Herausforderungen mit einem Matrix-System und dem jeweiligen Zusammenbringen unterschiedlicher interdisziplinärer Expertisen aus einem Hause flexibel und kompetent begegnen zu können.
marktforschung.de: Nicht gerade positiv stellte sich die wirtschaftliche Situation für viele Marktforschungsinstitute – sowohl kleine als auch große – im letzten Jahr speziell in Deutschland dar. Wie bewerten sie die aktuelle Lage speziell am hiesigen Marktforschungsmarkt?
Dr. Stefan Stumpp: Ja, das stimmt, 2013 war ein schwieriges Jahr. Für 2014 sind wir bei TNS Infratest allerdings optimistisch und gehen nach allem, was wir bisher wissen, von einem deutlich besseren Jahr aus.
Hartmut Scheffler: Nimmt man aus den veröffentlichten Zahlen die im Ausland erzielten Umsätze und einen kleinen "Goodwill-Faktor" heraus, so haben wir es seit Jahren mit einem stagnierenden Markt zu tun. Dies wird für die klassische Marktforschung auch so bleiben. Umsatzwachstum – dies zeigen auch Zahlen aus Großbritannien – erwarten wir über datenbasierte Dienstleistungen, also intelligente (Data-)Analysen, Datenfusionen, automatisierte End-to-End-Lösungen usw. Dabei wird der Polarisierungsprozess zwischen den flexiblen, kreativen, ideenreichen Start-ups auf der einen Seite und den skalierungsfähigen, vergleichsweise investitionsstarken großen Gruppen andererseits zunehmen. Unter Berücksichtigung der neuen Möglichkeiten ist uns um das Thema "Marktforschung in Deutschland" nicht bange – so lange die etablierten Anbieter sich nicht von branchenfremden Anbietern "die Butter vom Brot nehmen lassen".
marktforschung.de: Als Mitglied der Marktforschungssparte von WPP - Sie haben es eben bereits angesprochen - gehört TNS zu den größten Playern weltweit. WPP selbst hat angekündigt, auch durch Akquisitionen weiter wachsen zu wollen. Wird die Marktmacht der großen Unternehmen in den nächsten Jahren weiter wachsen?
Dr. Stefan Stumpp: Davon ist auszugehen. Der Konzentrationsprozess in der Branche wird wohl eher zunehmen. Zwar bringt es das sehr dynamische Umfeld mit sich, dass immer neue Firmen gegründet werden, die auf aktuelle technologische Entwicklungen schneller reagieren und neue Lösungen entwickeln, viele dieser Startups werden aber sicher in den Großen der Branche aufgehen.
Hartmut Scheffler: Durch weitere Fusionen und Käufe wird der Einfluss großer Unternehmen wohl in der Tat wachsen. Akquisitionsbereinigt ist ihr Wachstum allerdings nicht größer als das der kleinen und mittleren Institute mit ihren oft speziellen, punktgenauen Angeboten und Dienstleistungen. Schnelleres organisches Wachstum der Großen also nein, Marktmacht durch weitere Fusionen ja.
marktforschung.de: Was haben Sie seinerzeit gedacht, als Sie das erste Mal von Google Consumer Surveys gehört haben? Hat sich Ihre Einschätzung seitdem verändert?
Dr. Stefan Stumpp: Man nimmt es zur Kenntnis und überlegt sich, was das für das eigene Angebotsportfolio bedeutet. Auch wenn Google Surveys es ermöglicht, sehr schnell Antworten auf selbst gestellte Fragen zu erhalten, so kaufen unsere Kunden doch in aller Regel weit mehr als nur die Antworten der Interviewten. Ein Großteil unserer Leistungen findet ja eigentlich vor und vor allem nach der Datenerhebung statt. Sicherlich wird es einen gewissen Einfluss auf kurze (Online-) Umfragen und z.B. das Online - Busgeschäft haben, wobei wir hier immer noch mit der Repräsentativität punkten können.
Hartmut Scheffler: Ich habe mich dazu ja schon vor etwa einem Jahr geäußert und finde das bestätigt: Die Do-it-Yourself-Angebote, zu denen neben Google Consumer Surveys ja auch SurveyMonkey und andere gehören, haben ihre Nische gefunden und werden sich dort quantitativ - wie auch über erweitertes Angebot - ausdehnen. Wenn Sie das Qualitätsthema Ihres Angebotes und der Anwender - nämlich die Stärken und Grenzen ganz genau zu kennen und immer bewußt zu entscheiden - in den Griff bekommen: Dann wird dieses ein respektables Nischenangebot im Kosmos der Markt- und Sozialforschung sein und – wie Stefan Stumpp hervorgehoben hat – die "etablierten" Institute richtigerweise zwingen, ihre originären Stärken in Methoden-, Marken- und Marketingberatung auszubauen und in den Vordergrund zu stellen.
marktforschung.de: Wir haben uns nun ausführlich verschiedenen Problemstellungen und Herausforderungen gewidmet, daher zum Abschluss noch zwei kleine, eher persönliche Frage speziell an Sie, Herr Dr. Stumpp: Was reizt Sie an der Marktforschungsbranche? Worauf freuen Sie sich in den nächsten Wochen am meisten?
Dr. Stefan Stumpp: Schon in meiner Zeit im Hauptstudium und danach als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Marketinglehrstuhl in Augsburg habe ich mich mit empirischen Marketing-Fragestellungen beschäftigt. Der Reiz daran ist nie verloren gegangen. Ich freue mich daher, dass ich in genau dieser Branche, und dann auch noch bei einem der führenden Unternehmen der Branche arbeiten darf. Toll ist es nun auch, dass es in genau dieser Branche so viele neue Facetten und erweiterte Möglichkeiten gibt.
Worauf freue ich mich besonders? Wir haben uns einige Dinge vorgenommen, wie wir als Unternehmen noch besser werden können. Jetzt freue ich mich, schon jetzt zu sehen, wie diese Maßnahmen erste Früchte tragen. Gerne kann ich bei einem späteren Interview mehr dazu sagen - z.B. ob es so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt habe.
marktforschung.de: Darauf kommen wir gerne zurück - Herr Stumpp, Herr Scheffler, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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