BIG DATA und die Implikationen für die Marketingforschung

Sebrus Berchtenbreiter, promio.net
Von Sebrus Berchtenbreiter, Geschäftsführer von promio.net und Vorsitzender des Councils Digitaler Dialog im Deutschen Dialogmarketingverband (DDV)
Big Data ist das Trendthema und beschäftigt nicht nur die IT, sondern auch die gesamte Marketingbranche. Dabei geht es zum einen um das Aufkommen riesiger Datenmengen im Zuge der Digitalisierung, zum anderen um die Aufbereitung, Analyse und vor allem Nutzung dieser Daten für unternehmerische Zwecke.
Als Reaktion auf das enorme Datenaufkommen sind besonders Marketing und IT näher zusammengerückt und haben Möglichkeiten geschaffen, das Verhalten der Konsumenten im Internet zu erfassen und Kommunikationsmaßnahmen sehr genau an die daraus abgeleiteten Interessen und Nutzungsszenarien der Zielgruppe im Internet auszusteuern. Prozesse der Informationsbeschaffung und Kaufentscheidung können sehr genau nachvollzogen und Werbung an den jeweiligen Touchpoints platziert werden.
Über diese Trackingmöglichkeiten hinaus untersucht die Marketingforschung zusätzliche Einflussfaktoren auf die Wirkung von Marketingmaßnahmen, um insbesondere Marktveränderungen und Trends frühzeitig zu erkennen und daraus unternehmerische Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Durch Big Data und moderne Analysetools haben wir heute die Möglichkeit, wesentlich umfangreichere und genauere Daten zu erheben und Erkenntnisse über die Zielgruppe und deren Interessen zu generieren. Gleichzeitig beobachten wir jedoch die Schnelllebigkeit des Mediums Internet, welche eine ebenso schnelle Veränderung des Nutzungs- und Einkaufsverhaltens hervorruft. Zwar können wir anhand des Klick- und Surfverhaltens im Internet messen, welche Interessen und Bedürfnisse der Konsument hat und in welcher Phase des Kundenlebenszyklus er sich gerade befindet. Was wir allerdings nicht wissen ist, welche Interessen und Bedürfnisse er morgen haben wird. Analysen des bisherigen Verhaltens, welche uns unsere Tools liefern, sind enorm wertvoll, basieren jedoch stets auf Vergangenheitswerten oder im besten Fall auf Echtzeit-Informationen. Zwar können durch die richtige Interpretation dieser Kennzahlen Entwicklungen und Trends hinreichend identifiziert und Annahmen über zukünftiges Verhalten getroffen werden, allerdings nur innerhalb der bestehenden Kommunikationskanäle. Neue Strukturen, Visionen oder Wirkungsfaktoren, die über die bekannten hinausgehen, können nicht erfasst werden.
Darüber hinaus liefert uns die Datenanalyse in erster Linie Aussagen über die IST-Situation, also darüber, welche Strategien funktionieren oder nicht. Die Methoden der Marketingforschung hingegen bieten die Möglichkeit, die Ursachen für ein bestimmtes Verhalten zu untersuchen. Wo die Grenzen der jeweiligen Instrumente liegen und welche Synergien sich wiederum durch eine intelligente Verknüpfung ergeben können, zeigt ein Beispiel eines Online-Versandhändlers. Dieser musste feststellen, dass ein erheblicher Anteil seiner Kunden zwar Produkte in den Warenkorb legt, jedoch den Kaufvorgang in drei von zehn Fällen abbricht. Über eine repräsentative Befragung der eigenen Zielgruppe hat das Unternehmen herausgefunden, dass die meist genannten Gründe dafür die Versandkosten und das Fehlen der gewünschten Zahlungsart waren. Als Konsequenz initiierte der Onlinehändler eine Warenkorbabbrecher-Kampagne. Jeder Shopbesucher, der den Kaufprozess nicht zu Ende bringt, erhält unmittelbar nach Abbruch des Vorgangs eine E-Mail mit einem Gutschein in Höhe der Versandkosten. Löst er diesen ein und vollendet damit den Kaufprozess, endet die Kampagne hier und es folgt die reguläre E-Mail-Kommunikation. Reagiert der Empfänger nicht, wird er in einer weiteren E-Mail nach den Gründen für den Kaufabbruch gefragt. Die gleiche E-Mail erhält ein Kunde, wenn er ein zweites Mal innerhalb der Kundenbeziehung den Kaufprozess abbricht. Nimmt der Empfänger an der Befragung teil, erhält er nach wenigen Tagen eine dritte E-Mail mit einem individuellen Angebot. An dieser Stelle endet die Kampagne und die Regelkommunikation wird fortgesetzt. Der Versandhändler steigert so nicht nur den Umsatz durch das Ausschöpfen bisher ungenutzter Potenziale. Aufgrund der Befragungsergebnisse konnte er gezielt auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingehen und Hürden im Kaufprozess minimieren.
Während uns Big Data und Business Intelligence die Wirkung von Marketingmaßnahmen aufzeigen und uns eine sehr gezielte und effektive Steuerung dieser ermöglichen, erklärt uns die Marketingforschung die Ursache für das Verhalten von Konsumenten und zeigt auf, welche Steuerungsmaßnahmen ergriffen werden müssen.
Durch die richtige Verknüpfung der Erkenntnisse aus Marketingforschung und Datenanalyse können die Vertriebs- und Kommunikationsprozessen frühzeitig auf veränderte Marktbegebenheiten angepasst werden und garantieren einen langfristigen Unternehmenserfolg.
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