Die Frage zum Sonntag! Bewegung bei Parteien, Stabilität in Lagern

Kurz vor der Sommerpause wird die deutsche Politik durch den Ukraine-Krieg, die unsichere Energieversorgung und die fortschreitende Inflation weiterhin auf Trab gehalten. Turbulente Zeiten, in denen Bewegung in der Parteienlandschaft entsteht? Auf den ersten Blick mag das stimmen, aber es lohnt eine genauere Betrachtung.

Wechsel an der Spitze der deutschen Parteienlandschaft

Im aktuellen pollytix-Wahltrend (dem gewichteten Mittel der veröffentlichten Sonntagsfragen zur Bundestagswahl verschiedener Institute) fällt ins Auge, dass es an der Spitze einen Wechsel gegeben hat. Die SPD konnte ihr Ergebnis der Bundestagswahl über die vergangenen Monate nicht halten und hat seit der letzten Bundestagswahl 5,8 Prozentpunkte eingebüßt. Zwar kam es nach der „Zeitenwende-Rede“ zu einem kurzen und überschaubaren „Rally-’round-the-Flag-Effekt“, danach büßte die SPD im Parteienranking allerdings deutlich ein und liegt nur noch auf dem dritten Platz.

Die Union hingegen hat sich von der Wahlschlappe ein Stück weit erholt. CDU/CSU haben seit September 2021 2,7 Prozentpunkte gewonnen und sind seit Mitte April wieder durchgängig stärkste Kraft im Land. Allerdings ist die Union weit von vergangenen Spitzenwerten jenseits der 30 Prozent entfernt. Sie legte nach einer Schwächephase rund um die Bundestagswahl vor allem nach der Klärung der Führungsfrage im Januar zugunsten von Friedrich Merz zu, die vermutlich aber für die FDP kaum hilfreich war: Letztere verlor seit der Bundestagswahl 3,4 Prozentpunkte.

Die großen Gewinner sind aber die Grünen, die seit der Bundestagswahl 7,4 Prozentpunkte zugelegt haben: Ihre Themen gewannen nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg stark an Salienz, weshalb sie elektoral besonders stark von den aktuellen Herausforderungen im Themencluster Energie, Klima und Transformation profitieren. Wirtschaftsminister Habeck und Außenministerin Baerbock finden aktuell insbesondere durch ihren authentischen Kommunikationsstil Anklang.

Politische Lager bleiben nahezu unverändert

Auf Parteienebene hat sich damit seit der Bundestagswahl einiges getan, betrachtet man dagegen die beiden großen Blöcke – Schwarz/Gelb und Rot/Grün – zeigt sich vor allem Konstanz, denn in Summe stehen beide Lager ähnlich da, wie im September 2021. Nach der Bundestagswahl konnten SPD und Grüne rund 41 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen, FDP und Union etwa 36 Prozent. Damals reichte es weder für die Konstellation Rot/(Rot/)Grün noch für Schwarz/Gelb. Zehn Monate später liegen Grüne und SPD gemeinsam bei 42 Prozent und bewegen sich in den letzten 9 Monaten in einem Korridor zwischen 39 und 44 Prozent, FDP und Union kommen zusammen auf 35 Prozent und bewegten sich weder unter 33 noch über 37 Prozent. Erfahrungsgemäß finden die Parteibewegungen stärker in als zwischen den Lagern statt.

Keines der beiden Lager kann aktuell eine absolute Mehrheit der Wähler*innen hinter sich versammeln. Weder für Rot/Grün noch Schwarz/Gelb würde es derzeit reichen. Auch mit Unterstützung der Linken, die aktuell an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt, ist eine parlamentarische Mehrheit nicht drin.

Und die Zukunft hat weitere Unbekannte parat: Der Krieg in der Ukraine, Energieknappheit und damit verbundene Preissteigerungen sowie die weiter schwelende Corona-Pandemie müssen bewältigt werden. Dazu kommen die Metathemen ökologische Transformation und Digitalisierung. Für die Regierungsparteien wird es in den nächsten Monaten darauf ankommen, die Energieversorgung über den Winter sicher zu stellen. Entscheidend ist zudem, ob Bürger*innen den Eindruck haben, dass die Maßnahmen der Regierung die Folgen der Krisen spürbar abschwächen. Es bleibt also spannend und wird weiter Bewegung geben, mindestens bei den Anteilen der Parteien.

Über Rainer Faus

 

Rainer Faus, geschäftsführender Gesellschafter der pollytix strategic research gmbh (Bild: Rainer Faus)
Rainer Faus ist Diplom-Sozialwissenschaftler und Co-Gründer sowie geschäftsführender Gesellschafter der pollytix strategic research gmbh in Berlin, einer Agentur für Meinungsforschung und forschungsbasierte Beratung an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft & Gesellschaft. In den letzten 15 Jahren hat er an mehr als 40 Wahlkämpfen auf kommunaler, Landes und Bundesebene in Europa, Asien und Australien gearbeitet.

 

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