Henner Förstel, MANUFACTS Beratung: Was Marktforscher von sich selbst lernen können

Institute sehen sich einer Vielzahl an unterschiedlichen Organisationen und Kundentypen in der Rolle des betrieblichen Marktforschers gegenüber - und jede bzw. jeder davon verlangt auch eine eigene Art von Beratungsansatz. Da liegt es ja nur nahe, dass wir auch die Adressaten von Marktforschungsberatung in unterschiedliche Zielgruppen unterteilen, frei nach dem Persona-Ansatz für das kundenzentrierte Produkt- und Service-Design. Hier mal der Versuch einer Typologie der Einkäufer von Marktforschung (stark vereinfacht und mit einem Augenzwinkern zu lesen):
Typ 1: "Der Schrauber"
Dieses Cluster besteht aus betrieblichen Researchern, die möglichst viele Erhebungen und Analysen in-house durchführen. Sie bedienen sich gerne der Vielfalt an DIY-Softwarelösungen, die der Markt bietet und übernehmen damit weitgehend die Rolle eines Full-Service-Institutes im eigenen Unternehmen.
Wozu braucht dieses wachsende Segment noch die Beratung einer externen Agentur? In erster Linie wohl für die etwas komplizierteren und anspruchsvollen Projekte. Ganz so wie im privaten Leben: einen IKEA-Schrank aufbauen: Klar! Aber gleich die ganze Küche montieren? Vielleicht eher nicht.
Und wo kann Beratung in diesem Kontext ansetzen? Logischerweise im konzeptionellen und methodischen Bereich, indem Lösungen angeboten werden, die über reine Standard-Tools hinausgehen. Aber auch indem das Institut die Rolle eines Coaches übernimmt, der verschiedene Stränge zusammenführt und vor allem bei den 'Leuchtturm-Projekten' unterstützt. Gerade die DIY-affinen Unternehmen haben für uns Dienstleister relativ kurze Wege zur Entscheider-Ebene, weil es bei ihnen mehr um die externe Perspektive als um unerschließbare Insights geht. Wir dürfen unangenehme Wahrheiten aussprechen, die Internen nicht.
Typ 2: "Der Inhouse-Consultant"
Das zweite Cluster ist wohl das traditionellste, was die Rolle der betrieblichen Marktforscher betrifft. Die Marktforschung verlegt sich hier stark auf die externe Unterstützung von Marktforschungsinstituten. Die betrieblichen Kollegen haben in der Regel selbst Erfahrung auf der Dienstleister-Seite und steuern die Ressourcen aus einer stark fachlichen Perspektive heraus. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die methodische Anbieter-Auswahl und die interne Kommunikation von Insights. Für die eigenständige Feldarbeit bzw. Datenerhebung bleibt da kaum Zeit.
Da viele betriebliche Marktforscher aus diesem Segment selbst eine interne Beraterrolle einnehmen, müssen sich Institute hier stärker auf die Rolle des Sparrings-Partners konzentrieren. Damit ändert sich auch das Angebot: So haben wir z.B. für dieses Segment eine neuartige Online-Reporting-Plattform entwickelt, über die betriebliche Marktforscher noch schneller, direkter und redaktionell 'verdaubarer' Insights verteilen können (als Ergänzung zum standardgemäßen Storytelling-Report). Auch ausführliche Umsetzungsberatung ist in dieser Zielgruppe gewünscht und erfolgreich, allerdings werden Handlungsempfehlungen nicht vom Institut alleine entwickelt, sondern in intensiven Insight Activation Workshops gemeinsam erarbeitet. Unsere Rolle als Agentur ist hier eher eine inspirative, weniger eine konsultative.
Typ 3: "Der Moderator"
Cluster 3 besteht nicht aus gelernten Marktforschern, sondern eher aus Marketing Managern oder anderen Entscheidern aus Unternehmen, die oftmals keine dedizierte Marktforschungsabteilung haben. Kunden dieses Typs steuern oftmals ein ganzes Ökosystem aus Agenturen in den Bereichen Kommunikation, Interactive, Strategie - und eben Marktforschung. Die Insights der Researcher sind in diesem Kontext nur ein Puzzlestück, welches zusammen mit dem Input anderer Dienstleister zu einem größeren Bild zusammengesetzt wird. Der Kunde des Instituts agiert als Moderator, der verschiedene Spezialisten zusammenbringt und koordiniert.
Es ist nur folgerichtig, dass in dieser Konstellation Beratung nach dem ganzheitlichen Verständnis nur eingeschränkt möglich ist. Vielmehr sind die Institute häufig in der Junior-Rolle. Trotzdem sind Marktforscher gut beraten, sich auch hier nicht alleine auf die Rolle des Zulieferers zu beschränken. Wer sich flexibel auf ungewohnte konzeptionelle Zugänge und Unternehmenskulturen einstellen kann, der kann in solchen Situationen wichtige Impulse setzen und darüber hinaus viel für den eigenen Beratungsansatz lernen. Der wichtigste Erfolgsfaktor bei Kunden in Cluster 3 ist das Charting, das nicht nur Geschichten erzählt, sondern komplizierte Sachverhalte und Analysen in eingängiger und besonders kompakter Form darstellt. Wir werden hier auch häufiger für schönes Foliendesign gelobt als für eine besonders ausgefeilte Methodik.
Typ 4: "Der Analytiker"
Wie der Name schon sagt, ist das vierte Cluster das 'nerdigste' von allen. Hier finden sich jene Kunden, die sich am liebsten auf harte Fakten verlassen. Sie sind in Unternehmen zu finden, die aufgrund ihres Geschäftsmodells viele eigene Daten generieren (z.B. Handel, Touristik usw.) und in denen KPIs ein zentrales Steuerungselement sind. "Der Analytiker" sucht in einem zunehmend komplexen Verbraucher-Kosmos nach verlässlichen Regeln, anhand derer sich der Unternehmenserfolg steuern lässt. Personen in dieser Zielgruppe kommen nicht zwingend aus der Marktforschung, sondern mitunter auch aus der klassischen Management-Schule.
Überflüssig zu sagen, dass Advanced Data Analytics in diesem Segment ein zentraler Erfolgsfaktor sind. Und auch hier kann Beratung ansetzen. Zum Beispiel helfen wir Kunden dabei ihre Zielgruppen-Segmente schon an frühen Touchpoints zu identifizieren, um daraus kundenindividuelle Verkaufsstrategien abzuleiten. Oder wir erklären anhand von Modellen, wie man KPIs möglichst effizient beeinflussen kann. Ist das noch Beratung? Vielleicht nicht im 'klassischen' Sinne, aber letztlich dient es den gleichen strategischen Zielen.
Was alle Segmente vereint, ist, dass sie von Marktforschungsberatung profitieren. So unterschiedlich wie die Kunden auf betrieblicher Seite, so vielfältig sind aber mögliche Beratungsansätze. Institute müssen dabei in viele verschiedene Rollen schlüpfen. Anders als die großen Management Consultants können wir es uns nicht leisten, mit strategischen Schablonen an Kunden heranzugehen. Vielmehr müssen wir kundenzentrierter denken - womit wir aber auch unsere Stärke und DNA ausspielen können. Mischen wir noch Selbstbewusstsein, Haltung und Persönlichkeit dazu, können wir als Berater überzeugen und begeistern, egal in welchem Setting.
Zum Autor: Henner Förstel ist Gründer und Managing Partner von MANUFACTS Research & Dialog, einem Full Service Marktforschungsinstitut aus Köln. Davor war er in leitender Funktion bei YouGov tätig. Weitere Stationen waren MediaTransfer (heute: Harris Interactive) und Nielsen. Neben seiner Funktion als Institutsleiter ist Henner Förstel im Regionalrat des BVM und in beratender Funktion bei der DGOF tätig.
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden