Frauen in der Marktforschung: Angela Giebner, Happy Thinking People "Bei uns muss niemand die Wahl zwischen Familie und Karriere treffen"

Teil zwei unserer Serie "Frauen in der Marktforschung" mit Angela Giebner, Managing Director bei Happy Thinking People in Berlin.

Angela Giebner (Bild: Happy Thinking People)

Angela Giebner (Bild: Happy Thinking People)

marktforschung.de: Sie haben auffallend viele weibliche Mitarbeiterinnen. Warum?

Angela Giebner: Wir haben auch auffallend viele verschiedene berufliche Hintergründe, Nationalitäten, sexuelle Orientierungen, verschiedene Talente, Mentalitäten… Ich glaube, Offenheit kann immer nur grundsätzlich sein. Wir sind einfach sehr heterogen in jeglicher Hinsicht und haben das immer gefördert. Wir haben auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Familien gegründet haben. Und auch wenn wir Dienstleister sind, haben wir uns so organisiert, dass jede und jeder Teilzeit arbeiten kann. Sogar in hohen Positionen. Vollzeit war bei uns nie eine Voraussetzung, um Karriere zu machen. Niemand muss die Wahl treffen zwischen Familie und Karriere.

marktforschung.de: Was denken Sie, zeichnet weibliche Führung aus?

Angela Giebner: Diese Frage müssten Sie meinem Mitgeschäftsführer Oliver Schieleit stellen. Er meint, dass eigentlich er der "weibliche" Part in der Führung sei... Im Ernst, ich tue mich etwas schwer mit dem Konzept von weiblicher Führung. Man landet schnell bei Stereotypen. Wenn ich sage, am Ende bin ich die Strengere von uns beiden, aber auch die Fürsorglichere, ich höre lange zu und denke über das Gesagte nach, anstelle sofort mit Lösungen um die Ecke zu kommen etc., dann operiere ich ja auch mit Zuschreibungen: männlich = streng, weiblich = empathisch. 

marktforschung.de: Wie haben Sie sich auf Ihre Führungsrolle vorbereitet?

Angela Giebner: Ich bin reingewachsen. Und fand das auch völlig normal. Ich will aber etwas anderes nicht unterschlagen. Man kann von außen auf uns schauen und sagen: Ha, im deutschen Management der Happy Thinking People sind fünf Männer und eine Frau. Aber das war weder so gewollt noch forciert. Es hat sich einfach so ergeben. Unser indischer Standort wird von einer Frau geführt, in Paris ist vor kurzem eine neue Kollegin in die Geschäftsführung eingestiegen, unser Data- und IT-Team wird von einer Frau geleitet und wir haben eine Fieldwork-Services-Chefin.

marktforschung.de: Welche Eigenschaften braucht man, um sich als Frau in der Marktforschung durchzusetzen?

Angela Giebner: Die gleichen wie ein Mann auch. Ich habe es beim Kunden noch nicht erlebt, dass ich weniger ernst genommen werde, weil ich eine Frau bin. Am Ende kommt es darauf an, mit welchen Männertypen man zusammenarbeitet. Dieser Typ Mann, der strotzend vor Selbstsicherheit daherkommt mit so einem 'Hey hier bin ich und alles was ich mache ist richtig', kann schon anstrengend sein. Jedenfalls anstrengender als andere, die sich auch mal selbstkritisch in Frage stellen oder Feedback einholen. Aber ich erlebe durchaus auch unkooperative und dominante Frauen, die ihre Teams in Angst und Schrecken versetzen…

marktforschung.de: Ist die Branche generell eine Männerwelt?

Angela Giebner: Na ja, die qualitative Forschung ist sehr weiblich und die quantitative sehr männlich. Weil Frauen angeblich besser zuhören können und Männer angeblich besser rechnen. Das wäre doch schön einfach. Wobei sich die Gewichtung vermutlich sogar durch Daten belegen ließe. Heißt, es gibt keine generische Antwort auf diese Frage. Was ich erstaunlich finde, ist, dass Frauen, wenn sie Mütter werden, in schwierige Situationen kommen können. Am Ende bleibt doch viel an ihnen hängen. Klar, Elternzeit nehmen inzwischen auch die Väter, aber Teilzeit arbeiten dann so gut wie immer die Mütter, weil der Mann unabkömmlicher ist und/oder mehr verdient. Da geht es zum Teil noch recht traditionell zu. Was aber nicht spezifisch für unsere Branche gilt.

marktforschung.de: Ist Alter für Sie ein Thema?

Angela Giebner: Na klar. Vor allem in meiner schwierigen Phase: nicht mehr jung und noch nicht weise. Aber für wen bitte ist Altern kein Thema? Sie sollten da mal einige meiner männlichen Kollegen hören: "Oh Gott, ich sehe aus wie mein Vater.", "Hilfe, ich kriege einen Bauch." Nicht dass die Frauen den Männern da nachstehen, sie kommunizieren es nur weniger offensiv. 

marktforschung.de: Haben Sie schon Erfahrungen gemacht mit der berühmten Stutenbissigkeit, die Frauen gerne unterstellt wird?

Angela Giebner: Alle Pferde beißen. Woher kommt eigentlich dieser Begriff? Und warum gibt es keine Hengstbissigkeit? Gut, der Vollpfosten hat auch keine weibliche Entsprechung. Semantisch gesehen. Ich will nicht sagen, dass der Begriff völlig aus der Luft gegriffen ist. Aber er greift vermutlich eher in hierarchischen Strukturen oder ausgesprochenen Konkurrenzsituationen. Ich bin ihr jedenfalls noch nie begegnet, oder habe es einfach nicht gemerkt.

marktforschung.de: Gab es eine Person, die Sie in Ihrem Werdegang gefördert hat? Vielleicht sogar eine(n) Mentor/-in? Oder ein Vorbild?

Angela Giebner: Ja, vier Menschen, um genau zu sein. Allesamt Männer. Und eher Mentoren als Vorbilder. Wobei ich Werdegang jetzt weit fasse, als Lebensweg. Wenn ich es auf den Beruf begrenze, dann ist es mein Chef, Sven Arn. Er hat so viel Urvertrauen in meine Fähigkeiten gesetzt, dass mir gar nichts anderes übrig blieb, als sie auszubilden.

marktforschung.de: Sind Sie Mitglied in einem Frauen- oder gemischten Netzwerk? 

Angela Giebner: Ich bin ein großer Fan der HBA (Healthcare Business Women Association). Eine Freundin hat mich im letzten Jahr auf den European Summit in London eingeladen, und ich habe sofort Feuer gefangen. Beim ersten Anblick dieses riesigen Saals voller Frauen und der ganz speziellen Atmosphäre, die Frauen unter sich kreieren, sei es mit einem Lächeln oder einer aufgehaltenen Tür. Beim Hören der klugen und eloquenten Vorträge von Wissenschaftlerinnen, Gründerinnen, zeitweisen Aussteigerinnen, Chefinnen in Großunternehmen. Und beim Netzwerken mit diesen Frauen und solchen, die das eine oder andere noch werden wollen. Der Grundgedanke ist sich zu unterstützen und voranzubringen. Darüber hinaus gibt es ein Füllhorn an Angeboten, vom Mentoring bis hin zu Webinaren. Alles unter der großen Überschrift Geschlechtergleichheit, Förderung von weiblichen Talenten, Befähigung von Frauen für Führungspositionen im Healthcare Bereich. Und weil ich das genauso intelligent wie auf sympathische Art hemdsärmelig finde, habe ich gerade die Stelle des Director at Large of Membership and Volunteers für das noch junge Berlin-Chapter übernommen.

marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Giebner!

Zur Person: Angela Giebner hat Germanistik, Politik und Pädagogik studiert und arbeitete nach dem Studium im Lehrerberuf bis sie für Forschungsarbeiten im Bereich Literaturwissenschaft wieder an die Universität zurückkehrte. Im Anschluss war sie mehrere Jahre als Moderatorin und Redakteurin für das Fernsehen tätig. Seit inzwischen über 20 Jahren ist sie Marktforscherin bei Happy Thinking People und seit 6 Jahren Managing Director des Berliner Büros. 

Das Interview führte Ulrike Schäfer.

 

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