Begleitnutzung und Second Screen – Die neue Herausforderung für TV-Spot-Tests

Dirk Ziems (concept m)

Von Dirk Ziems, Managing Partner von concept m

Das Medienverhalten hat sich stark gewandelt. Insbesondere seit dem Siegeszug der Smartphones hat sich der Bezug der Mediennutzer zu Online-Angeboten und zu Social Media stark verändert. In der groß angelegten Studie "Die hybride Mediennutzung" konnte concept m genau aufschlüsseln, inwiefern sich der Bezug der Nutzer zu den Medien verändert hat. Medien sind Tagesbegleiter vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Sie strukturieren den Tageslauf und das Sozialverhalten und es findet ein hybrider Austausch zwischen den Kanälen statt, der die Grenzen von Online zu Broadcast, TV zu Internet und interaktiv zu passiv-konsumierend fließend werden lässt. Die Wirkung von TV-Spots ist von dem Wandel der Mediennutzung stark betroffen. Insbesondere in den Daytime- und Vorabend-Verfassungen wird Fernsehen häufig als Begleitmedium neben Haushalts- und sozialen Aktivitäten oder parallel zum Second Screen des Laptops/ iPads oder Smart Phones genutzt. Entsprechend werden TV-Programme und TV-Werbespots mit einer zerstreuten oder genauer gesagt wechselhaft ausgerichteten Aufmerksamkeit wahrgenommen.

Die Standard-TV-Werbeforschung hat diesen Zusammenhängen meines Erachtens bislang zu wenig Beachtung geschenkt. Es macht den Eindruck, als gingen sowohl die qualitativen als auch die quantitativen TV-Spot-Tests implizit meist noch immer zu stark von dem involvierten Zuschauer aus, der dem Fernsehprogramm intensiv folgt. Die Testanlage vieler Standard-Verfahren zur TV-Werbewirkung versetzt die Testpersonen jedenfalls in eine entsprechende Aufmerksamkeitsposition. Die Testpersonen wissen meist von vorn herein, dass sie für einen Werbetest eingeladen werden. Die Tests finden meist auch in Studio-Settings statt, in denen eine wache Arbeitsatmoshäre vorherrscht, die gar nicht den zerstreuten Fernsehatmosphären von zu Hause entspricht. Wenn dann noch die Testanweisung kommt, sich im Folgenden einen TV-Spot anzusehen, der danach besprochen wird, hat sich der Test vollends von einer realistischen Erfassung der tatsächlich relevanten Rezeptionsumstände entfernt.

Für die Wirkung von TV-Spots und Online-Werbung haben Begleit- und Parallelnutzung jedoch starke Auswirkungen. In Begleit- und Parallelnutzungs-verfassung nehmen die TV-Nutzer Werbung ganz anders wahr als bei konzentrierter und voll involvierter Ausrichtung.

concept m konnte diese Zusammenhänge im AlltagsStudio-Setting der von concept m betriebenen Forschungswohnung eingehend untersuchen. Zentraler Befund: Entgegen dem naheliegenden Vorurteil der verpufften Wirkung – gehen Begleit- und Parallelnutzung mit relativ günstigen Rezeptionsbedingungen einher.

  • Die Werbekritik ist in der Begleit- und Parallelnutzungsverfassung herabgesenkt, weil sich die Zuschauer nicht als aktiv fernsehend und als Opfer eines Beeinflussungsversuchs durch die Werbung erleben.
  • Bei der Parallelnutzung dient das Fernsehen im Wesentlichen der Belieferung vertrauter Atmosphären. Wenn ein neuer, unbekannter Spot durch Schlüsselreize Interesse weckt, hat er besondere Durchsetzungschancen.
  • Bekannte TV Spots werden ungesehen wie "alte Bekannte" erfasst. Bei oberflächlichem Registrieren oder z.T. bei bloßem Hinhören wird die Werbestory erinnert, und es entsteht bei gelungenen Spots der Effekt eines Kopfkinos: Die Zuschauer ergänzen die bekannten Bilder des Spots hinzu.
  • Das Gehörte (Audio-Track des Spots) entwickelt in der Parallelnutzungs-verfassung eine starke Bedeutung, weil die Zuschauer in dieser Verfassung zunächst über die erlebte akustische Atmosphäre eine Beziehung zu dem Werbemittel aufbauen.
  • Die Kopplung von TV und Internet in der Parallelnutzungssituation einzigartige neue Möglichkeiten für die Werbewirkung. Das Wohnzimmer wird zum unmittelbaren POS, wenn der Mediennutzer Werbeinhalte, die er unwillkürlich aus einem TV-Spot aufgreift online am Laptop oder Tablet-Computer weiterverfolgt.

Die spannenden Befunde zur Parallelnutzung stellen die TV-Spot-Tests vor neue Herausforderungen. Es gilt, die Wirkung der scheinbar beiläufigen Rezeption genau zu erfassen. Meines Erachtens sollten dazu schon bei der Wahl des Testsettings und der Testanlage neue Wege beschritten werden. So etwa Testformen, die die emotionale Wirkung der Atmosphären der Spots erfassen können, und projektive Verfahren, die das implizit anlaufende Storytelling der Spots ergänzen.

 

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  1. eva lukaschewski am 04.11.2012
    habe von einer einstufung gehört (1-3) in die die smartphone benutzer eingeschätzt werden.
    gibt es einen test den ich machen kann um das für mich zu ermitteln ?

    grüsse aus düsseldorf

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