Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold B2B: Wenn sich Buying Center und Selling Center gegenüberstehen

Bei Kaufprozessen stehen auf der einen Seite das Buying Center und auf der anderen das Selling Center (Bild: picture alliance / Westend61 | Gustafsson)
Die Personen, die auf der Einkaufsseite mitwirken, werden häufig in einem Gremium zusammengefasst, das bekannterweise als Buying Center bezeichnet wird. Es weist den Beteiligten verschiedene Rollen im Hinblick auf den Beschaffungsprozess zu: Initiatoren, Informationsselektierer (Gatekeeper), Beeinflusser (Influencer), Entscheider (Decider), Einkäufer (Buyer) und Benutzer (User) sind hier die (sprechenden) Rollenbezeichnungen, die kürzlich die beiden Professoren Michael Fretschner und Jan-Paul Lüdtke in ihrer Kolumne „50 Jahre Buying Center - Wer kauft da eigentlich ein?“ beschrieben.
Den teilweise sehr hohen Anforderungen beim Vertrieb von komplexen und höchst erklärungsbedürftigen Produkten und Leistungen kann der Verkäufer als Einzelperson in aller Regel nicht mit gleicher Qualität entsprechen.
Es ist also nicht ganz einfach, dem Buying Center etwas Adäquates auf der Verkäuferseite gegenüberzustellen. Häufig ist es dann die Geschäftsführung selbst, die evtl. vorhandene Defizite im Qualifikationsprofil durch ihre hierarchische Stellung wettmachen kann. Eine weitere Möglichkeit ist darin zusehen, dem Vertriebsmanagement (Vertriebsleiter) Spezialisten, zum Beispiel für systemtechnische oder konzeptionelle Fragen, an die Seite zu stellen.

Abbildung 1
Quasi als Antwort auf das Buying Center hat sich auf der Grundlage dieser Idee der Teambildung das Selling Center als multipersonale Form der Akquisition für größere Projekte etabliert. Teammitglieder im Vertrieb von komplexen Produkten (und Leistungen) können Verkäufer, Key Account Manager, System- und Anwendungsspezialisten oder die Geschäftsführung selbst sein. Mit dieser Teambildung kann man dem vielfältigen Informationsanspruch der Einkaufsseite ein entsprechendes Gewicht auf der Verkaufsseite gegenüberstellen.
In Abbildung 1 sind die Teammitglieder des Buying Center den entsprechenden Vertriebsrepräsentanten des Selling Center beispielhaft gegenübergestellt.
Die Darstellung kann als typisch für die meisten größeren Akquisitionsprozesse besonders im Geschäft mit komplexen Produkten und Leistungen (zum Beispiel IT-Projekte, High Tech-Produkte, Anlagen, Systeme) angesehen werden. Eine etwas vereinfachte Form des Selling Center ist die Bildung eines Tandems, bestehend aus einem Kunden- und einem Konzeptmanager, aus einem anwendungsorientierten und einem systemorientierten Verkäufer oder aus einem strategie- und einem umsetzungsbetonten Berater. Der Vorteil einer solchen Tandemlösung liegt in der Einsparung von Kosten unter Aufrechterhaltung eines arbeitsteiligen Vorgehens.

Abbildung 2
In Abbildung 2 sind Anbieter- und Kundenseite im Akquisitionsprozess mit ihren jeweiligen Center-Mitgliedern beispielhaft dargestellt. Dabei wird deutlich, dass sich in Abhängigkeit der Prozessphase die Zusammensetzung des jeweiligen Centers ändern kann.
Von besonderer Bedeutung für das B2B-Marketing ist es, die Mitglieder des Buying Center zu identifizieren und diese in ihrem Rollenverhalten zu analysieren.
Selling Center bilden sich – ebenso wie Buying Center – informell und sind in der Regel nicht organisatorisch verankert. Daher sind Umfang und Struktur dieses Verkaufsgremiums auch nur sehr schwer zu erfassen. Es lässt sich aber die These vertreten, dass die Anzahl der jeweils Beteiligten am Selling Center im Wesentlichen von folgenden Faktoren abhängt:
- Wert bzw. Größe und Komplexität des Verkaufsobjektes
- Einfluss des Produkts bzw. der Problemlösung auf Prozesse und Organisation beim Kunden
- Größe des Anbieters
Auch kann nicht festgeschrieben werden, ob teilweise mehrere Rollen von einer Person und ob die einzelnen Rollen teilweise von mehreren Personen wahrgenommen werden.
Ausführliche Informationen zum B2B-Marketing hier:
- D. Lippold: B2B-Marketing und -Vertrieb. Die Vermarktung erklärungsbedürftiger Produkte und Leistungen, Berlin/Boston 2021.
- D. Lippold: Die Unternehmensberatung. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 4. Aufl., Berlin/Boston 2022.
Über die Person
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.
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