Sonja Dlugosch, sd vybrant „Aus unserer Sicht muss man das Thema Nachhaltigkeit immer wieder in verschiedenen Kontexten auf die Agenda bringen“

Sonja Dlugosh (Bild: sd vybrant)
Welche Veränderungen haben Sie in Ihrem Institut in den letzten Jahren vorgenommen, um hausintern nachhaltiger zu werden?
Sonja Dlugosch: Dazu muss zuerst gesagt werden, dass Nachhaltigkeit viele Aspekte beinhaltet. Aufgrund unserer Gemeinwohl-Bilanzierung haben wir unser Unternehmen komplett auf den Prüfstand gestellt. Da wir uns bereits von Beginn an konsequent nachhaltig aufgestellt haben, spielte der Faktor Nachhaltigkeit von jeher bei jeder unserer Entscheidungen eine übergeordnete Rolle. Das sind auf der einen Seite ökologische Aspekte wie ein möglichst kleiner CO2-Fußabdruck. Aber auch soziale Aspekte wie Solidarität, Transparenz und Mitgestaltung gegenüber und gemeinsam mit Mitarbeitenden, Kunden sowie Lieferantinnen und Lieferanten stehen bei uns an oberster Stelle.
Konkret bedeutet dies, dass wir nicht nur unsere CO2-Emissionen möglichst gering halten, sondern auch sehr genau prüfen, mit wem und auf welche Art wir zusammenarbeiten, sowohl intern als auch extern. So suchen wir gezielt Lieferantinnen oder Lieferanten aus, die die Gemeinwohl-Orientierung und unsere Werte unterstützen. Des Weiteren müssen die Unternehmen aufzeigen, dass sie selbst auf faire Arbeitsbedingungen und auf ökologische Aspekte achten. Denn es ist uns wichtig, dass unser Erfolg nicht auf Missständen in unserer Zulieferkette basiert. Auch wir lassen uns jährlich durch unsere Lieferantinnen und Lieferanten bewerten und pflegen eine offene Kommunikation auf Augenhöhe.
Gleiches gilt für unsere Mitarbeitenden: Transparenz und Mitgestaltung spielen bei uns intern eine große Rolle. Wir setzen dabei mehr auf Identifikation und Verantwortung als auf Kontrolle und Hierarchie. Das heißt, dass unsere Mitarbeitenden aktiv in die Unternehmensgestaltung mit einbezogen werden. In regelmäßigen Mitgestalten-Meetings werden Prozesse gemeinsam definiert, wie zuletzt die Überstunden-Regelung, Urlaubsplanung oder Weiterbildung. Um die Mitarbeitenden dazu zu ermächtigen, pflegen wir eine sehr transparente Unternehmenspolitik mit vielen Austausch-Termin und teilen wichtige Unternehmenskennzahlen. Zudem fördern wir umweltbewusstes Verhalten.
Unsere Gelder haben wir zu 100 Prozent bei einer nachhaltigen Bank. Denn was nutzt es, wenn wir selbst nachhaltig wirtschaften und unser Geld dann bei der Bank für nicht-nachhaltige Aktivitäten verwendet wird. Mit unserer Eigentümer-Struktur stellen wir zudem sicher, dass wir selbst bestimmen können, was mit den Unternehmensgewinnen passiert und dass diese ausschließlich sozio-ökologischen Initiativen zugutekommen oder reinvestiert werden.
In Ihrer Webinar-Beschreibung heißt es, dass sie Ihr Produktportfolio unter nachhaltigen Gesichtspunkten umgebaut haben und Nachhaltigkeit zentrales Thema aller Tools geworden ist. Was genau bedeutet das? Können Sie uns Beispiele geben?
Sonja Dlugosch: Da dies auch Thema in unserem Webinar sein wird, möchte ich hier noch nicht zu viel verraten. Grundsätzlich geht es darum, dass wir gezielt den Austausch auf Augenhöhe und partizipative Prozesse für die Entwicklung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen, aber auch Strategien nutzen.
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Neben unserem altbewährtem Community-Ansatz, mit dem wir schon das ein oder andere Unternehmen bei seiner Transformation begleitet haben, haben wir dazu auch verschiedene qualitative Tools entwickelt, die sich mehr auf den Dialog zwischen Unternehmen und Kunden fokussieren.
Wie können Marktforschungsinstitute ihre Kunden für ein nachhaltigeres Handeln sensibilisieren?
Sonja Dlugosch: Aus unserer Sicht muss man das Thema Nachhaltigkeit immer wieder in verschiedenen Kontexten auf die Agenda bringen. Dabei hilft es, wenn man nachhaltigeres Handeln selbst in möglichst vielen Dimensionen vorlebt und umsetzt. Mit unseren Dialog-Formaten, in denen das Unternehmen in einen offenen Austausch mit den Kunden geht, ergibt sich die Sensibilisierung für ein nachhaltiges Handeln von selbst. Da wir viel mit mittelständischen Unternehmen zusammenarbeiten, haben wir auch oft direkten Zugang zu dem Top-Management und den Entscheidern.
Würden Sie sagen, dass der Großteil Ihrer Kunden bereits “angesteckt” von Ihrem Nachhaltigkeitsgedanken ist? Lehnen Sie es ab, mit Kunden zu arbeiten, die darauf keinen Wert legen?
Sonja Dlugosch: Ich denke, viele unserer Kunden werden von uns angeregt, mehr über Nachhaltigkeit nachzudenken. Nicht nur, dass wir das Thema bei unseren Projekten immer wieder auf die Agenda bringen. Zudem veranstalten wir jedes Jahr eine Spendenaktion, die wir gemeinsam mit unseren Kunden gestalten. Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht nur Umweltschutz. Soziale Aspekte wie faire Bezahlung und Engagement für benachteiligte Gruppen sind ebenfalls sehr wichtig. Wir sprechen auch offen über unsere Gemeinwohl-Bilanzierung und zeigen durch unsere Best-Practices, dass vieles möglich ist.
Mit wem wir zusammenarbeiten, prüfen wir im Einzelfall. Denn den größten Hebel gibt es oft bei Unternehmen, die noch nicht nachhaltig sind. Deshalb möchten wir diese nicht per se ausschließen. Aber gerade bei unethischen Unternehmen würden wir schon sehr genau prüfen, in welche Richtung das Projekt geht. Gleichzeitig verlangen wir von unseren Geschäftspartnerinnen und -partnern natürlich nicht, dass sie die gleichen Ambitionen wie wir haben. Jedes Unternehmen hat sein eigenes Tempo und wir freuen uns, wenn wir unterstützen können.
Inwiefern schulen bzw. sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden für die Thematik, damit diese Ihre Kunden glaubwürdig bei deren grüner Transformation unterstützen können?
Sonja Dlugosch: Das Thema Nachhaltigkeit ist bei uns omnipräsent. So hält jeden Montag jemand aus dem Kreis unserer Mitarbeitenden einen zehnminütigen Nachhaltigkeitsvortrag. Das Thema kann frei gewählt werden, solange es den anderen einen Mehrwert liefert. Diverse interne Initiativen tragen dazu bei, dass Nachhaltigkeit immer wieder Thema wird. Zudem kennen alle Mitarbeitende unsere Gemeinwohl-Bilanz, in der die verschiedenen Aspekte der sozio-ökologischen Nachhaltigkeit besprochen werden. In den jährlichen Zielvereinbarungen nimmt Nachhaltigkeit ebenfalls einen wichtigen Raum ein, sodass alle dazu angehalten sind, sich Gedanken zu machen und aktiv zu werden.
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Darüber hinaus nehmen unsere Mitarbeitenden auch oft an externen Konferenzen und Schulungen zum Thema Sustainability teil. Ich selbst habe eine Ausbildung zum Nachhaltigkeitscoach absolviert, die ich nicht nur extern für die Beratung von unseren Kunden nutze, sondern selbstverständlich auch intern. Als kleinen privaten Anreiz gibt es jeden Monat für alle Mitarbeitenden statt des obligatorischen Tankgutschein einen Gutschein des lokalen Biomarktes.
Unterstützt sd vybrant Naturschutzorganisationen oder ähnliche Projekte?
Sonja Dlugosch: Ja. Wir helfen auf verschiedenen Ebenen. Im Rahmen unserer CO2-Kompensation unterstützen wir beispielsweise regionale Projekte wie des Münchner Vereins Green City, um so die Begrünung der Stadt zu fördern. Zusätzlich gleichen wir unsere Emissionen mit myclimate aus, bei dem das Geld letztes Jahr einem Wiederaufforstungsprojekt in Nicaragua zugutegekommen ist und kleinbäuerliche Familien dabei unterstützt, ungenutzte Teile ihres Landes mit einheimischen Bäumen wieder aufzuforsten. Das Programm verbindet konkreten Natur- und Klimaschutz mit der Schaffung neuer Einkommensquellen für lokale Familien. Gerade diese Kombination von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit ist für uns sehr wichtig.
Auf sozialer Ebene haben wir dieses Jahr einen Teil unseres Gewinns an Kinderhilfsorganisationen gespendet. Die Mitarbeitenden konnten abstimmen, wo das Geld hingeht und am Ende ist die Entscheidung für die Stiftung Mitmachkinder und das Trauerland – ein Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche - gefallen. Unsere Kunden können sich auch jedes Jahr an unserer Weihnachts-Spendenaktion beteiligen. Je mehr unserer Kunden sich beteiligen, desto höher wird der Spendenbetrag. Die Organisationen, denen dies zugutekommt, sind dabei sehr unterschiedlich. Mal werden Bäume gepflanzt, mal soziale Projekte unterstützt.
Im letzten Jahr konnten sich zudem die Mitarbeitenden einen halben Tag pro Woche freinehmen, um ukrainischen Geflüchteten zu helfen. Dies wurde auch von zwei unserer Mitarbeitenden aktiv in Anspruch genommen, die teilweise heute noch Geflüchtete begleiten.
Wie stehen Sie zur CO2-neutral Zertifizierung? Ist dies auf dem Weg zu einer nachhaltigen Agentur auch ein Ziel Ihres Unternehmens?
Sonja Dlugosch: Ich finde es absolut notwendig, dass sich jedes Unternehmen auf seinen CO2-Fußabdruck hin prüft und überlegt, wie dieser verringert werden kann. Aber man muss auch ganz ehrlich sagen, dass wir als Institut per se einen sehr kleinen CO2-Fußabdruck haben, gerade wenn man sich mit anderen Branchen vergleicht und es somit keine Kunst ist, in Richtung CO2-Neutralität zu gehen. Selbst bei unserer wichtigsten Ressource, dem Strom, den wir zu 100 % Öko von Polarstern beziehen, ist bei uns der Verbrauch sehr klein. Insofern sehen wir in einer solchen Zertifizierung, die sehr zeitaufwendig ist, aktuell keinen wirklichen Mehrwert und investieren unsere Zeit lieber in andere Themen, die einen echten nachhaltigen Impact schaffen.
Über die Person
Sonja Dlugosch gründete Mitte 2014 die sd vybrant GmbH. Gemeinsam mit Kantar und Vodafone gewann sie 2014 den Innovationspreis der Marktforschung und ist nun mit sd vybrant und Vodafone wieder dafür nominiert. Schon 2009 hat sie der Community-Ansatz, bei dem sich Unternehmen und Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe begegnen können, begeistert. Mit der zusätzlichen Ausbildung als Nachhaltigkeitscoach liegt ihr Schwerpunkt vor allem darin, Unternehmen zu unterstützen, nachhaltigere Produkte und... mehr
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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