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Das Interview zum Webinar: Michael Schießl, Eye Square "Aufmerksamkeitsspannen werden durch die Rhythmik der Medien determiniert"

marktforschung.de: Herr Schießl, warum bewegt Sie das Thema Aufmerksamkeitsspanne? Und was genau ist eine Metaanalyse?
Michael Schießl: Das Thema Aufmerksamkeitsspanne bewegt uns außerordentlich, weil sie die zentrale Sache ist, in der sich die Veränderung unserer Zeit ausdrückt und manifestiert. So ist es interessant, dass im Bereich der Massenkommunikation Aufmerksamkeitsspannen durch die Rhythmik der Medien determiniert werden. Es gab übliche Aufmerksamkeitsspannen im Kino - 90 Minuten, es gab Aufmerksamkeitsspannen für Sendungen im Fernsehen, und auch die gab sie für die Werbung. Dafür waren etwa 30 Sekunden oder 15 Sekunden vorgesehen. Diese festen Fenster der Aufmerksamkeit sind in ihrer Veränderung in unterschiedlichsten kulturellen Phänomenen zu beobachten. Wie, das sehen Sie auch in unseren Aufmerksamkeitsdaten. Für die Metaanalyse verwendeten wir unsere Daten, die wir mittlerweile über 10 Jahre hinweggesammelt haben. Diese Daten haben wir zusammengefügt und dahingehend betrachtet, wie diese Aufmerksamkeitsfenster bei verschiedensten Medien - wir nennen sie Media Touchpoints - ausfallen, z.B. im Internet, im Fernsehen, im Print.
Sie haben in der Studie die Zusammenhänge aus Wahrnehmung und Wirkung analysiert. Welche sind die wichtigsten Ergebnisse, können Sie schon etwas verraten?
Eine Einsicht, die auch in anderen Bereichen durchscheint, ist in Zahlen sehr deutlich geworden. Die meisten Momente, insbesondere werbliche Wahrnehmung, die wir messen, sind kurz bzw. ultra-kurz. Über 50 Prozent der Wahrnehmungsereignisse liegen unter 2,5 Sekunden. Das ist beachtenswert. Dies geschieht auch über verschiedene Medienarten hinweg. Es gilt nicht nur für das Digitale, sondern auch für anderen Kanäle. Was wir außerdem in der Analyse des Zusammenhangs aus Aufmerksamkeit und Erinnerung gesehen haben war, dass diese kurzen Zeitfenster eine Wirkung haben. Diese Wirkung ist vielleicht geringer als bei den langen Aufmerksamkeitsfenstern, aber im kurzen Zeitfenster zeigt sich der deutlichste Anstieg der Wirkung. Wir fanden etwa in einer Regressionskurve, dass unter 2,5 Sekunden die Kurve den höchsten Anstieg hat. Nach 2,5 Sekunden flacht der Anstieg ab. In anderen Worten: in diesem kurzen Aufmerksamkeitsfenster ist etwas drin. Bemerkenswert fand ich auch, dass wir keine untere Schwelle der Wahrnehmung identifizieren konnten. Das heißt, auch die allerkürzesten Wahrnehmungsereignisse können eine Wirkung haben.
Im Bezug auf andere Studien zeigte sich außerdem, dass die Kreation eine der größten Erklärungskraft hat, was die Wahrnehmung an sich anbelangt. Wir halten sie für sehr entscheidend. Wichtig und bedeutend ist natürlich auch das Fokussieren der Zielgruppe, aber gern wird dabei vergessen, dass die eigentliche Kreation eine noch größere und ergänzend entscheidendere Rolle spielt.
Wird das Thema, um das es geht, von Werbetreibenden vernachlässigt? Immerhin ist das doch eine ureigene Aufgabe der Werbeagenturen, für eine maximale Werbewirkung zu sorgen, oder?
Werbeagenturen haben die Aufgabe, Kreationen zu liefern und dieser Aufgabe kommen sie natürlich auch nach. Ich glaube, dass Deutschland hochkreative Agenturen hat. Die Aufgabe des Auftraggebers ist nun zu entscheiden, welche dieser Kreationen geeignet ist. Die Aufgabe von uns als Experience Forscher ist es, dem Auftraggeber zu vermitteln, welche dieser Kreationen auch bei den Menschen da draußen ankommt. Welche dieser Kreationen lösen im kurzen aber auch im langen Wahrnehmungsfenster positive Emotionen und Gedanken aus, wie etwa Freunde, und üben damit langfristig einen guten Einfluss auf Marken aus? Werbeagenturen gehen ihrem Job nach und der Job der Marktforscher ist ein anderer.
Bringen Sie im Webinar am 17. März Beispiele aus der Praxis mit?
Wir werden auch Praxisbeispiele zeigen über sehr gelungene Kreationen und wir werden auch solche Beispiele zeigen, bei denen es den Kreationen nicht gelungen ist, in diesem Wahrnehmungsfenster erfolgreich zu sein.
Wir sind gespannt, danke für das Interview, Herr Schießl!
Das Interview führte Tilman Strobel
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