Natacha Dagneaud, Séissmo, und Herbert Höckel, moweb, zur Woche der Marktforschung "Auf Festivals passiert oft und gerne etwas Verrücktes"

Die Woche der Marktforschung ist als Festival konzipiert. Da die letzten Festivals ja schon eine Weile zurückliegen: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre letzten Festivalbesuche?

Natacha Dagneaud: Meine letzten Erinnerungen liegen trotz allem nur ein paar Tage zurück, als eine Rock-Band mitten in der Auvergne in der freien Natur zwischen Vulkan und Fluss gespielt hat und sich einige langhaarige Fans – mit dem gebührenden Abstand – zusammengefunden haben. Live ist eben nicht nur Musik besser als aus der Konserve ;-)
Was war das Verrückteste, das Sie jemals auf einem Festival erlebt haben?

Herbert Höckel: Auf Festivals passiert oft und gerne etwas Verrücktes. Meine stärkste Gänsehaut hatte ich vor vielen Jahren bei einem SEEED Konzert in der Nähe von Aachen. Mittendrin ist für etwa eine Minute der Ton komplett ausgefallen. Davon hat man im Publikum allerdings nichts mitbekommen, weil alle lauthals mitgesungen haben. Erst als Peter Fox sich für den Support und das Engagement bedankt hat wurde es offensichtlich. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie die Stimmung danach übergekocht ist.
Was werden Sie auf der WdM präsentieren? Warum sollte man Ihre Events nicht verpassen?
Natacha Dagneaud: Wir werden über das Konsumklima und die veränderten Einkaufsgewohnheiten sprechen. Wir wollen aber auch in Richtung Zukunft denken, mit Kreativitätstechniken als Turbo für Insights-Generierung. Semiotik wollen wir wieder in Erinnerung rufen: Die meiste Kommunikation leistet nach wie vor eine Verpackung. Hier und bei allen neuen kommunikativen Maßnahmen sollten wir den Sinn häufiger hinterfragen. Mit unserem Beispiel für den Einsatz von KI bei der Auswertung qualitativer Einzelexplorationen möchten wir außerdem Schule machen. Auch hier suchen wir mithilfe der Maschine nach dem tieferen Sinn – in unserer Erfahrung sind automatisierte Insights eine Chimäre. Für Entertainment sorgen unsere Brasilianer im Team, die Cocktails mixen werden.
Herbert Höckel: Da wir kein Webinar veranstalten werden wir weniger präsentieren, sondern viel mehr etwas anbieten. Nämlich unser erstes Live-Event, als Versuch den Party Charakter digital abzubilden. Alles wird heutzutage digitalisiert, also dachten wir uns: Warum nicht auch Partys? Aktuell ist das Ganze für uns noch absolutes Neuland. Momentan haben wir 1.000 gute Ideen und 1.000 mögliche Probleme. Wir sehen das allerdings sportlich und freuen uns über jeden interessierten und neugierigen Gast, der Lust hat, gemeinsam mit uns das Experiment zu wagen und die erste Online-Party der Marktforschungsbranche auf die Beine zu stellen.
An welchen Veranstaltungen werden Sie selbst im Rahmen der WdM teilnehmen?
Natacha Dagneaud: Verraten Sie mir doch einmal das Programm ;-) Wir alle im Team hier möchten von den vielen intelligenten Kollegen in der Branche lernen und natürlich auch Spaß haben. Interessant erscheint mir persönlich der fachliche Austausch mit den vielen jungen Anbietern von Textauswertung (insb. Natural Language Processing). Der Provider unserer maßgeschneiderten SaaS arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten an seinen Lösungen.
Herbert Höckel: Da wir derzeit noch mit den Köpfen in der Party-Planung stecken und wirklich alle Hände voll zu tun haben, bin ich selbst noch nicht dazu gekommen, den Veranstaltungskalender genauer zu studieren. Sobald wir unsere Veranstaltung in trockenen Tüchern haben, werde ich das natürlich nachholen. Ich bin mir aber jetzt schon sicher, dass viele interessante Vorträge dabei sein werden.
Wie sind sie als Institut bislang durch die Corona-Krise gekommen?
Herbert Höckel: Als Online-Institut sind wir seit Gründung digitalisiert und online aufgestellt, daher geht es uns prinzipiell gut. Dennoch bemerken wir seitens der Auftraggeber etwas Zurückhaltung und Skepsis. Schließlich haben die letzten Monate doch viele Unternehmen aus ihren gewohnten und funktionierten Systemen herausgerissen. Wir können uns glücklicherweise nicht beklagen und schauen optimistisch in die Zukunft.
Natacha Dagneaud: Wie bei vielen Kollegen sind auch bei uns die Studien schlagartig gestoppt worden. Qualitative Forschung wurde oft mit "echten Menschen" assoziiert. Das ist toll einerseits, denn das zeigt, dass wir für Empathie und ganzheitliche Wahrnehmung stehen. Fatal ist es aber, weil "digital qual" wunderbar funktioniert – zumindest auf der Einzelebene. Und weil wir mit Semiotik, Upcycling von Rohdaten sowie der Auswertung von öffentlichen Konversationen über die nötigen Kernkompetenzen verfügen. So sehen und nutzen wir die Krise als Chance für unsere Kunden und natürlich auch die Feldpartner, die vielen digitalen Möglichkeiten bei qual jetzt gemeinsam weiter voranzutreiben – das klappt viel besser, als allgemein bekannt ist.
Welche Dinge haben sich durch die Pandemie bei Ihnen verändert? Welche Chancen haben sich durch die Krise bei Ihnen aufgetan?
Natacha Dagneaud: Wir sehen die Chance für eine Modernisierung der Mafo in Deutschland: Durch das Geschäftsmodell "Studio" (also Räume + Rekrutierung) existierten hierzulande logischerweise große Hemmschwellen für die Durchführung von Online-Interviews. Dabei hatten wir seit 2016 von unseren angelsächsischen Partnern hierzu Nachfrage aber nur wenige willige Partner gefunden. Und das obwohl wir bereit waren, mehr für die Rekrutierung zu bezahlen, um den Ausfall der Räume zu kompensieren. Die Öffnung kam erst mit der Krise. Die Feldstudios haben enorm schnell dazu gelernt, eine tolle Arbeit geleistet und sind jetzt unsere "Guardians of the MR Galaxy" – ganz egal ob im realen oder digitalen Raum.
Herbert Höckel: Was wir in den letzten Monaten immer wieder festgestellt haben, ist, dass die Nachfrage nach Beratungsleistung gestiegen ist. Neben der Marktforschung wächst, gerade in diesen schwierigen Zeiten, die Notwendigkeit individueller Beratung. Darin sehen wir für uns großes Potential, welches wir in Zukunft weiter ausbauen möchten.
Auch das Konzept Home-Office hat sich für uns als Wachstumschance herausgestellt. Wir nutzen unser Büro eigentlich nur noch für Meetings, während das Alltagsgeschäft von zu Hause aus abgewickelt wird. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, neue Weg zu gehen, unser Büro komplett aufzulösen, umzugestalten und nach entsprechenden Renovierungsarbeiten als Co-Working-Space neu zu eröffnen.
Außerdem sehen wir eine höhere Bereitschaft unserer Kunden, von gewohnten Pfaden abzuweichen und neue, moderne Methoden auszuprobieren. So werden im Bereich der digitalen Forschung qualitative Methoden wie die Online-Gruppendiskussion oder Online-Tiefeninterviews immer häufiger gefragt, was uns als Online-Institut natürlich freut.
Wo sehen Sie Herausforderungen für die Marktforschungsbranche in den nächsten Jahren?
Natacha Dagneaud: Ich möchte, dass wir aus den Silos herauskommen: Wieso entstehen momentan in den Firmen fragmentierte MR-Welten, die miteinander in künstlicher Konkurrenz stehen? CX/UX auf der einen Seite, Insights auf der anderen…
Wir alle untersuchen doch, wie der Mensch tickt, handelt, denkt, fühlt. Denn Consumer-Centricity ist schon immer die primäre Mission der Marktforschung gewesen – oder etwa nicht? Wie Sie in Ihrem Dossier "Alles ist Marktforschung" bereits festgestellt haben, brauchen wir eher eine Stärkung der Gesamt-Position als eine weitere Spaltung.
Die zunehmende Kooperation unter den Akteuren in unserer Branche finde ich toll und längst fällig. Ich befürchte aber auch durch eine weitere Konzentrationswelle einen Verlust an "Bio-Diversität". Das gilt für die Rekrutierung der Probanden, die genutzten Plattformen, die Räumlichkeiten, die Events u.v.m..
Herbert Höckel: Im Thema Repräsentativität: Es tut mir leid, wenn ich einigen damit auf die Füße trete, aber gerade durch Corona zeigt sich, wie schwierig der Anspruch der Repräsentativität eigentlich ist. Derzeit ist es nur schwerlich möglich, von Tür zu Tür zu gehen, und auch im Call Center sehen wir uns mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Ich denke, dass es eine hohe Corona-bedingte Wechselbereitschaft von offline hin zu online Methoden gibt. Und dies wird zwangsweise die Diskussion über das Thema der Repräsentativität neu anstoßen und uns früher oder später vor die Frage stellen, wie wir Repräsentativität digital gewährleisten können.
Wenn Sie drei Wünsche für Ihr Institut frei hätten: Was würden Sie sich wünschen?
Natacha Dagneaud: Spannende Fragestellungen, die die Mitarbeiter motivieren. Mut zur Lücke, weil wir Spezialisten bleiben wollen. Und dass wir mit unserer empirischen Passion positiv anstecken und wirkliches Neuland betreten. Waren es jetzt mehr als drei? Qualitative Forscher können ja nicht zählen…
Herbert Höckel: Als Erstes würde ich mir wünschen, dass wir weiterhin bereit und auch mutig sind, uns für neue Umstände, neue Herausforderungen und neue Lösungsstrategien zu öffnen und auch, dass wir unsere so notwendige Neugier als Marktforscher nie verlieren.
Rückblickend auf die letzten drei Monate wünsche ich mir zweitens, dass wir bei der moweb auch alle zukünftigen Herausforderungen mit dieser Bereitschaft und diesem Mut angehen und diese weiterhin meistern werden.
Seit einigen Jahren bemerken wir eine steigende Nachfrage für Unternehmensberatung, die über die Ansätze der reinen Marktforschung hinausreicht. Zu guter Letzt wünsche ich mir, dass wir diesbezüglich unsere Kompetenzen weiter ausbauen können, um den Stellenwert der Marktforschung bei unseren Kunden zu erhöhen.
Was macht Séissmo auf der WdM?
Neben der inhaltlichen Beteiligung haben Sie auch ein Entertainment-Format am Abend gewählt. Auf was dürfen sich die Teilnehmer bei Ihnen freuen?
Natacha Dagneaud: Auf authentische brasilianische Cocktails und Remix-Versionen davon. Alles mit Vorab-Rezept Booklet, um die passenden Zutaten einzukaufen. Zwischendurch servieren wir Tipps für eine erfolgreiche Mafo in Brasilien. Wir verlosen außerdem 5 Plätze, um die hybride Veranstaltung live bei uns im Seminarraum zu erleben!
Sie haben ja den Begriff Shopping Exfearience in der Corona-Krise geprägt. Wie ist es aktuell um die Shopping Exfearience in Deutschland und Frankreich bestellt?
Natacha Dagneaud: Ja, der Begriff hat sich bereits nach wenigen Pilot-Interviews in Frankreich regelrecht aufgedrängt. Zwischen April und Juni haben wir zwar eine Besserung der Lage gesehen, aber der noch hohe Anteil der Verneinung bei der Wiedergabe des Lebensmitteleinkaufs überrascht uns doch sehr. Das lässt auf eine tieferliegende negative Einstellung beim Shoppen blicken. Wir starten in wenigen Tagen die dritte Erhebungswelle. Somit kommt das WdM-Publikum bei unserem Seminar noch vor allen anderen exklusiv in den Genuss der aktuellsten Ergebnisse!
Was macht mo‘web auf der WdM?
Das Interview mit Dir zum Thema "Scheinpraktikanten als Beobachter" im Rahmen unseres Dossiers Mystery Shopping hat damals für viel Aufsehen gesorgt. Ist die Methode aktuell überhaupt durchführbar?
Herbert Höckel: Aufgrund der derzeitigen Hygienemaßnahmen und der spürbaren Auswirkungen der Kurzarbeit, leider nicht. Wir versuchen aber durch online Einzelinterviews in Unternehmen und auch durch direkte Gespräche mit den Mitarbeitern, den Mystery-Mitarbeiter so gut es geht zu kompensieren.
Neben der inhaltlichen Beteiligung hat mo‘web auch ein Entertainment-Format am Abend gewählt. Auf was dürfen sich die Teilnehmer freuen?
Herbert Höckel: Eigentlich sind wir diejenigen, die sich auf die Teilnehmer freuen. Auf Menschen, die bereit sind, einen Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen, sich auf "Future Feiern" einzulassen und gemeinsam mit uns dieses Experiment zu wagen. Am Ende einer sicherlich interessanten Woche soll bei unserer Veranstaltung Networking und Spaß an oberster Stelle stehen und jedem Teilnehmer etwas bieten, das aufgrund der gegenwärtigen Situation häufig zu kurz kommt: eine Quasselecke für das gemütliche Beisammensein, einen Tanzwettbewerb für alle Feierlustigen und ein Cocktail-Seminar für die Cocktail-Trinker. Hauptsache, jeder hat Spaß. Und das ist es auch, was eine gute Party ausmacht.
Bei Eurem Event "We love Research! - Das Live Network Event" gibt es u.a. eine virtuelle Tanzfläche und einen Fotowettbewerb im virtuellen Fotostudio. Wie wird das genau ablaufen? Kannst Du schon mehr verraten, so dass sich Tänzer und Fotokünstler schon mal seelisch darauf vorbereiten können?
Herbert Höckel: Nein, das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht. Derzeit arbeiten wir noch mit Hochdruck an der Umsetzung unserer Vorstellungen und Wünsche. Leider gibt es für unser Konzept derzeit keine standardisierte Lösung. Wir erarbeiten daher noch die technische Umsetzung unserer Idealvorstellung…
Vieles ist schon definiert und in die Wege geleitet, einiges erfordert noch etwas "Daniel Düsentrieb". Wie das Endergebnis dann tatsächlich aussehen wird, werden wir alle gemeinsam am 08.10.2020 ab 18.00 Uhr erfahren.
Über die Interviewpartner


Hier können Sie sich für die Veranstaltungen der Woche der Marktforschung anmelden.
Redaktioneller Hinweis: Beide Interviews wurden unabhängig voneinander geführt und anschließend zusammengeführt.
cb
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

moweb research

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