Patient Journey und erfolgreiches Touchpoint-Management Auf der Suche nach einer besseren Lösung

Von Tanja Schlegl und Dr. Uwe Lebok, K&A BrandResearch
Im Verbraucher-Bereich hat sich der Begriff der „Customer-Journey“ längst etabliert und als wertvolle Erkenntnis für das Marketing durchgesetzt. Auch der Healthcare-Sektor hat unter dem Konstrukt der “Patient Journey“ dem Gesichtspunkt „patientenzentrierter Kommunikation“ eine neue Bedeutung gegeben. Grund dafür sind sicherlich auch Entwicklungen wie AMNOG und „mehr Rechte für den Patienten“. Der Patient ist nicht mehr länger nur der passive Empfänger medizinischer Leistungen, sondern wird immer mehr selbst zum aktiven (Mit-) Entscheider bei seiner Behandlung. So kann man sagen, dass auch die Präparate und Dienstleistungen in der Pharmabranche eine Reise durchlaufen, bevor sie schließlich vom Arzt verschrieben oder aber direkt in der Apotheke gekauft werden. Für das Marketing erschließen sich vor diesem Hintergrund neue Wege und Möglichkeiten, um mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten und sie vom Nutzen ihrer Präparate zu überzeugen. Und das zum Teil, ohne den Umweg über den „Verschreiber Arzt“ nehmen zu müssen. Eine besondere Herausforderung ist im Healthcare Segment dabei sicherlich, dass es nicht den „einen“ Endkunden gibt, sondern ein ganzes Kunden-Geflecht, dem ein Präparat auf seinem Weg vom Hersteller bis zum Endverbraucher gegenübersteht.
Um eine Patient Journey für Marketing plausibel und nachvollziehbar zu machen und diese dann auch zielführend nutzen zu können, sind zwei Ebenen von zentraler Bedeutung: Zunächst müssen die wichtigsten Touchpoints identifiziert werden, bei denen der Patient mit einem Präparat in Berührung kommen kann. (Abb. 1) Die Bedeutung und Gewichtung der einzelnen Touchpoints für den Patienten ergibt sich jeweils aufgrund der Schwere und Dauer der Erkrankung sowie daraus resultierend dem psychologischen Erlebens seiner Krankheit oder Beschwerden (emotionale Komponenten des Krankheitsleidens).

Abb. 1
Der Weg des Patienten zu „seinem“ Präparat gestaltet sich aufgrund dieser Dimensionen unterschiedlich. Ausgangspunkt hierbei ist, ob es sich um eine schnell zu behandelnde Bagatell-Erkrankung (Erkältung, Rückenbeschwerden, andere „Volkskrankheiten“) oder aber um eine schwerwiegende Erkrankung mit, im schlimmsten Fall, tödlichem Verlauf handelt (z.B. Krebs). In Abhängigkeit von Krankheitsschwere werden die Touchpoints als Informationslieferant und emotionale Stütze unterschiedlich wahrgenommen und erlebt. Während bei Husten, Schnupfen oder Heiserkeit der Betroffene die Behandlung meistens selbst in die Hand nimmt, kommt dem Einfluss des Arztes und anderer medizinischer Experten ein umso größeres Bedeutungsgewicht zu, je schwerwiegender die Erkrankung ist. Die Anzahl der genutzten Touchpoint-Optionen korreliert mit der Schwere der Erkrankung. Bei einfachen, weniger weitreichenden Symptomen und Beschwerden kann die Verantwortung leichter selbst übernommen werden. Das eigene Wissen und mögliche Handlungsoptionen werden durch die eigene Recherche in Internet, Foren und Blogs, über den Austausch und die Rückversicherung im sozialen Umfeld oder in einem Beratungsgespräch mit dem Apotheker erweitert. So reichen bei Bagatell- und Volkskrankheiten in der Regel weniger Kontaktpunkte aus, um einen Hebeleffekt beim Betroffenen auszulösen. Aus zahlreichen Eigenstudien wissen wir um die enorme (subversive) Bedeutung von Yellows bzw. „Patientenfachblättern“, wie z.B. der Apotheken Umschau o.ä., in diesem Bereich. Die Betroffenen speichern unbewusst Lösungen für die eigenen wahrgenommenen Probleme ab, um sie dann später bei Bedarf an entsprechender Stelle anbringen zu können (z.B. in der Apotheke: „…da gibt es doch auch ein natürliches Präparat…“).
Anders verhält es sich bei einer schwerwiegenden Diagnose. Diese stellt als lebensverändernder Einschnitt eine Krise für den Patienten (und auch seine Angehörigen) dar. Die wahrgenommene eigene Expertise reduziert sich auf ein Minimum. Der Patient fällt mit der Diagnose in ein mentales Loch. Angst, Unsicherheit und die wahrgenommene eigene Hilflosigkeit blockieren den Patienten und machen ihn zunächst handlungsunfähig. Aus psychoanalytischer Sicht werden die Emotionen mit Hilfe von unbewussten Abwehrmechanismen reguliert. Sie helfen dem Betroffenen, mit seinen Sorgen umgehen zu können oder sie zumindest für eine gewisse Zeit auszublenden.
Nicht selten stoßen daher erste Arzt-Patienten-Gespräche „auf taube Ohren“. Patienten müssen zunächst immer erst die neue Situation verarbeiten und für sich einen Weg zu finden, in der Folgezeit besser mit der Krankheit umgehen zu können. Erst nach Überwindung dieses emotionalen Tiefs, können Patienten wieder „zuhören“ und starten mit ihrer individuellen „Patient Journey“. Nun ist er auf der Suche nach Informationen und Handlungsmöglichkeiten zur Besserung seiner Situation (Abb. 2). Zentraler Need für alle Patienten ist eine Zusammenstellung an Informationen und Wissen, die dem Betroffenen gefühlt (oder auch tatsächlich) helfen, seine Situation besser zu akzeptieren.

Abb. 2
Diejenigen Unternehmen, die es verstehen, an den relevanten Kontaktpunkten einer Patient Journey die für den Patienten einschneidenden Informationen zu liefern, sind sicherlich prädispositioniert, was eine erfolgreiche Markenführung anbelangt. In Zukunft wird es mehr denn je gelten, den Ziel-Patienten die passenden Botschaften zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in den relevanten Kanälen und in der richtigen Art und Weise (= eindimensional, verständlich, handlungsrelevant) zu kommunizieren. Wer Marketing im 21. Jahrhundert neu begreift und auch aktiv über die wichtigsten Kanäle „lebt“, wird letztlich auch schneller und damit effizienter Erfolg beim Zielkunden haben. Erst recht im Healthcare-Segment. Und das mit den geeigneten Methoden für die Analyse und Hebelwirkung der zentralen Touchpoints.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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