Anja Manouchehri: "Man muss als betrieblicher Marktforscher gerade in diesen schwierigen Zeiten sehr darauf achten, an der richtigen Stelle zu sparen, damit die Qualität nicht leidet"

Anja Manouchehri, Spiegel-VerlagAnja Manouchehri, Projektleiterin Marktforschung beim Spiegel-Verlag, wurde in diesem Jahr für eine gemeinsam mit der YouGovPsychonomics AG durchgeführten Studie mit dem "Best Practice Award" der GOR geehrt. Im Interview mit marktforschung.de äußert sie sich zu dem ausgezeichneten Projekt sowie zur wachsenden Bedeutung der Online-Marktforschung und der gleichzeitigen Relevanz klassischer Forschungsmethoden. 

marktforschung.de: Frau Manouchehri, Ihre Studie zum Erfolg von Video-Ads auf Websites im Vergleich zu Werbesendungen im Fernsehen, die Sie gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut YouGovPsychonomics durchgeführt haben, wurde auf der GOR 09 mit dem "Best Practice Award" ausgezeichnet. Dazu gratuliert marktforschung.de ganz herzlich! Was macht aus Ihrer Sicht das Besondere dieser Studie aus?

Anja Manouchehri: Das Besondere ist aus meiner Sicht, dass es bislang noch keine vergleichende Studie gab, bei der die Werbewirkung ein und desselben Spots in einer quasi-biotischen Testsituation unter realen TV- und Online-Werberezeptions-Bedingungen getestet wurde.

Diese unterschiedlichen realen Rezeptionsbedingungen für Online und TV haben natürlich Einfluss auf die Wirkung des Spots. Wir wollten herausfinden, welche Effekte das nach sich zieht. Und das war möglich, indem wir als konstante Variable in den beiden Vergleichsgruppen den Spot identisch hielten, die Testbedingungen aber real und damit unterschiedlich beließen.

marktforschung.de: Bei der Untersuchung zeigte sich unter anderem, dass Video-Ads deutlich höhere Recall-Werte aufweisen als die Fernseh-Werbung – eine Überraschung?

Anja Manouchehri: Für uns war das keine Überraschung, weil wir schon in der Vergangenheit bei Tests von einzelnen Online-VideoAd-Kampagnen auf unseren Umfeldern die Erfahrung gemacht haben, dass Spots im Internet enorm aufmerksamkeits- und leistungsstark sind.

Das liegt natürlich auch daran, dass im Internet nicht weggezappt wird, wenn ein Werbespot anfängt, und es verlässt auch kein Internet-Nutzer den Raum, wenn der Online-Spot beginnt. Außerdem sucht sich ein User im Web zunächst ganz bewusst einen Videofilm aus, den er anklickt und nun im Video-Player-Fenster erwartet. Wenn dann zunächst der Video-Spot als Preroll im Player läuft, bevor der eigentliche Film anfängt, kann der User am Rand des Players genau beobachten, wie viele Sekunden es noch dauert, bis der eigentliche Content beginnt. Das bindet natürlich die Aufmerksamkeit des Nutzers an das Player-Fenster, in dem das VideoAd läuft. Und der User weiß auch, dass er sich keinen langen Werbeblock ansehen muss, wie er das im TV müsste.

marktforschung.de: Die Studie wurde Online durchgeführt. Welche Rolle spielt die Online-Marktforschung in Ihrem Unternehmen?

Anja Manouchehri: Online-Marktforschung ist in den vergangenen Jahren auch in unserem Haus bedeutsamer geworden, zumal auch das Forschungsobjekt Online relevanter geworden ist. Dementsprechend nutzen wir Online als Erhebungsmethode wesentlich stärker, auch weil wir uns so oft sehr eng an den Befragungsinhalten bewegen können. Konventionelle Marktforschungs-Methoden sind in sehr vielen Bereichen für uns natürlich nach wie vor sehr wichtig.

marktforschung.de: Liegt die Zukunft der Marktforschung aus Ihrer Sicht im Internet?

Anja Manouchehri: Nein, soweit würde ich nicht gehen. Ich denke schon, dass Online-Marktforschung an Bedeutung gewinnen wird, vor allem, wenn wir irgendwann eine Internet-Abdeckung in der deutschen Bevölkerung erreichen werden, die vergleichbar ist mit unserer derzeitigen Festnetz-Telefonanschluss-Abdeckung, so dass das Problem der noch fehlenden Repräsentativität irgendwann gelöst sein wird. Aber das ist ja nur ein Aspekt. Konventionelle Methoden werden für manche Fragestellungen auch in Zukunft unverzichtbar bleiben. Auch wenn Online-Erhebungen Möglichkeiten bieten, die man mit konventionellen Methoden früher nicht nutzen konnte, wird umgekehrt beispielsweise eine Online-Gruppendiskussion nie die gruppendynamischen Effekte auslösen wie eine reale Gruppendiskussion und ein Online-Interview wird nie eine tiefenpsychologische face-to-face-Exploration ersetzen. Und es wird sicher auch in Zukunft noch eine Reihe von Forschungsgegenständen geben, die Online einfach nicht realitätsgetreu simuliert und getestet werden können. Das Medium Internet geht nun mal nur über zwei Sinneskanäle, vielleicht irgendwann mal über drei. Der Mensch verfügt aber über fünf Sinne. Und die sind manchmal forscherisch alle hoch relevant.

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