Allensbach-Studie zur Schul- und Bildungspolitik in Deutschland: Schule soll nicht nur Wissen, sondern auch Werte vermitteln
Berlin / Düsseldorf (ots) - Schulen haben aus Sicht der Bevölkerung einen umfassenden Bildungsauftrag. Erwartet werden nicht nur eine gute Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik (86 Prozent) und eine gute Allgemeinbildung (79 Prozent) - ebenso sollen Schulen Werte wie Pünktlichkeit und Hilfsbereitschaft (jeweils 66 Prozent) sowie Leistungsbereitschaft (65 Prozent) vermitteln. Eine überwiegende Mehrheit der Lehrer in Deutschland teilt diese Ansicht: So sind 87 Prozent der Meinung, dass die Vermittlung von Werten zu ihrer Aufgabe gehört. Die praktische Umsetzung beurteilen viele Lehrer allerdings skeptisch. Lediglich gut ein Drittel (37 Prozent) gibt an, dass ihnen die Vermittlung von Werten in der Regel gelingt, bei Lehrern an Hauptschulen sind es sogar nur 17 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland zur diesjährigen Ausschreibung des Wettbewerbs "Deutscher Lehrerpreis - Unterricht innovativ".Befragt wurden 2.227 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger sowie 536 Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland.
Lehrer haben wenig Einfluss auf ihre Schüler
Fast die Hälfte (48 Prozent) der Lehrkräfte ist der Meinung, dass sie nur wenig bis keinen Einfluss auf die Schüler haben. Einen sehr großen Einfluss dagegen haben nach Einschätzung der Lehrer die Medien (69 Prozent), der Freundeskreis (68 Prozent) und mit deutlichem Abstand die Eltern (31 Prozent). Lediglich acht Prozent der Lehrer sagen von sich selbst, dass sie sehr großen Einfluss haben.
Individuelle Förderung von Schülern wichtig, aber nur bedingt möglich
Eine deutliche Mehrheit der befragten Lehrer steht vor allem bei den individuellen Förderungsmöglichkeiten von Schülern vor erheblichen Schwierigkeiten. So ist für zwei Drittel (66 Prozent) der Lehrer eine Förderung einzelner Schüler im Rahmen der Lehrplanvorgaben nur eingeschränkt möglich. Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei diesem Thema deutlich auseinander: 74 Prozent der Lehrer in Deutschland sind zwar der Meinung, dass die Möglichkeit einer gezielten Förderung von Kindern nach ihren Begabungen in der Schule unbedingt gegeben sein muss. Mit Blick auf die eigene Schule trifft dies jedoch nur auf knapp jede fünfte (24 Prozent) zu. Kritisch sehen die Lehrer in diesem Zusammenhang die Arbeit der Kultusbürokratie. Knapp zwei Drittel (63 Prozent) sind der Ansicht, dass die Vorgaben der Schulbehörden im Schulalltag nur schwer umzusetzen sind. Vor diesem Hintergrund plädieren 63 Prozent der Lehrer für mehr Freiheiten an den Schulen, etwa bei der Gestaltung der Lehrpläne oder der Einstellung von neuen Kollegen. Die insgesamt besten schulpolitischen Rahmenbedingungen bieten aus Sicht der Lehrer Bayern (49 Prozent) und Baden-Württemberg (37 Prozent), auf Rang drei folgt mit großem Abstand Sachsen (17 Prozent). Übereinstimmung herrscht zwischen Bevölkerung und Lehrern bei der Frage, wer in Deutschland für die Bildungspolitik zuständig sein sollte. So votieren in der aktuellen Umfrage 61 Prozent der Lehrer dafür, die Kompetenz in der Bildungspolitik auf die Bundesebene zu verlagern. Bereits bei der Umfrage 2010 hatten dies ebenfalls 61 Prozent aller Deutschen gefordert.
Unterrichten ist anstrengender geworden
Über alle Schulformen hinweg ist aus Sicht der Lehrer das Unterrichten in den vergangenen fünf bis zehn Jahren anstrengender geworden - 57 Prozent teilen diese Ansicht. Dennoch würde sich eine große Mehrheit von 76 Prozent wieder dafür entscheiden, Lehrer zu werden. In der aktuellen Umfrage zeigt sich außerdem ein kritisches Bild der Schüler. Neben einer starken Prägung durch die Medien (90 Prozent), beklagen drei Viertel der befragten Lehrer bei ihren Schülern vor allem Konzentrationsprobleme sowie eine zu materialistische Einstellung (71 Prozent). 69 #break#Prozent der Lehrkräfte sind dafür, bei der Erziehung mehr Wert auf Disziplin und Durchhaltevermögen zu legen.
Lehrer und Bevölkerung fordern bundesweit einheitliche Abschlussprüfungen
Die Lehrer in Deutschland sprechen sich ebenso wie die Bevölkerung in der Mehrheit für die Einführung von bundesweit einheitlichen Abschlussprüfungen aus. Für die Einführung von einheitlichen Abschlussprüfungen wie beispielsweise ein bundesweites Zentralabitur sind 72 Prozent der Lehrer und 78 Prozent in der allgemeinen Bevölkerung. Dabei liegen die Befürwortungsquoten der Bundesbürger zwischen 68 Prozent in Berlin und 96 Prozent in Thüringen. Ebenfalls eine breite Zustimmung findet in Deutschland das Konzept der Ganztagsschule: 61 Prozent der Bundesbürger stehen diesem Schultyp positiv gegenüber, nur knapp jeder Fünfte (19 Prozent) ist dagegen. Vor allem eine Entlastung für berufstätige Eltern (80 Prozent), aber auch eine bessere Förderung der Kinder (59 Prozent) werden unter anderem als Vorteile von Ganztagsschulen genannt.
Zweifel an der Durchlässigkeit des Schulsystems
Überwiegend Zweifel herrschen in der Bevölkerung mit Blick auf die Durchlässigkeit des Schulsystems. Die Möglichkeit, nachträglich einen höheren Schulabschluss zu erlangen, bezeichnet knapp die Hälfte (45 Prozent) selbst für gute Schüler als eher schwierig, elf Prozent sogar als sehr schwierig.
Das Elternbild der Lehrer
Bei der Frage, welche Erfahrungen Lehrer schon öfter mit Eltern gemacht haben, steht für 78 Prozent das Thema Überforderung bei der Erziehung ganz oben. Ebenfalls achten Eltern nach Ansicht von 78 Prozent der Lehrer zu wenig darauf, wie ihre Kinder die Freizeit verbringen. Knapp drei Viertel (72 Prozent) der befragten Lehrer beobachten, dass Eltern oftmals zu wenig Zeit für ihre Kinder haben. Dabei zeigt sich, dass Interesse und Engagement je nach Schulgattung sehr unterschiedlich bewertet werden: Rund drei Viertel (74 Prozent) der Hauptschullehrer, aber nur 28 Prozent der Gymnasiallehrer geben an, dass sich Eltern zu wenig für die schulischen Leistungen ihrer Kinder interessieren.
Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des DPhV, nannte die Befragungsergebnisse hoch interessant und eine Pflichtlektüre für alle Bildungspolitiker. Er betonte: "Einerseits spiegeln die Umfrageergebnisse die hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung an die Schulen wider, auf der anderen Seite wird aber deutlich, dass bei vielen Einschätzungen Eltern und Lehrer nahe beieinander liegen. Mich freut vor allem ein Ergebnis: Die Mehrheit der Lehrkräfte betont zwar, dass Unterricht in den letzten Jahren deutlich anstrengender geworden sei, gleichzeitig erklärt aber der Großteil, dass er diesen Beruf liebt und wieder ergreifen würde. Das ist eine gute Grundlage für die positive Fortentwicklung unseres Bildungssystems!"
Wie schon die Untersuchungen aus den Jahren 2009 und 2010 so wurde auch die aktuelle Erhebung im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs "Deutscher Lehrerpreis - Unterricht innovativ" durchgeführt. Neben der Vodafone Stiftung Deutschland und dem Deutschen Philologenverband ist seit diesem Jahr die Heraeus Bildungsstiftung neuer Kooperationspartner dieser Auszeichnung. Die diesjährige Prämierung von Deutschlands besten Lehrern findet im November in Berlin statt.
Quelle: Vodafone Stifung Deutschland
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