Produkt & Markt Agile Research – Vier von neun Tipps für agile Teams

Vier Tipps, wie das Arbeiten in agilen Teams noch besser funktioniert. (Bild: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke)
1. Kundenzentrierung: Hinterfragt regelmäßig Eure Perspektive
Es ist toll und hilfreich, wenn agile Teams selbst in den Dialog mit den Usern treten, um in deren Welt einzutauchen und Feedback einzuholen. Je genauer die Teams die User verstehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Lösungen entwickeln, die die Kunden begeistern. Wären da nur nicht diese Stereotype, Biases, Gruppendynamiken und Paradigmen, die immer wieder zu Fehlentwicklungen führen.
Agile Teams werden gern crossfunktional besetzt, um das Denken in Silos zu vermeiden und gegenseitige Inspiration zu ermöglichen. Vergessen wird dabei aber, dass die Teams mindestens einen gemeinsamen Hintergrund haben. Sie kommen nämlich alle aus derselben Organisation. Dadurch teilen sie eine gemeinsame Kultur und unterliegen den gleichen Paradigmen, die wie ein Filter wirken, wenn sie die Realität der User wahrnehmen.
Prallt die eigene Perspektive auf die Realität der User, tun sich einige agile Teams schwer, ihre bewährten Wahrheiten aufzugeben und die Perspektive der User vorbehaltlos zu akzeptieren.
Im Werkzeugkoffer der agilen Teams sollten daher immer Methoden verfügbar sein, mit denen die eigene Perspektive hinterfragt und die Offenheit für die User gestärkt werden kann. Wie das gehen kann, zeigen Bianca Prommer und Heiner Junker in ihrem Vortrag:
2. Forschungsqualität: Ihr müsst Eure Grenzen kennen
In agilen Projekten geht es darum, Lösungen für Probleme zu entwickeln, und zwar so, dass die User - also die Zielgruppen - davon profitieren. Dies erfolgt in Iterationsschritten und Feedbackschleifen. Je weiter die Lösungsentwicklung in einem Projekt gediehen ist, umso wichtiger wird es, interne Research Profis oder Institute einzubinden. Diese sorgen für die nötige Qualität und Detailtiefe, wenn sie das User-Feedback erheben und analysieren.
In den frühen Entwicklungsphasen ist weniger detailreiches als schnelles User-Feedback gefragt. Es gilt grob abzuschätzen, ob eine Lösung grundsätzlich in die richtige Richtung geht. In dieser Phase gehen die agilen Teams oftmals methodische Kompromisse ein, um einen zügigen Projektfortschritt zu gewährleisten. Das macht auch Sinn, denn eigentlich handelt es sich dabei nicht um User-Forschung, sondern eher um einen Co-Creation-Dialog mit der Zielgruppe.
Natürlich sind bei diesem Kundendialog nicht die gleichen Qualitätsmaßstäbe anzusetzen wie in der Marktforschung. Wir empfehlen den Teams aber dennoch, immer eine Checkliste zur Datenqualität und zu den Grenzen der Aussagekraft – ähnlich einem Studiensteckbrief – zu erstellen. Die Grenzen der Aussagekraft zu kennen und sie im Team zu thematisieren, hilft dabei, den Bedeutungsgehalt der Daten richtig einzuordnen. Es verhindert zudem, dass sich quick-and-dirty erhobene Erkenntnisse in den Köpfen der Teams festsetzen und als vermeintlich verlässliche Wahrheiten zu Fehlinterpretationen im Folgeprozess führen. Ein Beispiel für eine Checkliste finden Sie hier.
3. Feedback: Sorgt für mehr Tiefe
Beim User-Feedback interessieren sich agile Teams hauptsächlich dafür, wie die Lösungen bei den Usern ankommen, was gefällt und was verstanden wird und wo die Verbesserungsmöglichkeiten liegen. In Dashboards oder Templates und mit Hilfe von KPIs werden die Ergebnisse aufbereitet und dann für den weiteren Prozess genutzt. Typische Feedbackfragen beginnen in der Regel mit „Was“ oder „Wie“.
Auffällig ist, dass Fragen nach dem “Warum“ und zur emotionalen Wirkung in standardisierten Feedbackinterviews viel zu selten untersucht werden.
Dabei zeigt die Praxis: Teams, die wissen, warum ihre Ideen ankommen oder scheitern, erhalten ein besseres Gefühl für ihre Zielgruppe. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, signifikant bessere Lösungen zu entwickeln.
Wie mehr Tiefe und mehr Emotion gerade in zeitkritischen Projekten erreicht werden können, demonstrieren Dr. Jessica Schomberg und Sarah Helmich in ihren Vorträgen.
4. Fokussierung: Nehmt Euch Zeit zum Herumlungern
Agile Projekte sollen sich mit den Forschungsergebnissen beschäftigen, die für die Erreichung des Projektziels wichtig sind. Alles was nicht gebraucht wird und vom Forschungszweck ablenkt, soll ausgeblendet und damit Verschwendung reduziert werden. Das beginnt bei der Planung des Untersuchungsdesigns, reicht über die Gestaltung der Leitfäden und Fragebögen und endet bei der Ergebnispräsentation anhand von Top-Lines. Durch die Konzentration auf das Wesentliche ist Marktforschung im agilen Kontext so wirksam. Mit dem konsequenten Fokus auf das Projektziel laufen wir nicht Gefahr, uns zu verzetteln.
Doch was passiert, wenn die bahnbrechenden Erkenntnisse außerhalb unseres Fokus liegen? Was, wenn es nicht nur einen, sondern mehrere rote Fäden in den Daten gibt und unsere Story nur eine von vielen verschiedenen Wirklichkeiten ist?
Wäre die Welt nicht so komplex, bräuchte es keine Marktforschung. Und gerade wegen der Komplexität unserer Herausforderungen haben wir uns die agilen Prinzipien der Softwareentwicklung auch im Management zu eigen gemacht.
Darum lautet die Empfehlung an die agilen Teams:
Nehmt Euch die Zeit und lungert ziellos in der Welt Eurer User herum – und zwar außerhalb Eurer Produktkategorie. Interessiert Euch für die User als Menschen und nicht nur als potenzielle Zielgruppe.
Erlebt, welche großen und kleinen Herausforderungen sie sich stellen. Beobachtet, was sie glücklich macht und sie ärgert und versucht zu verstehen, was hinter ihrem Verhalten und ihren Einstellungen steckt.
User-Communities wie IN|SPIARY oder Expert Communities eignen sich dafür besonders gut. Mit ihnen können die User über einen sehr langen Zeitraum beobachtet und befragt werden und das nicht nur virtuell. Oft lassen sich die Community-Teilnehmer nämlich auch für face-to-face Interviews, Fokusgruppen, Workshops oder in-home/in-office Formate gewinnen. Besonders dann, wenn gerade mal kein Projekt läuft und die Community brach zu liegen scheint, macht es Sinn, mit den Usern ins Gespräch zu kommen und Empathie aufzubauen. Empathie, die spätestens im nächsten agilen Projekt zu noch mehr Kundenzentrierung und noch besseren Lösungen führen wird.
Hier geht's zu den restlichen fünf Tipps, die wöchentlich auf der Webseite von P+M erscheinen.
Auch Axel Schomborg wird ein Web-Seminar bei der WdM halten:
Mittwoch, 11. Mai 2022 | 12.00 bis 12.50 Uhr | Markenbindung und Empehlungsverhalten besser verstehen und steuern | Axel Schomborg - Jetzt anmelden!
Über Axel Schomborg

Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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