Claudia Dubrau, AGOF "Äquivalenz ist die Grundvoraussetzung für Vergleichbarkeit"

Claudia Dubrau, AGOF
marktforschung.de: Auf der Fachtagung des OWM Ende 2018 hatte die damalige Vorsitzende Tina Beuchler angekündigt, dass die AGOF dem digitalen Werbemarkt einen Standard zur Kampagnenkontrolle und -optimierung zur Verfügung stellen wird. Wie weit ist die AGOF mit der Umsetzung?
Claudia Dubrau: Wir sind auf einem wirklich guten Weg und gehen davon aus, Ende 2020 mit den ‚daily campaign facts‘ starten zu können. Im letzten Jahr haben wir wesentliche methodische und technische Anforderungen umgesetzt. Und wenn sich nicht noch unvorhersehbare Schwierigkeiten ergeben, was bei einem so großen Projekt natürlich immer passieren kann, bin ich sehr optimistisch, dass wir unseren internen Zeitplan einhalten.
Noch sind die "daily campaign facts" sicher nicht jedem ein Begriff. Können Sie kurz umreißen, welche Zielsetzung dieses AGOF-Projekt verfolgt und was es leisten kann?
Derzeit klafft im digitalen Mediaprozess eine deutliche Lücke. Während digitale Werbemaßnahmen auf Basis einer anerkannten Währung, nämlich der Reichweiten und Marktdaten der agof Studie ‚daily digital facts‘, geplant und gebucht werden, existieren zur Erfolgskontrolle ausgespielter Kampagnen bislang lediglich Einzellösungen, deren Ergebnisse sich teilweise sogar widersprechen. Daher benötigt der Markt dringend ein einheitliches Richtmaß, das für Transparenz und Sicherheit bei den Werbeinvestitionen sorgt – und genau dieser Anforderung der maßgeblichen Player, allen voran der Werbekunden, folgt die agof mit der ‚daily campaign facts‘.
Im Unterschied zur bis dato gängigen Praxis bei der Audience Validation werden wir kampagnenbezogene Ex-Post-Daten auf Basis des agof Marktstandards ermitteln. Das bedeutet konkret, dass das Multimethodenmodell der ‚daily digital facts‘ auf die Kampagnen-Kontrolle übertragen wird. Damit gewährleisten wir methodische Transparenz, denn unsere Evaluierungsverfahren sind allen Marktteilnehmern en Detail bekannt und werden von Werbungtreibenden, Agenturen und Vermarktern gleichermaßen akzeptiert. Zudem werden sich die KPIs unserer etablierten Markt-Media-Studie in der ‚daily campaign facts‘ wiederfinden, was erstmals eine echte Vergleichbarkeit von Planung und Erfolgskontrolle ermöglicht.
Die Anwendungsfelder der ‚daily campaign facts‘ beschränken sich dabei übrigens nicht nur auf die klassische Audience Validation von Reichweiten und Zielgruppen. Wir werden auch Ad Verfication ermöglichen. Ziel der agof als Währungshüter für digitale Reichweiten ist die Definition einer Standard-Lösung für die Viewability-Messung sowie die Erfassung von Invalid Traffic anhand fixierten Metriken. In beiden Fällen sollen die Ergebnisse dem Markt als Richtwert dienen.
Warum ist es so wichtig, dass Planungs- und Kontrolldaten aus einer Quelle stammen?
Das hat im Grunde ganz praktische Gründe. Da fast alle in Deutschland relevanten Vermarkter die Reichweiten und Strukturen ihrer digitalen Angebote von der agof erheben lassen, ermitteln die Mediaagenturen anhand der Daten der ‚daily digital facts‘, welche Werbeumfelder sich für Kampagne X oder Y am besten eignen. Wenn der entsprechende Werbekunde anschließend wissen will, ob die Planungen den gewünschten Erfolg gebracht haben oder an welchen Stellschrauben noch gedreht werden muss, ist das logischerweise nur möglich, wenn die Ex-Post-Evaluierungen mit den Planungsprämissen übereinstimmen. Ansonsten werden möglicherweise Äpfel mit Birnen verglichen – einfach, weil sich die Berechnungsgrundlagen bei anderen Kampagnenkontrollen unterscheiden. Das können abweichende Definitionen von Zielgruppen-Merkmalen sein, eine grundlegend andere Methode zur Reichweitenermittlung, eine unterschiedliche Grundgesamtheit oder Fallzahlgröße. Kurz gesagt: Äquivalenz ist eine Grundvoraussetzung für Vergleichbarkeit. Ansonsten kommt es zu Irritationen, was in der Folge zu Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlusten führt.
Gibt es methodische Unterschiede zwischen der AGOF Markt-Media-Studie "daily digital facts" und der "daily campaign facts"?
Die methodischen Eckpfeiler sind im Grundsatz vergleichbar und folgen derselben Logik. Sie sind aber nicht in allen Punkten deckungsgleich. So muss zur Erfassung der Ad Impressions ein anderes Mess-Tag verwendet werden, als bei der Erhebung der Page Impressions. Das Mess-Tag der ‚daily campaign facts‘ enthält z.B. Meta-Daten der Kampagnen und ist schon aus Praktikabilitäts-Gründen nicht statisch sondern dynamisch. Ein weiterer Unterschied: Es kann keine OnSite- oder InApp-Befragung auf der Basis von Werbemitteln ausgeliefert werden. Hier müssen die Informationen aus der ‚daily digital facts‘ ausgelesen und übertragen werden. Die weiteren Prozesse der Datenverarbeitung sind hingegen weitgehend identisch.
Wesentliche Unterschiede gibt es bei der Ausweisung der Kampagnenergebnisse. Zum einen sind die Kampagnenkontrolldaten nicht öffentlich, sondern können nur von den jeweiligen Auftraggebern einer Kampagnen-Kontrolle bezogen werden. Zum anderen sind hier auch Darstellungen und zusätzliche KPIs gefordert, die zur Analyse und Planung von Werbeumfeldern nicht benötigt werden.
In der ‚daily campaign facts‘ wird es zudem zwei unterschiedliche Datensätze geben. Einen täglichen mit allen Leistungswerten, die auch in der ‚daily digital facts‘ ausgewiesen werden, also Netto-Reichweiten und rund 1.500 Zielgruppenmerkmale. Zusätzlich werden wir einen Brutto-Datensatz anbieten, der stündlich aktualisiert wird, dafür aber nur AdImpressions und ausgewählte Zielgruppenmerkmale enthält. Wir erfüllen damit den Wunsch, ad hoc auf die Kampagnen-Ausspielung Einfluss zu nehmen und Optimierungsmaßnahmen einzuleiten.
Wo liegen, aus forscherischer Sicht und unter technischen Gesichtspunkten, die besonderen Herausforderungen eines Standards zur Kampagnen-Kontrolle?
Die gibt es vor allem bei der Messung, insbesondere im Bereich ‚Programmatic‘. Hier benötigen wir ein Whitelisting, beispielsweise seitens der Ad Server, damit unser Mess-Tag akzeptiert wird und tatsächlich auch messen darf. Ebenso ist die Messung von Werbung innerhalb von Apps alles andere als trivial, da es schwierig ist, die benötigten Informationen in geschlossenen Systemen zu ermitteln. An beiden Fronten justieren wir gerade die letzten Stellschrauben. Herausfordernd ist natürlich auch die Einhaltung aller Regeln zum Datenschutz. So musste unter anderen geklärt werden, wie bei der Messung von Kampagnen die Datenschutzerklärung inklusive einer OptOut-Möglichkeit die Internet-User erreicht – insbesondere all jene, die Non-agof-Websites nutzen. Glücklicherweise gibt es aber auch hier bereits eine Lösung, die derzeit implementiert wird. Darüber hinaus gilt es, das Handling der ‚daily digital facts‘ den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen der künftigen Anwender anzupassen. Denn um sich mit einem Produkt tatsächlich am Markt zu etablieren, muss die Usability stimmen. Da ist Feintuning gefragt – und das Feedback all der Experten, die tagtäglich mit Kampagnen-Kontrolle zu tun haben.
Erfreulich ist der Umstand, dass wir zwei wesentliche Voraussetzungen für die ‚daily campaign facts‘ bereits in der Studien-Praxis der ‚daily digital facs‘ zum Einsatz bringen. Die Rede ist von der Verdopplung unserer Fallzahlen auf eine Stichprobe von jetzt rund 300.000 Fällen. Und auch die Einführung einer Ausweisung nach Gerätetypen, die in diesen Tagen als neues Feature der ‚daily digital facts‘ in den Regelbetrieb überführt wird, ist eine Erweiterung, die wir für die ‚daily campaign facts‘ brauchen. Wenn sich solche Neuerungen im täglichen Studienbetrieb bereits bewähren und reibungslos funktionieren, kann man sich entspannter den noch offenen To Do’s widmen.
Im Zusammenhang mit dem Datenschutz erwähnten Sie gerade Non-AGOF-Websites. Bedeutet das, dass die ‚daily campaign facts‘ die gesamte Kampagnen-Ausspielung abbilden will, die Erfolgskontrolle also nicht nur auf Sites erfolgt, die an den AGOF-Studien teilnehmen?
Genau das ist unser Ziel. Ob es gelingen wird, alle Kampagnen außerhalb der agof Welt zu tracken, wird sich zeigen. Dazu dient auch das oben bereits angesprochene Whitelisting, wo wir auf viele Freigaben hoffen, insbesondere natürlich auch auf die der GAFAs. Unser Plus ist hierbei die aktive Unterstützung seitens der Werbekunden, Agenturen und Vermarkter, deren Verbände und Organisationen sich u.a. mit Empfehlungsschreiben für die Zulassung des dcf Messtags ausgesprochen haben. Ein weiterer Vorteil: Wir spielen mit offenen Karten. Wir haben allen national und international relevanten technischen Plattformen und Vermarktern, also auch denen, die nicht in der agof aktiv sind, umfassendes Informationsmaterial zu unserem Mess-Ansatz zur Verfügung gestellt. Transparenz, die hoffentlich überzeugt und sich positiv auf das Whitelisting auswirkt.
Die AGOF agiert als Joint Industry Committee. Es sind also nicht mehr allein die Vermarkter in die Entscheidungs-Prozesse involviert sondern auch Werbungtreibende und Agenturen. Ist das, abgesehen von der Unterstützung beim Whitelisting-Verfahren, auch bei der Entwicklung der ‚daily campaign facts‘ der Fall?
Ich würde sogar sagen, dass die enge Zusammenarbeit aller Player dieses Großprojekt der agof überhaupt erst ermöglicht hat. Denn hier ging es nicht nur um die grundsätzliche Zustimmung für einen einheitlichen Standard, sondern um interdisziplinäre Kooperation und Know-how-Transfer. Ohne die Expertise und praktischen Erfahrungen, die insbesondere die Mediaagenturen beigesteuert haben, wären viele Prozesse nicht so zielgenau zu steuern. Bei der Kampagnen-Kontrolle liegt der Teufel im Detail und es sind unendlich viele Aspekte zu berücksichtigen. Und das sowohl hinsichtlich technischer Feinheiten als auch mit Blick auf organisatorische Fragen. Sprich, es brauchte Insider-Wissen, das wir als Marktforscher zum Teil gar nicht mitbringen, ganz gleich, wie lange man sich schon mit dem digitalen Mediabusiness beschäftigt.
Fünf Fragen an Claudia Dubrau
Claudia Dubrau ist Geschäftsführerin der AGOF.
Wie sind Sie in Ihrem jetzigen Beruf gelandet? | Zum Teil geplant, zum Teil durch Zufall. Bereits während meines Psychologie-Studiums mit Schwerpunkt „Kommunikationspsychologie“ habe ich diverse Praktika in den Medienforschungen von TV-Sendern absolviert und dort auch als Werksstudentin gearbeitet. Da lag es nah, nach meinem Abschluss in der Medienforschung von VOX anzufangen. Anfangs lag mein Arbeitsschwerpunkt auf „qualitativer Forschung“. Später habe ich mich als Abteilungsleiterin um alle Aspekte der Programmforschung gekümmert und bin 1997 als Leiterin Medienforschung zum WDR gewechselt. Dort gehörten erstmals auch Online-Themen zu meinem Aufgabenfeld – und das zu einer Zeit, als das Internet tatsächlich noch „Neuland“ war. Im Jahr 2000 folgte der Wechsel zur IP Deutschland, dem Vermarkter der RTL Mediengruppe, wo ich u.a. für Methodenentwicklung und Gremienarbeit verantwortlich war. In diesem Kontext ging es 2002 darum, eine übergeordnete und neutrale Organisation aufzubauen, die Online-Forschung professionalisiert und eine valide und allgemeinverbindliche Währung etabliert: die agof. Die ersten Jahre habe ich als Vertreter eines agof Mitglieds mein Know-how eingebracht und das Studienmodell und das Forschungssystem mitentwickelt. Als 2008 eine neue Geschäftsführerin für die agof gesucht wurde, war die Entscheidung schnell getroffen. Denn was kann mehr Spaß machen, als für ein Herzensprojekt die Verantwortung zu übernehmen, das man selbst mit aus der Taufe gehoben hat. Zumal sich die digitale Welt permanent verändert und ich über Langeweile wahrlich nicht klagen kann. |
Sind Sie gerne geschäftlich unterwegs? Oder verbringen Sie lieber Zeit im Büro? | Früher war ich geschäftlich wirklich viel unterwegs und das auch sehr gerne. Seit wir 2013 mit der agof umgezogen sind und ausreichend große Konferenzräume zur Verfügung stehen, finden viele Sitzungen in unserer Frankfurter Geschäftsstelle statt. Und das ist, ganz ehrlich gesagt, ein immenser Vorteil, weil Dienstreisen zwar inspirierend sein können, aber auch ungeheuer viel Zeit „fressen“. Und da sich die Arbeit bekanntlich nicht von alleine macht, während man unterwegs ist, komme ich heute zu vernünftigeren Zeiten aus dem Büro, worüber ich froh bin. |
Mit wem würden Sie gerne einmal zusammen Mittagessen? | Ach, das könnten viele Menschen sein, mit denen ich ganz unterschiedliche Dinge diskutieren würde. Im beruflichen Kontext wären das z.B. EU-Verantwortliche, mit denen ich mich über sinnvolle Regeln und Strategien für den Datenschutz unterhalten würde. Privat würde mir ein Mittagessen mit einem Künstler oder einem progressiven Architekten gefallen. Und wenn Politiker oder Kirchenvertreter einen Termin vorschlagen, würde ich ebenfalls ganz sicher zusagen. |
Gibt es ein Buch oder einen Film, der Sie verändert hat? Welcher/s und warum? | Ich glaube nicht, dass mich ein bestimmtes Buch oder ein Film verändert haben. Was nicht heißt, dass ich keine Leseratte wäre (bin ich) und ich mit Filmen nicht anfangen könnte. Mich haben viele Bücher und Filme berührt oder nachdenklich gemacht. Aber verändert haben sie mich nicht. |
Wie verbringen Sie am liebsten Ihren Sonntag? | Ich bereite mich natürlich auf die nächste Arbeitswoche vor und überlege, welche Aufgaben ich mit Hochdruck erledigen muss |
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