Michael Lersch, Forsta & Dr. Holger Liljeberg, INFO GmbH & Simon Kluge, DVJ Insights „Man spürt schon, dass Firmen bei Investitionen und Ausgaben vorsichtiger geworden sind"

Michael Lersch von Forsta, Dr. Holger Liljeberg von der INFO GmbH und Simon Kluge von DVJ Insights (von links nach rechts)
Schön, dass Sie als Sponsor bei der diesjährigen WdM dabei sind. Was erwarten Sie von der Veranstaltung dieses Jahr?
Michael Lersch:
Die Messlatte ist ja schon jedes Jahr sehr hoch – die WdM bietet jedes Jahr ein sehr umfangreicheres und hochkarätiges Programm und wir freuen uns, erneut Teil davon zu sein.
Wir möchten weiterhin viele spannende Diskussionen miterleben und über neue Themen und Branchentrends informiert werden. Für uns selbst wünschen wir uns natürlich, dass wir viele spannende neue Kontakte knüpfen.
Dr. Holger Liljeberg: Wir freuen uns ebenfalls sehr darüber, auch in diesem Jahr wieder als Sponsor dabei zu sein! Ich würde mir von den Beiträgen wünschen, dass Qualitätsaspekte noch stärker thematisiert werden, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Methodenentwicklung. Es sollte meines Erachtens bei allen Innovationen immer klar kommuniziert werden, wie verlässlich und belastbar die Ergebnisse sind und für welche Anwendungsbereiche sie geeignet – oder eben auch nicht geeignet – sind.
Simon Kluge: Für mich ist es immer schön zu sehen und zu hören, wie andere Menschen mit Problemen und Fragen umgehen. Wissen ist die treibende Kraft unserer Branche, und deshalb betreiben wir selbst viel Forschung, führen Meta-Analysen bestehender Datenbanken durch und befragen ständig Marketing- und Forschungsfachleute. Das Sponsoring einer Veranstaltung wie dieser ist daher eine logische Konsequenz unseres wissensbasierten Ansatzes. Wir hoffen, dass wir inspiriert werden und lernen können.
Wie hat sich die Situation bei Ihnen im Büro entwickelt? Ist die Atmosphäre mit Vor-Corona-Zeiten vergleichbar oder ist eher Homeoffice das “New Normal”?
Michael Lersch: Wir haben einen hybriden Ansatz gewählt und versuchen das Beste aus beiden Welten zusammenzuführen. Wir führen einen Split-Betrieb, mit festen Büro- und Homeoffice Tagen. Uns ist wichtig, dass auch wieder Zeit für Small Talk ist und dieser funktioniert am besten im Büro. Man bekommt darüber hinaus Dinge zufällig mit, die man ansonsten vermutlich nicht mitbekommen hätte, weil man beim Gespräch physisch nicht dabei gewesen wäre. Manche wertvollen Informationen, so wie auch Körpersprache, gehen bei virtuellen Meetings einfach verloren. Ein On-Boarding neuer Mitarbeiter fällt, gerade wenn wenig Berufserfahrung vorliegt, in Präsenz auch leichter. Das Homeoffice bietet den Kollegen natürlich auch viele Vorteile, wie zum Beispiel Flexibilität und Zeitersparnis für die Anreise. Daher kombinieren wir beides.
Simon Kluge: DVJ ist eine globale Organisation, und wir arbeiten in Teams, die sich an verschiedenen Standorten in Europa befinden. Die Zusammenarbeit aus der Ferne war schon immer Teil unserer Arbeitsweise. Das Team, dem ich angehöre, besteht aus Mitarbeitenden in Skandinavien, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Daran hat Corona nichts geändert. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass wir weniger reisen und bei der Arbeit mit unseren Kunden mehr auf Online-Tools und Präsentationen zurückgreifen. Ich persönlich glaube an eine gute Mischung aus Arbeit von zu Hause und vom Büro aus. Bei mir führt das zu Flexibilität und Engagement.
Dr. Holger Liljeberg: Wir haben eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die unseren Mitarbeitenden weitgehende Flexibilität bei der Wahl ihres konkreten Arbeitsplatzes und ihrer konkreten Arbeitszeiten lässt. Hinzu kommen vielfältige digitale Formate für den Austausch im Institut, ebenso wie mit den Kunden. Zentraler „Treffpunkt“ ist unser „Massagetag“, den viele zum Anlass nehmen, einen Büroarbeitstag einzuplanen. Zudem legen wir großen Wert auf regelmäßig – und häufiger als vor Corona – stattfindende Teamevents, um den persönlichen Austausch zu fördern.
Auch wenn das persönliche Zusammentreffen gegenüber Vor-Corona-Zeiten natürlich eingeschränkt ist, hat der Zuwachs an Flexibilität eher positive Auswirkungen auf die Arbeitsprozesse sowie die Arbeitsatmosphäre.
Was ist mit Blick auf die zahlreichen Krisen weltweit derzeit Ihre größte Herausforderung?
Simon Kluge: Diese Frage lässt sich aus vielen Blickwinkeln beantworten.
Mich persönlich beunruhigt alles, was in der Welt vor sich geht, und die hohe Inflation macht mir am meisten zu schaffen.
Aus geschäftlicher Sicht glaube ich, dass jede Herausforderung auch eine Chance ist. Indem wir die Ausgaben für die Forschung kritischer betrachten, stellen wir fest, dass Effizienz und Qualität wichtiger werden. Das bedeutet viele Möglichkeiten und eine allgemeine Überzeugung, dass die Dinge anders gemacht werden müssen. Für DVJ bedeutet dies, dass wir schnell wachsen und Kunden gewinnen, die Dinge gerne anders machen.
Michael Lersch: Man spürt schon, dass Firmen bei Investitionen und Ausgaben vorsichtiger geworden sind. Es gibt sicher einige Unternehmen, die es stärker getroffen hat, aber insgesamt erleben wir die Situation nicht so prekär, wie es in der Branche vermutet wurde.
Dr. Holger Liljeberg: Die größte Herausforderung des andauernden Krisenstatus ist bei uns eher auf Projektebene zu finden. Wir beschäftigen uns sehr viel mit politischer Kommunikation. Die verschiedenen Krisensituationen verursachen zunehmend Risse in der Gesellschaft und im gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dabei ist es eine wachsende Herausforderung, jegliche Kommunikation nicht mehr nur rein inhaltlich und gestalterisch zu prüfen, sondern auch hinsichtlich grundsätzlichem Kommunikationsstil und Wording. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der politischen Positionierungen in der Bevölkerung bedeutend, um die Reaktanz verschiedener Bevölkerungsgruppen zu vermindern und auch solche Personen zu erreichen, die der Politik eher ablehnend gegenüberstehen und/oder kein Vertrauen mehr in politische Institutionen haben. Auf dieses Thema werde ich auch im Rahmen unseres Webinars auf der Woche der Marktforschung am 15. Mai um 13 Uhr näher eingehen.
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Wie ist das Jahr 2023 bislang für Ihr Unternehmen angelaufen?
Dr. Holger Liljeberg: Die äußerst positive Entwicklung der letzten Jahre setzt sich bei uns nahtlos fort. Wir konnten erneut große Rahmenverträge gewinnen und haben uns aktuell auch personell deutlich verstärkt, um die Vielzahl qualitativer und quantitativer Studien auch weiterhin in höchster Qualität durchführen zu können.
Michael Lersch: Unter den gegebenen Voraussetzungen sind wir sehr gut ins Jahr gestartet und blicken auch weiterhin optimistisch nach vorne. Wir sind sowohl im Marktforschungs-Bereich als auch im Customer Experience-Umfreld sehr zufrieden mit unserem Wachstum. Besonders freut uns die Entwicklung im Qual-Bereich, darunter der Launch unseres neuen Tools Forsta Discussions, für die Durchführung von Online-Fokusgruppen.
Simon Kluge: DVJ ist ein schnell wachsendes Unternehmen. Wir konnten acht Jahre in Folge mit mehr als 20 Prozent wachsen. Aus diesem Grund haben wir sechs Gazellen für schnelles Wachstum in Folge erhalten. Auch in diesem Jahr werden wir um 20 Prozent oder mehr wachsen. Besonders stolz sind wir auf einige globale Projekte, die wir im Bereich Markentracking und Pre-Testing gewonnen haben.
KI ist gerade jetzt mit dem Launch des neuen KI-Tools ChatGPT in aller Munde. Wie stehen Sie zu dem Tool? Verwenden Sie es in Ihrem Unternehmen?
Simon Kluge: Ja, wir nutzen KI-bezogene Tools wie ChatGPT für viele verschiedene Dinge. Generell nutzen wir KI schon seit längerem. Wir sind der Meinung, dass eine Kombination aus Tools und einer auf Erfahrung basierenden Interpretation am wichtigsten ist.
Deshalb betrachten wir KI als ein Werkzeug, das uns hilft, unsere Arbeit besser zu machen, und nicht als etwas, das unsere Arbeit ersetzen wird.
Michael Lersch: Am Anfang war es ein Riesen-Hype und noch immer sprechen alle darüber.
Aber wichtige Business- oder Lebensentscheidungen würde ich aktuell nicht darauf basierend treffen. Das wird definitiv weiterhin ein Tool sein, das wir im Blick behalten, aber man sollte nicht blind darauf vertrauen.
Da teile ich Jörg Munkes Meinung, dass man erst einmal verstehen muss, wie das Ganze funktioniert, um KI auch steuern zu können. Um auf die Frage der Verwendung zurückzukommen: wir setzen ChatGPT oder ähnliche Tools derzeit bei uns im Unternehmen noch nicht ein, arbeiten aber in verschiedenen Bereichen bereits mit AI-Lösungen, zum Beispiel bei der Textanalyse.
Dr. Holger Liljeberg: Wir haben erste Versuche mit der Inhaltsanalyse qualitativer Erhebungsdaten unternommen und dabei eher positive Erfahrungen gemacht. Allerdings ersetzt dies nicht die analytischen Fachkompetenzen unserer Mitarbeitenden, sondern reduziert eher deren Aufwand, indem der Blick stärker auf das Wesentliche gelenkt wird. Auch für die Erstrecherche zu neuen Untersuchungsthemen sind derartige Tools gut geeignet, aufgrund der Anfälligkeit für Fehlinformationen allerdings nur mit Bedacht.
Spezifische Fragen an Forsta
In vielen Bereichen konvergieren die Ansätze von BI-Lösungen und marktforschungsbasierten Datenanalyse-Tools aufeinander zu. Wo sehen Sie noch die Unterschiede zwischen Visualisierungsansätzen, die aus dem Business Intelligence oder aus der Marktforschung kommen?
Michael Lersch: Der Grundgedanke der beiden Ansätze basiert auf einer komplett unterschiedlichen Ausgangslage. Markforschungsdaten sind doch schon etwas spezieller als zum Beispiel Finanzdaten und bedürfen daher einer anderen Herangehensweise. Für mich besteht aber ganz klar eine Koexistenz der beiden Ansätze. Näheres dazu, erfahren Sie in meinem Vortrag am 11. Mai!
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Wie kommt es, dass viele Unternehmen mit den bestehenden CX-Programmen nicht den nötigen Return-of-Investment nachweisen können?
Michael Lersch: Es gibt sehr vielfältige Gründe dafür, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, mit ihren bestehenden CX-Programmen den erforderlichen RoI nachzuweisen. Der häufigste ist die zu starke Ausrichtung auf die reine Erhebung von Kennzahlen und fehlende Verknüpfung dieser Kennzahlen mit den Unternehmenszielen und der CX-Strategie. Denn werden die Kennzahlen isoliert betrachtet und ist das CX-Programm nicht nahtlos in die Unternehmenskultur, Prozesse und Systeme integriert, wird es schwer sein, den ROI des CX-Programms zu maximieren und nachzuweisen. Mehr darüber erfahren Sie im Vortrag meines Kollegen Jakov Cavar am 9. Mai oder lesen Sie unser eBook „The Business Value of CX – Designing a program that delivers”, das sie auf www.forsta.com finden.
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Spezifische Fragen an INFO GmbH
Herr Liljeberg, Sie sind ja auch bei der Diskussion zum Thema Blind Spots in der Rekrutierung auf dem Podium dabei. Welche Zielgruppen machen Ihnen bei Ihren Projekten das Leben schwer?
Dr. Holger Liljeberg: Sehr häufig suchen wir (auch) Personen, die der Politik in Deutschland eher kritisch gegenüberstehen, was häufig mit einem hohen Maß an Misstrauen gegenüber Medien und natürlich auch der Meinungsforschung verbunden ist. In diesem Kontext haben wir es teilweise auch mit Zielgruppen zu tun, die für die klassische Marktforschung weniger relevant sind, wie etwa Eltern von Kindern mit Einschränkungen oder Behinderungen, gering literalisierte Menschen oder Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
In all diesen Zielgruppen muss sowohl in der Rekrutierung als auch in der Durchführung von Studien mit sehr viel Fingerspitzengefühl und geeigneten Rekrutierungsquoten gearbeitet werden, um am Ende verwertbare Ergebnisse zu generieren und verlässliche Empfehlungen auszusprechen.
Welche Trends kann man beim Thema Rekrutierung erkennen? Wird es insgesamt immer schwieriger Menschen zur Teilnahme zu gewinnen? Was steckt dahinter?
Dr. Holger Liljeberg: Durch die zunehmende Verlagerung qualitativer Studien in den Onlinebereich wird die Rekrutierungsbasis breiter. Wir verzichten deshalb ganz überwiegend auf die „klassischen“ Probandenpools der Studiobetreiber, sondern rekrutieren ganz überwiegend „kalt“ auf der Basis sehr breiter Ansätze, häufig sogar auf Repräsentativbasis. Auch wenn die No-Show-Quote der Probanden auf diesen Wegen deutlich höher und damit eine stärkere Überrekrutierung notwendig ist, tut dies den Ergebnissen sehr gut. Zudem können auf diesen Wegen auch sehr spitze Zielgruppen sehr gut abgebildet und qualitative Projekte mit geringem Mehraufwand national durchgeführt werden – auch abseits der bekannten Studiostandorte.
Spezifische Fragen an DVJ Insights
Millennials und GenZ driften durch den digitalen Fortschritt immer weiter auseinander. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Marken?
Simon Kluge: Marken müssen immer emotionale Verbindungen zu den Verbrauchenden aufbauen. Für jede Zielgruppe gibt es unterschiedliche Kanäle, die sie nutzen kann.
Millennials und GenZ nutzen andere Kanäle als Babyboomer, aber die Herausforderungen für die Marken sind dieselben.
Für jede Marke müssen Sie für jeden Moment und jede Situation relevant sein (Category Entry Points). Solange Ihre Marke mit diesen Situationen und Momenten verbunden ist, werden Sie gute Arbeit leisten. Die Art und Weise, wie die Zielgruppen erreicht werden, ist unterschiedlich, und es gibt keine Einheitsgröße für alle.
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Was müssen Marken tun, um sicherzustellen, dass ihre Online-Anzeigen bei Millennials und Gen-Z gleichermaßen gut funktionieren? Kann der Spagat gelingen?
Simon Kluge: Was Marken tun müssen, ist testen und lernen.
Allzu oft sehen wir, dass Forschung auf die falsche Art und Weise eingesetzt wird, nämlich als abschließende Beurteilung oder als isolierte Maßnahme. Wir glauben, dass Online-Arbeit in verschiedenen Kanälen und Umgebungen getestet werden muss.
Der Grund dafür ist einfach: Jeder Kanal hat seine eigene Wirkung. Ein Video im Kino hat zum Beispiel eine ganz andere Wirkung als dasselbe Video in einem sozialen Feed. Dies zu testen und sich der Unterschiede bewusst zu sein, kann Marken helfen. Wenn man testet und lernt, dass dieser Spagat erfolgreich ist, wird die Werbung eine echte Wirkung erzielen. Das bedeutet auch, dass die Werbung an den Kanal und das Publikum angepasst werden sollte.
Über die Personen
Michael Lersch ist Geschäftsführer für die Region Deutschland bei Forsta - A Technology Company. Forsta ist ein Zusammenschluss der Unternehmen Dapresy, Confirmit und FocusVision. Dort ist er neben der Beratung im Bereich Datenerhebung und Datenvisualisierung auch für die technische Beratung und Konzeption von CX- / EX-Projekten verantwortlich. Vor seiner Tätigkeit bei Forsta war er 15 Jahre bei Kantar in unterschiedlichen Positionen tätig.
Dr. Holger Liljeberg ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der INFO GmbH, IFM Berlin GmbH sowie von LILJEBERG Research International. Er war bis 2005 außerdem neun Jahre im BVM-Bundesvorstand, zuletzt als Vorsitzender. Derzeit ist er Sprecher des Fachgremiums Standesregeln/Qualität des BVM-Fachbeirates. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaft, Kriminologie und Psychologie promovierte er auf dem Gebiet der sozialwissenschaftlichen Jugendforschung.
Innerhalb der letzten 12 Jahre verantwortete Simon Kluge verschiedene Führungspositionen in der Marktforschungsbranche. Er leitete zunächst die Marktforschungsabteilung des Versandhändlers neckermann.de, bevor er sich der Weiterentwicklung unterschiedlicher Research Business Units auf Dienstleisterseite widmete, mit Stationen bei YouGov sowie in der SKOPOS Group. Seit März 2021 ist Simon Kluge als Senior Business Partner bei DVJ im Einsatz.