40 Jahre Produkt + Markt: Geschäftsführer Prof. Dr. Joachim Scholz-Ligma im Interview

Prof. Dr. Joachim Scholz-Ligma, Produkt + Markt

Prof. Dr. Joachim Scholz-Ligma, Produkt + Markt

In diesem Monat feierte Produkt + Markt sein 40-jähriges Firmenjubiläum. Aus diesem Anlass stand Geschäftsführer Prof. Dr. Joachim Scholz-Ligma marktforschung.de zum Interview zur Verfügung. Im Gespräch äußerte er sich zu den Besonderheiten des Unternehmens, strategisch wichtigen Entscheidungen in der Firmenhistorie und zu den Plänen für die Zukunft.

marktforschung.de: Herr Prof. Dr. Scholz-Ligma, zunächst zum vierzigjährigen Bestehen von Produkt + Markt unsere herzlichsten Glückwünsche! Mit einem Unternehmen vier Jahrzehnte zu "überstehen" ist ja durchaus eine bemerkenswerte Leistung. Was sind aus Ihrer Sicht die Säulen, auf denen der Erfolg basiert?

Joachim Scholz-Ligma: Ich denke, ein Aspekt ist eine sehr solide Unternehmenspolitik – ein kontinuierliches Wachstum von fünf bis zehn Prozent pro Jahr und keine waghalsigen unternehmerischen Abenteuer. Zur soliden Unternehmensentwicklung gehört auch eine solide Personalentwicklung: Die meisten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fangen direkt nach dem Studium als Junioren an und entwickeln sich im Laufe der Jahre und der vielen Projekte, die sie übernehmen, dann zu erfahrenen Marktforscherinnen und Marktforschern weiter.

Wir sagen immer, wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem "Marktforschungs-Gen", die wirklich Spaß daran haben, Marktforschung zu machen - da ist Marktforschung nicht nur irgendein Job. Dabei wird Kundenorientierung ganz groß geschrieben und auch die Identifikation mit dem Unternehmen. Ich denke, Marktforschung ist immer ein "people‘s business". Die Methoden, die die Institute haben, sind ja – auch wenn es immer neue, unterschiedliche Bezeichnungen dafür gibt – doch irgendwie vergleichbar, aber das, was den Unterschied macht, sind "people", das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und das ist, denke ich, der wichtigste Erfolgsfaktor.

marktforschung.de: Haben Sie interne Programme zur Förderung der Mitarbeiter?

Joachim Scholz-Ligma: Ja, genau. Das Wichtigste ist ein Know-How-Transfer, den wir seit etwa fünf bis sechs Jahren auch stärker institutionalisiert haben. Das heißt, wir haben unter unseren 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mittlerweile eigentlich für alle qualitativen und quantitativen Methoden Spezialisten, die dann ihr Wissen intern weitergeben. Das geschieht im Rahmen von internen Veranstaltungen, die wir im zweiwöchentlichen Rhythmus durchführen. Thematisch können das beispielsweise neue Entwicklungen der Conjoint-Methodik sein, das können tiefenpsychologische Tools in der qualitativen Marktforschung sein – letztlich das das gesamte Spektrum. 

Das sind interne Fortbildungsveranstaltungen, die sehr gut angenommen werden. Und teilweise, da, wo es uns weiterhelfen kann, laden wir auch externe Referenten ein. Das ist - sagen wir mal so - die "wissensmäßige Weiterbildung".

Sommerfest zum 40-jährigen Jubiläum vorm jüngst bezogenen Neubau (Foto: Produkt + Markt)

Ich denke aber, dass auch das Zusammengehörigkeitsgefühl, also zu Produkt + Markt zu gehören, ganz wichtig ist. Wir haben gerade jetzt einen Neubau eingeweiht, unser "Haus 4". Hierin gibt es einen völlig neu gestalteten und deutlich erweiterten Sozialbereich, weil wir nicht einfach nur "zusammen arbeiten" wollen. Wir wollen wirklich auch Spaß an der Arbeit haben, und wir wollen die Kontakte und Gespräche zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fördern. Und das wird auch sehr gut angenommen.

marktforschung.de: Zurück zu Ihrem Jubiläum: Was waren die wesentlichen Meilensteine in der Firmengeschichte?

Joachim Scholz-Ligma: Wir haben zum Jubiläum eine spezielle Website erstellt, auf der die dreizehn Meilensteine zusammengefasst sind und auch anhand eines Zeitstrahls die vierzigjährige Geschichte des Unternehmens – hoffentlich unterhaltsam – dargestellt ist. In wenigen Worten lässt sich das gar nicht zusammenfassen. Wie schon gesagt, hinter der Entwicklung des Unternehmens steht ein organisches, kontinuierliches Wachstum.

Wir haben als Spezialist für Agrar-Marktforschung begonnen und sind darüber an Unternehmen gekommen, die für die Landwirtschaft Serviceleistungen anbieten. Das sind beispielsweise die Volks- und Raiffeisenbanken, die Lebensmittelindustrie und ähnliche. So haben wir unseren Food-Bereich entwickelt, den Bereich Banken, den Bereich Finanzdienstleistungen und Versicherungen.

Und natürlich betreiben die Landwirte nicht nur Ackerbau, sondern haben auch Tiere. Auf diese Weise haben wir in der veterinär-pharmazeutischen Industrie Fuß gefasst und später auch in der Pharmaindustrie im Humanbereich. Das heißt, unseren jetzigen Geschäftsbereiche sind im Grunde eine logische Konsequenz aus dieser organischen Entwicklung.

Und eigentlich waren das immer Meilensteine: Neue, große Kunden zu gewinnen und dann über den regionalen Bereich hinaus für globale Weltmarktführer zu arbeiten.

marktforschung.de: Welche Rolle spielt Agrar-Marktforschung heute noch?

Joachim Scholz-Ligma: Agrar-Marktforschung ist immer noch ein starker Bereich und macht etwa 30% des Umsatzes aus. Es gibt national und international relativ wenig Institute, die auf diesen Bereich spezialisiert sind. Und wir haben – das ist vielleicht sogar ein Standortvorteil – eine Mannschaft, die sowohl von Marktforschung als auch von Landwirtschaft etwas versteht. Das sind Mitarbeiter, die vielleicht aus einem landwirtschaftlichen Betrieb kommen oder teilweise noch im Nebenerwerbsbetrieb Landwirte sind. Damit wird eine Fachkompetenz geboten, die man sich so gar nicht anlesen oder aneignen kann.

marktforschung.de: Wie verteilt sich das Verhältnis von quantitativer zu qualitativer Forschung in etwa bei Ihnen?

Joachim Scholz-Ligma: Qualitative Forschung wächst sehr, sehr stark. Traditionell ist Produkt + Markt eher als quantitatives Institut bekannt gewesen, aber das hat sich in den letzten zehn Jahren doch deutlich geändert. Ich denke, der Anteil qualitativer Marktforschung liegt jetzt bei etwa 30 bis 35 Prozent.

marktforschung.de: Ist "Social Media" bei Ihnen ein Thema?

Joachim Scholz-Ligma: "Social Media" ist ein Thema, wobei wir hier noch etwas beobachten in welche Richtung das geht. Wir sind im Moment weniger stark in sekundären Aktivitäten wie Social-Media-Monitoring engagiert. Gern nutzen wir Social Media als Tool in der Primärmarktforschung. Wir setzen Blogs und Foren als Ergänzung zu unserem qualitativen Instrumentarium zu einem bestimmten Thema oder einem Online-Ideen-Workshop auf und lassen sie für zwei bis vier Wochen laufen.

Wir beobachten die Entwicklung sehr genau und haben ein Team aufgesetzt von sehr motivierten und engagierten jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - die "digital natives" unter uns – die aufgerufen sind, mit unkonventioneller Kreativität auch in unser Unternehmen noch mehr neue Ideen einzubringen. Wir wollen eigentlich immer innovativ sein, aber wir müssen eben auch aufpassen, dass wir, nachdem wir nun als Unternehmen vierzig Jahren alt sind, nicht altern, sondern immer ganz offen sind und uns jeden Tag wirklich neu erfinden. Und da können uns gerade die "digital natives", die Jüngeren unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sehr helfen.

marktforschung.de: Stichwort "Methodenveränderung bei der Datenerhebung": Welche Rolle spielt denn heute bei Ihnen noch das CATI?

Joachim Scholz-Ligma: Ja, CATI ist zurückgegangen, hat sich jetzt aber stabilisiert. Wir haben ja über unsere Schwesterfirma MARKET phone zwei eigene CATI-Studios und sehen, dass der Rückgang seit zwei Jahren eigentlich gestoppt ist. Wir haben jetzt eine konstante Zahl an Telefoninterviews, die wir durchführen, und beobachten auch ein einer ganzen Reihe von Fällen, dass Kunden von Online wieder auf CATI zurückgekommen sind, weil die Datenqualität je nach Zielgruppe doch besser ist.

marktforschung.de: Konnten Sie beobachten, ob es bestimmte Branchen oder Themenfelder gibt, die zu dieser Stabilisierung besonders beigetragen haben? 

Joachim Scholz-Ligma: Das kann man gar nicht so ganz einfach sagen. Es kommt einfach dann darauf an – wenn man also wirklich sehr zuverlässige, repräsentative Daten braucht, weil es um ein Produkt-Launch geht, weil es um die genaue Definition einer Zielgruppe geht – also wenn es wirklich wichtige, ernsthafte, harte Fragestellungen sind, wird dann doch eher den CATI-Ergebnissen vertraut, weil einfach das Phänomen der Selbst-Selektion in dieser Form nicht vorhanden ist und man doch eine stärkere Kontrolle darüber hat, wer der Befragte ist.

marktforschung.de: Ich komme nochmal auf die von Ihnen eingangs erwähnte solide Unternehmenspolitik zurück: Produkt+Markt ist ja als eines der wenigen größeren Marktforschungsinstitute in Deutschland nach wie vor inhabergeführt – keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Vor einigen Jahren gab es ja quasi einen "Run" von Investoren auf Institute und in Folge dessen auch einige Merger. Gab es denn für Produkt+Markt auch Übernahmeangebote?

Joachim Scholz-Ligma: Ja, wir hatten eine ganze Reihe von Übernahmeangeboten. Es gab auch schon sehr ernsthafte und intensive Verhandlungen. Im Jahr 2005 haben wir uns dann aber in letzter Minute entschlossen, die weitere Zukunft von Produkt + Markt selbst in die Hand zu nehmen. In jenem Jahr hat ein großes Management-Buy-Out stattgefunden, das heißt, leitende Mitarbeiter haben die Firmenanteile von den Gründern gekauft.

Im Jahr 2009 hatten wir eine zweite Management-Buy-Out-Welle, bei der weitere drei leitende Mitarbeiter und eine leitende Mitarbeiterin zu Mitgesellschaftern geworden sind. So haben wir jetzt eine solide Gesellschafterstruktur, die es uns ermöglicht, unsere Zukunft in die eigene Hand zu nehmen.

Wir sehen weitere Vorteile, weil wir kurze Entscheidungswege haben, weil wir kundenorientiert arbeiten können, weil wir keinen bürokratischen Wasserkropf mit Daten füttern müssen, sondern wirklich das machen können, was wir eben gerne machen wollen, nämlich Marktforschung, und das für die Kunden.

marktforschung.de: Sind denn umgekehrt Zukäufe für Sie ein Thema?

Joachim Scholz-Ligma: Das ist immer mal wieder ein Thema, aber wir haben jetzt im Moment kein konkretes Akquisitionsprojekt im Auge.

marktforschung.de: Ein wenig allgemeiner gefragt: Wo sehen Sie aktuell die Herausforderungen für die Marktforschungsbranche?

Joachim Scholz-Ligma: Gut, wir haben das Stichwort "Big Data", wir haben viele automatisierte Techniken, wo es immer wieder auch aus dem Bereich des Marketing, also unserer Auftraggeber, heißt, Marktforschung wird obsolet, wird überflüssig, Marktforschung muss sich neu erfinden. Das ist sicherlich eine spannende Umbruchphase, und ich denke, man kann nicht einfach davon ausgehen, dass es in den nächsten 10, 20 Jahren so weitergeht wie in den letzten. Da sind wir sehr, sehr aufmerksam. Was das konkret für uns bedeutet, kann ich im Moment nicht sagen.

Ich sehe aber immer noch einen konkreten Bedarf für das, was wir tun. Es werden sehr, sehr viele Daten generiert, aber um das "Warum" zu verstehen, dafür braucht man immer noch die Marktforschung – und daher sehe ich auch für uns noch eine gute Zukunft.

marktforschung.de: Das heißt aber auch: der viel diskutierte Beratungsaspekt in der Marktforschung nimmt weiter zu.

Joachim Scholz-Ligma: Ganz sicher! Wir beobachten auch, dass wir eine ganze Reihe von A-Kunden haben, bei denen wir projektweise oder auch projektübergreifend in strategische Marketingteams eingebunden werden - schon mit unserer Kernkompetenz Marktforschung natürlich, aber wir präsentieren nicht einfach nur Ergebnisse, sondern arbeiten auch hinterher sehr intensiv mit, wenn es darum geht, diese Ergebnisse umzusetzen. Das ist sicherlich eine Entwicklung, die sich in den letzten fünf Jahren nochmals sehr intensiviert hat.

marktforschung.de: Gibt es aktuell Branchen oder Wirtschaftszweige, von denen Sie sagen würden, dass Marktforschung dort besonders gefragt oder auch besonders spannend ist – sowohl methodisch als auch natürlich wirtschaftlich?

Joachim Scholz-Ligma: Ja sicherlich. Beispielsweise ist der Automobilbereich sehr interessant – methodisch und wirtschaftlich. Da muss man schauen, wie es sich so entwickelt. E gibt eine ganze Reihe von Herstellern, die unter sinkenden Absatzzahlen leiden. Finanzdienstleistungen sind auch immer noch interessant und natürlich der Bereich Healthcare und alles, was mit Gesundheit zu tun hat, weil Gesundheit ja ein Mega-Trend in der Gesellschaft ist.

marktforschung.de: Sie selber sind ja auch Dozent für Marktforschung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Wie erleben Sie denn das Feedback des Nachwuchses auf das Tätigkeitsfeld Marktforschung?

Joachim Scholz-Ligma: Die Studierenden interessieren sich in erster Linie für das Marketing, und unter Marktforschung stellen sich doch viele noch eine eher introvertierte Erbsenzählerei vor. Und ich sehe meine Aufgabe eigentlich immer darin, dem Nachwuchs die spannenden Seiten der Marktforschung zu vermitteln, in dem zum Beispiel im Seminar ein eigenes Online-Marktforschungsprojekt durchgeführt, selbständig ausgewertet und präsentiert wird. Also nicht nur über Marktforschung reden, sondern einfach mal Marktforschung machen und erleben. Und ich bekomme dann sehr viel positives Feedback, dass Marktforschung viel spannender und interessanter sei, als es sich die Studenten zu Beginn eines Marketing-Vertiefungsstudiums vorstellten.

marktforschung.de: Sie haben das Stichwort "people’s business" ja schon genannt, das ist ja sicherlich dann auch ein Aspekt. Was reizt Sie persönlich ganz besonders an der Marktforschung?

Joachim Scholz-Ligma: Ich finde an der Marktforschung interessant, dass es eigentlich täglich etwas Neues zu entdecken gibt, dass wir durch die Marktforschung verstehen können, wie Entscheidungen gefällt werden, wie sich auch Emotionen auf das Wirtschaftsleben auswirken. Das sind auch nach Jahrzehnten noch spannende Fragestellungen. Durch die Erfahrungen kann man natürlich einiges antizipieren, aber es bleibt doch immer noch ganz viel Raum für Neues und Überraschendes, und das macht es jeden Tag interessant, als Marktforscher tätig zu sein.

marktforschung.de: Zum Abschluss noch einmal zurück zu Ihrem Unternehmen und das Jubiläum: Was sind die nächsten großen Ziele von Produkt + Markt?

Joachim Scholz-Ligma: Produkt + Markt möchte auch in den nächsten 10, 20 Jahren in Deutschland ein führendes, unabhängiges Marktforschungsinstitut sein. Ich denke, dass wir unsere Erfahrung nutzen können, die Erfahrung bringt Solidität. Aber ich hoffe auch, dass wir den Mut haben, alles, was wir machen, in Frage zu stellen und uns immer wieder neu zu erfinden.

marktforschung.de: Aber wir gehen erst mal davon aus, dass es auch ein fünfzigjähriges Produkt+Markt-Jubiläum gibt.

Joachim Scholz-Ligma: Ja, sicher, es soll ein fünfzigjähriges Jubiläum geben. Wir werden unseren Umsatz in den nächsten 10 Jahren nicht verdreifachen, sondern die bisher erfolgreiche Strategie einer soliden, kontinuierlichen, organischen Unternehmensentwicklung fortsetzen. Das klingt vielleicht nicht so wahnsinnig aufregend, aber aus unserer Sicht der richtige Weg zu einer nachhaltigen Unternehmensführung.

marktforschung.de: Dann dafür alles Gute,

Joachim Scholz-Ligma: Dankeschön!

marktforschung.de: ...und ganz herzlichen Dank für das Interview!

Das Gespräch führte Claas Lübbert

 

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