Marktforschung in Österreich
Kleines Land mit großer Wirkung?
Klein, aber fein. Das trifft wohl nicht nur auf das Land Österreich, sondern auch dessen Marktforschungsbranche zu. Angesichts der Tatsache, dass in Österreich der Anteil an Marktforschungsbudgets laut Marketagent.com von rund 3,7 Prozent am Kuchen für Werbeausgaben von Unternehmen geringer ist als in anderen Ländern, in Deutschland liegt er etwa bei 13,9 Prozent, bietet die Branche allerhand Methoden, Tools und Institute. Von internationalen Instituten, die einen Standort in Österreich haben, wie etwa GfK oder TNS Infratest, bis hin zu One-(Wo)man-Shows in bestimmten Bereichen, zum Beispiel Profiling, Semiotik etc., ist in Österreichs Marktforschungsbranche alles vertreten. Der Großteil positioniert sich jedoch als Full-Service- Anbieter, da der Markt dann doch wiederum nicht so groß ist. Zu den bekanntesten Instituten in Österreich [1] zählen GfK (86 Prozent), Karmasin Motivforschung (41 Prozent), das Österreichische Gallup Institut (36 Prozent), Market (36 Prozent), IMAS (31 Prozent), Spectra (27 Prozent), IFES (26 Prozent), marketmind (21 Prozent), Integral (17 Prozent), marketagent.com (15 Prozent) und AC Nielsen (11 Prozent).
Institute im Wandel
Vor allem bei den drei bekanntesten Instituten haben sich allerdings seit 2014 große Veränderungen ergeben: So ist zum Beispiel der Geschäftsführer der GfK Dr. Alexander Zeh im April 2016 nach dem Bekanntwerden von fehlerhaften Daten der Radiotest-Studie zurückgetreten. Der zweite Geschäftsführer Thomas Bachl leitet nun – zumindest vorrübergehend – GfK Austria alleine. Karmasin Motivforschung und das Österreichische Gallup Institut – beides ursprünglich Institute der Familie Karmasin – wurden nach dem Wechsel der geschäftsführenden Gesellschafterin Dr. Sophie Karmasin als parteilose Bundesministerin für Familien und Jugend in die Bundesregierung verkauft. Karmasin Motivforschung wurde zu Institut für Motivforschung umbenannt. Eigentümer der beiden Institute ist nun Michael Nitsche. Karmasin bleibt allerdings weiterhin als wichtiger Player in der Marktforschungsbranche bestehen, wenngleich unabhängig von den beiden verkauften Instituten. Die Gründerin der Karmasin Motivforschung, Dr. Helene Karmasin, startete 2015 mit einem neuen Institut – Karmasin Behavioural Insights – das Ansätze der Verhaltensökonomie mit Marktforschung verknüpft.
An Wien führt kein Weg vorbei
Das Volumen an durch österreichische Unternehmen vergebene Marktforschungsaufträge wird auf rund 125 Millionen Euro [1] geschätzt. Zwei Drittel davon werden von großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern vergeben. Ein Anteil von 66 Prozent davon bleibt auch in Österreich. 34 Prozent der österreichischen Unternehmen vergeben Aufträge an ausländische Institute. Insgesamt sind in Österreich laut der Wirtschaftskammer Österreich rund 2.189 Personen in der Marktforschung tätig, davon 1.299 in Wien.
Grundsätzlich konzentriert sich die Branche hauptsächlich auf den Osten Österreichs. Die meisten Institute befinden sich in Wien. Umso weiter man in den Westen kommt, desto spärlicher sind Marktforschungsinstitute gesät. Das liegt wohl einerseits daran, dass die meisten großen Unternehmen, die Aufträge vergeben, in der Hauptstadt ihren Firmensitz haben. Andererseits spielt dabei auch sicher eine Rolle, dass die Bevölkerungsdichte im Osten höher ist als im Westen. Dieses Phänomen hat natürlich Einfluss auf die Erreichbarkeit von Probanden bei diversen Studien. Trotz der mittlerweile gut ausgestatteten Onlinepanels in Österreich, ist es nach wie vor eine Herausforderung, Onlineumfragen mit repräsentativen Samples in einzelnen westlichen Bundesländern wie Tirol oder Vorarlberg durchzuführen. Auch das Angebot an Gruppendiskussionsräumlichkeiten mit Beobachtungsmöglichkeit über Einwegspiegel ist im Westen Österreichs sehr gering.
Mit zu geringen Fallzahlen?
Die Stichprobengröße ist generell ein Thema, das in Österreich in den vergangenen Monaten heftig diskutiert wurde. Spätestens seitdem Österreichs Marktforscher mit ihren Prognosen sowohl für die Landtagswahl in Wien im Oktober des vergangenen Jahres als auch für den ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl im April 2016 deutlich danebenlagen, wurden Medien in Hinblick auf die Veröffentlichung von Umfragen mit geringen Fallzahlen vorsichtiger. Nur selten sieht man momentan noch Studien mit der bisher gängigen Fallzahl von n=500. Ein heiß diskutierter Punkt in diesem Zusammenhang war sogar die Einführung eines generellen Verbots von Umfragen vor Wahlen. Die Meinungen dazu fielen jedoch unterschiedlich aus. Und worüber würden Medien im Wahlkampf bloß berichten, wenn es keine Umfragen gäbe?
Quellenangabe:
[1] Ergebnis einer Umfrage des Verbands Marktforscher Österreich im Jahr 2014 unter 282 Unternehmen
Die Autorin

Sabine Beinschab ist Inhaberin des Instituts Research Affairs und empirische Partnerin von Karmasin Behavioural Insights.