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- Dossier: Zukunft der betrieblichen Marktforschung
Von Sabine Menzel
Als ich 1995 als Institutsmarktforscherin einstieg, erklärte mir meine Chefin: “Konsumenten sind nicht kreativ. Wir können sie nur nach ihren Bedürfnissen fragen und auf Stimuli reagieren lassen.“ Als ich zwei Jahre später in die betriebliche Marktforschung wechselte, erklärte mir der Personalchef: “Mit Marktforschern ist das wie mit einem guten Rotwein. Je älter, umso besser.“ Damit brachte er zum Ausdruck, dass Marktforscher erst gute Arbeit leisten, wenn sie über viele hunderte Projekte umfassende Methodenkompetenz in der empirischen Markt- und Sozialforschung und breites Markt- und Kundenwissen aufgebaut haben.
Früher hatten wir durch Befragungsforschung mit den entwickelten Erhebungsmethoden einen fast exklusiven Zugang zu Konsumenten und Kunden. Außer ihren Angaben und Ausgaben gab es kaum weitere Marktdaten. Das waren die “guten analogen Zeiten“, als wir Marktforscher Gatekeeper von Erkenntnissen über die Märkte waren und unser (Hoheits-)Wissen zu unserem Verdruss, aber doch nur von den smarten Unternehmensberatern streitig gemacht wurde. Seitdem hat sich die Wettbewerbssituation der betrieblichen und aller Marktforscher fundamental geändert. Heute kann jeder Mitarbeiter mit Anwendungen wie Survey Monkey selbst sogenannte Insights generieren. Christian Rietz nimmt in seinem Gastbeitrag die betriebliche Marktforschung unter die Lupe und diskutiert, was heute dazu gehört und wie sie eingeordnet ist.
Seit 1995 hat sich auch das Leben der Verbraucher grundlegend geändert. Das Internet und digitale Endgeräte sind integraler Bestandteil fast aller Informations-, Kommunikations- und Entscheidungswege im Alltag geworden.
Dank anwenderfreundlicher und kostenloser Programme, Apps sowie Informations- und Produktangebote sind Konsumenten heute außerordentlich kreativ – und zu Produzenten von Informationen, Inhalten und unerschöpflichen Datenspuren ihrer Consumer Journey im Netz geworden. Die Analyse-Software dafür hat einen neuen und explodierenden Markt erschaffen, der sich gar nicht erst an Marktforscher richtet.
Die digitale Transformation der Konsumenten und Unternehmen erfordert zwingend Data-Driven Marketing und Management. Auch die Konsumgüterbranche ist mitten im Wandel. Reach, Views, Clicks, Likes, Comments, Shares, Leads, Ratings, Friends und Followers in Paid, Owned und Earned Media Kanälen und E-Shops wollen gemessen, verstanden und gemanagt werden. Big Data muss in Echtzeit mit weiteren Marktdaten und internen KPIs und Zielen zusammengebracht werden, um unternehmerische Entscheidungen zu treffen.
Welche Rolle spielt der betriebliche Marktforscher hier noch? Eine Vielzahl quantitativer Daten in einen logischen Zusammenhang zu bringen, sieht doch eher nach einer Aufgabe für Data Analysts und Data Scientists aus der Abteilung Business Intelligence aus. Tatsächlich braucht die betriebliche Marktforschung künftig viel mehr Daten- und Tool-Kompetenz, als bislang gefordert war. „Ein neuer Tag – ein neues Tool“, stellte eine Kollegin vor einiger Zeit fest. Nur, wenn wir Marktforscher die Flut immer neuer Analyse-Tools annehmen, prüfen, auf ihre Nützlichkeit für unternehmerische Entscheidungen bewerten und in unser Methodenset integrieren, nur dann können wir unser Alleinstellungsmerkmal, nämlich die Märkte und Kunden am besten zu verstehen, erhalten. Dieser Arbeit geht Anja Dieckmann, Head of Fundamental Research beim GfK Verein, nach und berichtet in diesem Dossier über neue Erhebungsmethoden und deren tatsächliche Relevanz für die Marktforschung.
Aufgrund der Flut von neuen Analyseanwendungen haben wir uns bei L’Oréal dafür entschieden, gleich ein halbes Dutzend an Tools, mit denen wir die sozialen Medien, Influencer- und Mediaeffizienz sowie Produktbewertungen in Netz analysieren, in der Verantwortung der Abteilung „Consumer & Market Insights“ zu managen. Damit unterstützen wir die digitale Transformation im Unternehmen und auch innerhalb der Marktforschungsabteilung. Hier arbeiten wir allerdings nicht mit traditionellen Marktforschungsinstituten sondern mit neuen Anbietern, die für unsere Fragestellungen passende Lösungen anbieten. Was Google, Apple, Facebook und Amazon für die Old Economy sind, sind die Start-ups mit ihren Tools, wenn auch noch weniger konzentriert, für die Marktforschungsbranche.
Viele Märkte sind heute volatil, nicht vorhersehbar, komplex und mehrdeutig, im Fachjargon volatile, uncertain, complex, ambigous. In dieser sogenannten VUCA-World sind die Fragestellungen entsprechend komplex und nicht mit einer Studie, einem Tool, einer Analyse zu beantworten. Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Teams, agile Projektgruppen, die Bereitschaft und Fähigkeit, sich immer wieder in neue Analyse-Tools und Daten einzuarbeiten sowie IT-Know-how sind Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Projekte. Martin Hellich, Senior Director bei Ipsos Loyalty, geht in seinem Beitrag auf die immer komplexer werdenden Marktforschungsprojekte und die damit hergehenden Anforderungen an Projektbeteiligte ein.
Aber reicht es als USP für betriebliche Marktforscher, Märkte und Kunden zu verstehen? Mehr denn je ist man als Vorwärtsdenker gefordert. Hier kommen die Analytics-Tools an ihre Grenzen. Mit ihnen bilden wir das Verhalten und die Bedürfnisse der Menschen heute ab und können aus Zeitreihen auch Schlüsse für die nahe Zukunft ziehen. Sie helfen vor allem für taktische Entscheidungen der Marktbearbeitung mit kurz- bis mittelfristigem Horizont. Für langfristige strategische Projekte und Entscheidungen braucht es weiterhin objektive, valide und reliable Primärforschung auf Basis zuverlässiger Panels und tiefenpsychologische Analysen für frische belastbare Insights. Diese werden jedoch selten allein stehen, sondern mit Analytics Insights und auch Mut zur Meinung kombiniert.
Die betriebliche Marktforschung muss sich neu erfinden. Wenn sie umfassendes Tech-Know-how aufbaut, die Komplexität der verfügbaren Analyse-Tools und Insights-Quellen annimmt und in Kooperation mit anderen Experten daraus im Unternehmen die Essenz an Erkenntnissen gewinnt, sie in klare Empfehlungen überführt, die Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben, wird die betriebliche Marktforschung als eigenständige Einheit bestehen können. Das Methodenrepertoire der empirischen Markt- und Sozialforschung wird weiterhin das Fundament bleiben. Ging es in der Marktforschung früher primär um Zahlen und Analysen, so geht es heute mehr und mehr um Technologie und Tools.
So wird der Marktforscher der Vergangenheit in Zukunft eher ein Data und Insights Manager sein. Und ein Personalchef wird weniger nach einem guten Rotwein sondern eher nach einem spritzigen Weißwein suchen.
Die Autorin
Sabine Menzel ist seit Januar 2015 Director Consumer & Market Insights bei der L'ORÉAL Deutschland GmbH. Sie stieg nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre bei Infratest Burke in die Marktforschung ein. 1997 wechselte sie auf die betriebliche Seite zu L’Oréal Deutschland und hatte verschiedene Marktforschungsfunktionen inne. Von 2006 bis 2008 war sie Geschäftsleiter des internationalen Bereichs des Market Research Service Center der Deutsche Post World Net. 2008 ging sie zur Henkel AG und verantwortete zuletzt das Competence Center Consumer & Shopper Insights. Ehrenamtlich hat sich Sabine Menzel viele Jahre im BVM Vorstand für Seminare, Fachtagungen und den Preis der Deutschen Marktforschung engagiert.
Anmerkung der Redaktion: Die Dossier-Beiträge werden sukzessive veröffentlicht.
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Tel.: +49 (0)2233 - 460 78 60
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