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Neue Ansätze in der Konsumentenforschung

Neue Ansätze in der Konsumentenforschung - Unzensiert: Was taugen implizite, beobachtende und andere neue Verfahren?
von Holger Geißler, marktforschung.de
Was ist Konsumentenforschung und warum ist diese relevant für die Marktforschung?
Als Konsumentenforschung wird die Forschung bezeichnet, die das Verhalten von Konsumenten zum Gegenstand hat. Im engeren Sinne geht es um das Verhalten beim Kauf oder Konsum von wirtschaftlichen Gütern. Im weiteren Sinne gehört dazu aber auch die Forschung über Einstellungen rund um den Konsum dazu, wie zum Beispiel aktuell über das Thema Nachhaltigkeit.
Der Großteil der Marktforschung befasst sich mit Konsumentenforschung, auch wenn es zumindest für Deutschland keine Zahlen gibt, die das eindeutig belegen. Betrachtet man die Umsatzanteile in der Marktforschung nach Branchen, so liegt der Anteil an Forschung rund um Konsumgüter zwar mittlerweile bei nur noch 20 Prozent. Das ist aber ein Mess-Artefakt, da die Zuordnung der Branchen vor einigen Jahren geändert wurde. Dadurch können jetzt andere Branchen, die früher Konsumgütern zugerechnet wurden, wie z. B. Gebrauchsgüter, IT/Telekommunikation oder Automobilforschung, separat betrachtet werden.
Einen anderen Hinweis liefert der Blick in das Anbieterverzeichnis von marktforschung.de: Rund 80 Prozent aller Institute weisen Kompetenzen im Bereich„Handel/Konsum“ aus. Das ist der Höchstwert. Dieses Muster findet sich in anderen internationalen Marktforschungsverzeichnissen genauso.
Was sind neue Ansätze im Bereich Konsumentenforschung?
Was neu ist, ist ja immer so eine Sache. Für den Trendsetter sind Dinge bereits alt, wenn der Mainstream sie eben erst entdeckt.
Für den Marktforschenden mit zwanzig Jahren Erfahrung sind vermeintlich neue Ansätze längst ein alter Hut, auch wenn diese sich bezüglich der Marktreife noch in der Wachstumsphase befinden. Denken Sie einen Moment über folgende Fragen nach, bevor Sie den Text weiterlesen:
- Welche neuen Ansätze in der Konsumentenforschung fallen Ihnen spontan ein?
- Was ist an dem Ansatz tatsächlich neu?
- Und wissen Sie, ob sich der Ansatz tatsächlich bewährt hat?
Auch wenn die Marktforschungsbranche vielleicht nicht die innovativste aller Branchen ist, so tauchen doch regelmäßig neue Tools und Ansätze am Branchenhimmel auf:
GfKnewron, quantilope inColor, YouGovProfiles, advise ROBOT, AI-Insights Validator, Bilendi Discuss, Kantar Pack eValuate, RogQ-Lab, nur um mal einige zu nennen.
Es fehlt der Branche wahrlich nicht an coolen neuen Toolnamen. Aber:
- Von welchen davon haben Sie bereits einmal gehört?
- Welcher Ansatz wird Jahre überdauern, weil er besser ist als ein bereits vorhandenes Tool?
- Und gibt es darunter einen Ansatz mit disruptivem Potenzial?
Hot or not?
Eine vergleichsweise verlässliche Quelle dazu, was gerade als „trendy und neu“ in der Konsumentenforschung angesehen wird, ist der GRIT Report von Greenbook. In dieser jährlichen internationalen Studie, an der sowohl Auftraggeber als auch Institutsmarktforschende befragt werden, wird unter anderem nach den Buzzwords und „Emerging Methods“ gefragt.
Besonders häufig genannte Buzzwords sind aktuell „Storytelling & data visualization“, „Agile research/methods/approaches“ und das Thema „Data integration“.
Aus Sicht der Dienstleister, die Trends normalerweise etwas früher als Auftraggeber wahrnehmen, sind folgende Ansätze ganz vorne zu finden: „Mobile first surveys“, „Text analytics“ und „Mobile qualitative“. Die größte Veränderung zum Vorjahr findet sich bei „Facial coding and analysis“, „Text Analytics“ und „Chatbots“.
Im Vergleich dazu sehen Auftraggeber „Social Media Analytics“ und „Big Data Analytics“ weiter vorne. Große Sprünge machen ebenfalls die Ansätze „Chatbots“ und „Facial coding and analysis“.
Neue Methoden im Überblick
Der GRIT-Report ist ein Seismograph, der die Veränderungen in der Branche kontinuierlich misst. Für unsere Fragestellung ist allerdings am interessantesten, was überhaupt im GRIT-Report als „Emerging Method“ abgefragt wird. Hier die entsprechende Liste:
Neue Ansätze, die im GRIT-Report 2021 abgefragt wurden
Methode | Was ist das? | Meine Einschätzung |
Text Analytics | Damit ist die automatisierte Analyse von Textmengen (z. B. offener Nennungen oder Social Media-Posts gemeint. | Entsprechende KI-gestützte Software-Tools funktionieren mittlerweile sehr gut. Dementsprechend nimmt die Verwendung von Text-Analytics zu. |
Social media analytics | Damit ist die Nutzung von Social Media Daten als Quelle für Insights gemeint. | Hat sich als Ansatz etabliert und ist weit verbreitet. |
Mobile first surveys | Bezeichnet die zunehmende Notwendigkeit Umfragen so zu programmieren, dass diese auch mobil beantwortet werden können. | Sollte eigentlich jede Umfragesoftware können. Viele komplexe Erhebungsverfahren wie z. B. Conjoint-Analysen sind allerdings häufig noch nicht wirklich mobil beantwortbar. |
Big Data Analytics | Die Analyse von im Unternehmen verfügbaren digitalen Daten. | Bleibt vom Erkenntnisgewinn oft noch hinter den Erwartungen zurück, da die Datenaufbereitung sehr aufwendig ist. Ist aber auf dem Vormarsch. |
Mobile Qualitative | Die Teilnahme an qualitativen Befragungsformen via Smartphone | Spätestens seit der Corona-Pandemie haben sich Online- und Mobile-Qual Ansätze etabliert. Sind gekommen, um auch nach dem Ende der Pandemie zu bleiben. |
Micro-Surveys | Einsatz von sehr kurzen Online-Umfragen, z. B. an Customer-Touchpoints. | Vor allem in der CX-Forschung gerne eingesetzt. Ist der Versuch der zunehmenden Befragungsmüdigkeit etwas entgegenzusetzen. |
Eye Tracking | Apparatives Verfahren, welches die Augenbewegungen z. B. beim Besuch von Websites misst | Hat sich im Bereich der UX- und Werbeforschung etabliert. Mittlerweile auch schon über Smartphone-Kameras erhebbar, so dass aufwendige Apparaturen im Labor-Setting immer seltener anzutreffen sind. |
Causal Analysis | Statistische Verfahren, um Ursache und Wirkung zu ermitteln | Gibt es schon lange. Mittlerweile gibt es aber immer mehr Daten, so dass entsprechende Modelle aussagekräftiger werden. |
Behavioral economics models | Die Verhaltensökonomie befasst sich mit der Frage, wie Entscheidungen getroffen werden und mit den Mechanismen, die diese Entscheidungen beeinflussen | Für viele Branchen liefern Ansätze aus dem Behavioural economics, wertvollen Input, um Prozesse beeinflussen zu können. |
Mobile ethnography | Kombination aus traditioneller Ethnografie (in der Regel Beobachtung) und mobiler Datenerhebung | Da das Smartphone der regelmäßige Begleiter von immer mehr Menschen ist, liegt der Einsatz von mobiler Ethnografie nahe. |
Facial Coding and analysis | Der Versuch menschliche Emotionen anhand des Gesichtsausdrucks zu messen. | Nimmt zu, da es immer mehr Videomaterial z. B. durch virtuelle Meetings gibt, das analysiert werden kann. |
Chatbots | Eine Anwendung, die Künstliche Intelligenz verwendet, um sich mit Menschen in natürlicher Sprache zu unterhalten. | Wird in der Konsumentenforschung noch vergleichsweise selten eingesetzt, hätte aber das Potenzial die Teilnahme an Umfragen für Befragte angenehmer zu gestalten. |
Research gamification | Der Versuch Umfragen unterhaltsam und spielerisch zu gestalten | Hier gibt es vereinzelt spannende Ansätze, ohne in der Breite der Konsumentenforschung angekommen zu sein. |
Prediction markets | Prognosemärkte sind virtuelle Marktplattformen, die den Ausgang von Ereignissen vorhersagen. | Haben nicht erst seit der Schließung des GfK-Testmarkts in Haßloch an Bedeutung zugenommen. |
Applied neuroscience | Die Anwendung von Methoden der Neurowissenschaft in der Marktforschung. | Darunter finden sich Ansätze wie EEG, TMS, MEG und psychophysiologische Messungen. Aufgrund des relativ hohen apparativen Aufwands noch nicht weit verbreitet. |
Crowdsourcing | Die Auslagerung traditionell interner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger User, z. B. über das Internet. | Wird eingesetzt, wenn es dazu passende Fragestellungen gibt. |
Passive data measurement | Die Nutzung von anfallenden digitalen Nutzerdaten, gerne in entsprechend ausgestatteten Nutzerpanels. | Bietet viele Möglichkeiten, zeigt aber in der Regel nur den digitalen Ausschnitt des Lebens. |
Virtual Reality | Nutzung einer scheinbaren Wirklichkeit in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung. | Der Ansatz könnte durch Initiativen wie dem Metaverse an Bedeutung gewinnen. Oft fehlt es aber noch an der entsprechenden Hardware in Haushalten. Anwendungen wie z. B. virtuelle Shelf-Tests haben sich etabliert. |
Biometric response | Die Untersuchung unbewusster Prozesse im Zusammenhang mit Aufmerksamkeit, Kognition, Emotion und physiologischer Erregung. | Entsprechende Messverfahren für implizite Messungen (z. B. Reaktionszeitmessung oder visuellen Skalen) gibt es mittlerweile bei vielen Anbietern. |
Fazit: Immer weniger Befragungen
Was an der Liste auffällt: Unter den oben aufgeführten „Emerging Methods“ finden sich etliche Ansätze, bei denen die explizite Befragung von Konsumenten keine Rolle mehr spielt. Das wäre eine große Veränderung für die Konsumentenforschung, die sicherlich noch einige Zeit dauern wird.
Stattdessen geht es vielmals um die Analyse vorhandener Daten, sei es aus Social-Media, Big Data, passiven Messungen oder aus Beobachtungsverfahren. Es wird weniger befragt, mehr gemessen. Wenn Befragungen auftauchen, dann geht es darum Umfragen einfacher, kürzer, spielerischer zu machen, näher am Alltag von Befragten.
So radikal wie der Ansatz des deutschen Start-ups Aimpower mit ihrem Produkt „brainsuite“ ist dabei aber keiner der in der GRIT-Studie abgefragten Ansätze. Bei Aimpower werden die Befragten durch eine KI ersetzt, die Videos, Key Visuals, digitale oder gedruckte Kampagnen und Verpackungen stellvertretend für die Befragten testet. Wenn sich solche Ansätze durchsetzen, wäre das tatsächlich eine Disruption mit deutlichen Auswirkungen auf das Geschäftsmodell. Und den meisten Befragten würde man damit sogar einen Gefallen tun.
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