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Mystery Shopping

Die ungelösten Geheimnisse des Mystery Shopping

von Holger Geißler, marktforschung.de
Liest man den Begriff "Mystery Shopping" zum ersten Mal, denkt man nicht sofort an Testkäufe oder Schaltertests, sondern vielleicht mehr an das, was in der Definition des Cambridge Dictionary erscheint, wenn man nach der Definition von Mystery sucht: "Something strange or not known that has not yet been explained or understood". Der deutsche Begriff dafür ist "Mysterium", ein ungelöstes, ungeklärtes Geheimnis. Doch das ist nicht das einzig Geheimnisvolle in der Welt des "Mystery Shopping".
Themen in dieser Ausgabe:
- Customization im Mystery Shopping
- "Die Erkenntnisse müssen dem Händler in Echtzeit zugehen, damit dieser zeitnah reagieren kann."
- Die Facetten des Mystery Shopping – Kundenzufriedenheit und Kundenbindung entstehen am Point of Sale
- Die Objektivitätsfalle
- "Mystery Shopping ist auch in Zukunft das beste Instrument, Kundenorientierung am Point of Sale zu messen."
- Mystery Shopper sind nicht meine echten Kunden. Richtig. Gut so!
- Servicecenter bei telefonischen Anfragen kompetent
- "Unternehmen wollen keine Mystery Shopping Roboter"
- Warum tatsächliche Endkunden das valideste Feedback geben
- Qualitätssicherung durch Mystery Shopping
Was macht das "Mystery" in Mystery Shopping?
Betrachtet man im Cambridge Dictionary die Definition von "Mystery Shopping", so ist das Element des Mysteriösen, Geheimnisvollen verschwunden: "The activity of pretending to be a normal customer when you are employed by a company to check how its products or services are being sold".
Das ist schon sehr ähnlich den Definitionen von Deckers (1999) oder Grieger (2008): Deckers definiert den Begriff Testkundenverfahren als: "...verdeckt teilnehmende Beobachtung, die unter Einsatz eines Gesprächsleitfadens, im Zusammenhang des Kaufens und Konsumierens und mit der Zielrichtung der Datenerhebung und Qualitätssteuerung zum Einsatz gebracht wird."
Das "Mysteriöse" taucht hier lediglich durch den Begriff "verdeckt" auf.
Geheimnisvoll ist Mystery Shopping vor allem für diejenigen, die getestet werden sollen. Also z.B. für Bankangestellte, Autoverkäufer oder anderes Verkaufspersonal. Für diese Mitarbeiter ist es ein Geheimnis, ob ein Kunde ein "richtiger" Kunde ist oder eben nur ein Testkunde, der eigentlich gar nichts kaufen will, sondern nur testen soll.
Wie kann der Testkäufer unerkannt bleiben?
Sobald im Unternehmen bekannt wird, dass ein Testkaufprojekt durchgeführt wird, machen sich Mitarbeiter in der Regel auf die "Pirsch" nach Testkunden. Sie versuchen mögliche Testkunden zu entlarven. Das liegt in der Natur der Sache.
Für das durchführende Institut und die eingesetzten Mystery Shopper bleibt die Herausforderung, den Test so gut durchzuführen, dass der Tester nicht "auffliegt". Diese Herausforderung macht deutlich, warum Testkauf-Projekte mit zu den komplexesten Projekten in der Markt- und Sozialforschung gehören. Das hat vor allem auch mit der Rekrutierung der richtigen Testkäufer zu tun.
Wie rekrutiert man die richtigen Testkäufer?
Natürlich gibt es auch Mystery-Projekte, wo Testkäufer einfach nur in den Kiosk gehen und eine Schachtel Zigaretten kaufen und dies protokollieren müssen. Dafür finden sich relativ einfach Testkäufer.
Aber normalerweise sind die Anforderungen an die Rekrutierung von Testkäufer sehr viel höher: Testkäufer müssen der Zielgruppe der zu testenden Dienstleistung entsprechen. D.h. wenn man die Baufinanzierungsberatung einer Sparkasse testen will, kann man nicht 21-jährige Studenten oder 75-jährige Senioren einsetzen. Das fällt jedem Kundenberater sofort auf.
Zum anderen muss ein Testkäufer über die schauspielerischen Mittel und Intelligenz verfügen, sich als jemand auszugeben, der er eigentlich nicht ist: Ein potenzieller Käufer.
Testkäufer müssen, je anspruchsvoller der durchzuführende Test ist, entsprechend entlohnt werden. Neben den Testkäufen selbst, müssen Briefing wie auch De-Briefing der Testkäufer miteinkalkuliert werden. Das kostet Geld und führt zur nächsten ungelösten Frage:
Wie kann man mit Mystery Shopping Geld verdienen?
Der Markt für Testkäufe ist umkämpft. Die MSPA, der weltweit größte Verband von Unternehmen, die Testkäufe anbieten, hat ca. 450 Mitgliedsunternehmen. Im Anbieterverzeichnis von marktforschung.de finden sich allein 46 Institute aus Deutschland, die Mystery Shopping betreiben. Bei all diesen Firmen kann davon ausgegangen werden, dass sie sich an Richtlinien und Qualitätsstandards halten.
Daneben gibt es aber auch zahlreiche Unternehmen, die ebenfalls Mystery Shopping-Projekte durchführen, sich aber weder als Marktforscher bezeichnen würden noch Mitglied der MSPA sind. Solche Unternehmen müssen sich auch nicht an die durch den Verband definierten Qualitätsstandards und Richtlinien halten. Das führt zu ungleichem Wettbewerb.
Konkurrenz belebt das Geschäft, ist aber schlecht für die Gewinnmarge. Die Komplexität der Mystery-Projekte, verbunden mit der Schwierigkeit die richtigen Testkäufer zu rekrutieren, in einem hoch-kompetitiven Markt - der durch die digitale Transformation nicht gerade boomt - macht das Leben als Testkauf-Institut nicht einfach.
Wie belastbar sind die Ergebnisse?
Schwierig ist, dass im Vergleich zu anderen Marktforschungsstudien die Stichprobengröße bei Mystery-Projekten zumeist vergleichsweise klein ist. Das hat mit zwei Dingen zu tun: Zum einen ist der Fallpreis recht hoch. Zum anderen werden meist nur wenige Testkäufe je Team/Berater gemacht, da in dieser Zeit kein Umsatz generiert werden kann.
Die kleinen Stichproben sind insofern methodisch vertretbar, da es sich hierbei um eine sehr konkrete Beobachtung eines Geschäftsvorfalls oder einer Dienstleistung handelt. Wahrscheinlich würde auch die Verdoppelung der Fallzahl nicht zu einem grundsätzlich anderen Ergebnis führen. Andererseits sinkt bei kleinen Fallzahlen die Genauigkeit der Messung.
Dazu kommt, dass die Ergebnisse von Testkauf-Projekten in der Regel von Auftraggebern und Führungskräften im Unternehmen besonders kritisch betrachtet werden. In einigen Unternehmen hängen Teile der variablen Vergütung von Führungskräften daran, wie Ergebnisse von Servicetests ausfallen.
Auch bleibt offen, welcher Mitarbeiter welches Ergebnis im Test erzielt hat. Das gebietet das Anonymisierungsgebot der Marktforscher. Die Testergebnisse werden so übermittelt, dass die Bestimmbarkeit der getesteten Mitarbeiter faktisch ausgeschlossen wird. Auch dieser Unterschied führt bisweilen dazu, dass Marktforschungsinstitute den Kürzeren in Ausschreibung gegen branchenfremde Anbieter ziehen.
Fazit: Mystery Shopping-Projekte sind eine Herausforderung
Zusammenfassend kann man festhalten, dass viele Mystery Shopping-Projekte eine Herausforderung für die Branche sind. Auch wenn die Projekte aufgrund der hohen Feldkosten zumeist zu den umsatzstärkeren Projekten gehören, so muss viel zusammenpassen, damit auch das Institut auf seine Kosten kommt. Wie das Funktionieren kann und auf was dabei geachtet werden muss, steht im Vordergrund unseres neuen Dossiers zum Thema "Mystery Shopping".
Viel Spaß beim Lösen der Geheimnisse!
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