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Marktforschung 2020

Marktforschung 2020: Zerstörer oder Zerstörter? Die Zukunft der Marktforschung

Von Prof. Horst Müller-Peters, Herausgeber
"Schöpferische Zerstörung" nannte der bekannte Nationalökonom Joseph Schumpeter jenen Prozess, in dem neue Unternehmen dank innovativer Ideen Wettbewerbsvorteile gewinnen und so Wirtschaft und Gesellschaft fortentwickeln – wobei aber bestehende Strukturen und Anbieter untergehen (Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1911). Diese Zerstörung erfolgt keinesfalls kontinuierlich, sondern einhergehend mit der technischen Entwicklung in Schüben, wie wir gerade im Zuge der Digitalisierung erleben, die bereits zahlreiche ehemalige Champions und ganze Branchen buchstäblich wegradiert hat.
Wie steht es nun mit der Marktforschung? Unser etwas provokanter Titel "Marktforschung 2020 - besser, anders oder gar nicht mehr da" ist durchaus ernst gemeint. Daten seien das Gold der Zukunft, heißt es. Aber verliert die bestehende Marktforschungsbranche angesichts omnipräsenter digitaler Datenmassen nicht nur die Datenhoheit, sondern zugleich auch die Interpretationshoheit über das Konsumentenverhalten? Zumal ihr eigener klassischer Datenfluss aus Konsumentenbefragungen aufgrund abnehmender Auskunftsbereitschaft und rechtlicher Hürden immer mehr zum Rinnsal verkommt, während schier übermächtige Platzhirsche der digitalen Welt wie Google, Facebook & Co. nicht nur an den neuen Datenquellen sitzen, sondern auch ihre Fördertechnik dank Datamining und Analysetools rasant optimieren? Dann erginge es der Marktforschungsbranche 2020 wie der Kohleindustrie im letzten Jahrhundert: Diese wurde auf dem Höhepunkt des Energiebooms durch neue und effizientere Energieträger verdrängt, während erstere auf dem Höhepunkt der Informationsgesellschaft durch neue und effizientere Datenquellen ersetzt würde. (Nur dass der Einfluss von ADM und BVM wohl kaum ausreichen dürfte, der Branche ein ähnlich subventionsvergoldetes langsames Sterben zu sichern, wie es der Bergbauindustrie einst gelang).
Wir haben recherchiert und nachgefragt. Innerhalb der Branche und außerhalb der Branche.
Wie nahe ein "schöpferischer Zerstörer" namens Google schon vor ihrer Tür steht, ist den wenigsten Marktforschern wohl bewusst, siehe dazu unseren Beitrag "Google: Großangriff auf die Marktforschung?". Um welche wirtschaftlichen Dimensionen es dabei geht, zeigt der aktuelle Deal mit Survey Monkey (siehe den genannten Beitrag sowie unser Interview mit Stephan Shakespeare von YouGov). Lange belächelt, heute so wertvoll wie die ganz Großen der Branche, liefert er doch die "Fördertechnik" für das neue Gold. Ähnlich wie der Statistikpionier SPSS, der mittlerweile mit IBM von einer anderen Größe der IT-Welt geschluckt wurde. Auch Agenturleiter Oliver Spitzer (Changing Minds) läutet der bestehenden Marktforschung das Totenglöckchen, wenn auch aus einer ganz anderen Perspektive. Und schließlich überwiegt selbst im Beitrag der "Branchen-Internen" Thomas Perry und Oliver Tabino (Q Agentur für Forschung) die Skepsis: Marktforschung sei eine Branche, die "meist reagiert", "Maßstäbe nicht setzt, sondern übernimmt", talentierten Nachwuchs "nicht begeistern kann" und deshalb nicht "den geringsten Anlass hat, sich auf die Schulter zu klopfen".
Gelassener zeigt sich im Interview der renommierte Kölner Marketingprofessor Marc Fischer, der mit wertorientiertem Marketing und einem aktiven, vernetzten Konsumenten nicht nur zwei Megatrends im Marketing, sondern zugleich auch zwei große Chancen für die Marktforschung aufzeigt.
Optimistisch zeigt sich aber vor allem der Großteil der befragten Marktforscher selbst. Sie sehen in Zukunft vieles "anders" und vieles "besser", so unter anderem GfK-CEO Matthias Hartmann sowie der TNS Infratest-Geschätsführer und ADM-Vorsitzende Hartmut Scheffler. Auch hier fallen die Stichworte Big Data und Datenintegration, Technisierung, Datenschutz, Interviewten-Motivation sowie die zunehmende Durchlässigkeit von Branchengrenzen. Nur eben nicht primär als Risiko, sondern auch als große Chance für eine Branche, die mehr als alle anderen in der Lage sei, mittels ihres methodischen und verhaltenswissenschaftlichen Knowhows aus "Big Data" "Smart Data" zu generieren und in die Unternehmen zu kommunizieren.
Ist dies nun ein berechtigter Optimismus, oder eher ein banges Pfeifen im Walde, oder schon der letzte Tanz auf der Titanic? Über eine andere Dienstleistungsbranche in Deutschland war kürzlich zu lesen: "… Die Versicherer als Gesamtbranche sind die Getriebenen, nicht die Treiber der Digitalisierung. … Für die Versicherungswirtschaft heißt das: Sie muss sich beeilen. Entweder nutzt sie selbst alle Möglichkeiten der neuen digitalen Welt, oder andere tun das für sie." (Herbert Fromme, Financial Times Deutschland vom 29.10.2012). Einmal abgesehen davon, dass das zitierte Medium kurz danach selbst Opfer der digitalen Revolution wurde, scheint die Übertragung von der Versicherungs- auf die Marktforschungsbranche nicht ganz abwegig. Doch ein Blick in die Zahlen zeigt derzeit keine Auflösungserscheinungen. Der langfristige Wachstumstrend der Branche ist weiterhin ungebrochen. Das gilt international, aber auch, wenngleich etwas langsamer, national, wie sowohl die Berichte aus den Instituten als auch die jeweils aktuellsten Ausgaben des Honomichl Reports, der Context-Umsatzliste oder des ADM-Reports zeigen - und nicht zuletzt unsere weiterhin steigenden Leser- und Inserentenzahlen. Auch die positive Entwicklung der Aktienkurse der großen Anbieter demonstriert ein ungebrochenes Vertrauen der Investoren. Schließlich ist die Gründerszene innerhalb der Branche höchst agil; wir haben dazu mit impact & emotions, Liveloop, MANUFACTS und Trendscope exemplarisch vier aktuelle Gründer interviewt.
Zudem hat die Branche jetzt schon den digitalen Wandel grundlegend aufgegriffen, wie in diesem Dossier unter anderem die Investitionsstrategie der GfK (siehe das schon zitierte Interview mit Matthias Hartmann) sowie die exemplarischen Beiträge von Sabine Haas (result) und Jan Otto (Ipsos) zeigen. Ein gutes Bild zu dieser Entwicklung geben auch zahlreiche Fachartikel zu neuen Methoden aus den bisherigen Ausgaben des marktforschung.dossier, die wir ganz aktuell in unserem Jahresbuch "Marktforschung in der digitalisierten Welt" zusammengefasst haben.
Ob dieser Wandel reicht, damit der Rückenwind weiter anhält, oder sich der Trend doch noch dreht, wird sich zeigen. In dieser Ausgabe haben wir dazu 16 – oft konträre – Meinungen zur Zukunft der Branche gesammelt. Wie sehen Sie die Marktforschung in 2020? Muss die Branche sich neu erfinden? Wird der Wandel übertrieben? Hält die Expansion an? Wer gehört zu den Gewinnern, und wer wird verlieren? Oder erleben wir am Ende gar das internettypische Phänomen "The Winner takes it all"?
Beteiligen Sie sich an der Diskussion, und geben Sie der Branche damit neue Impulse! Damit es auch in Zukunft, in den Worten von Shakespeare (Stephan, nicht William) ausgedrückt, noch heißen kann: "I love beeing in market research".
Branchenexperten im Interview
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